Im Sommer komme es schon einmal vor, dass er ein Fest früher verlassen müsse, um die Kirchturmuhr neu aufzuziehen. Aber das sei kein Problem für ihn, schließlich mache er es ja gerne.
Seit mehr als elf Jahren steigt Hans-Peter Willmann jeden Tag die 50 Stufen der Wendeltreppe in der Pfarrkirche im Vöhrenbacher Stadtteil Hammereisenbach hinauf.
Gerade die letzten Stufen sind anstrengend, wenn es nach oben hin immer enger wird. Danach noch ein paar Stufen auf einer Leiter, gebückt durch eine kleine Holztür – dann ist er oben im Kirchturm angelangt.
Jahrelange Erfahrung
Beim Aufziehen erkennt man sofort, dass Willmann diese Tätigkeit schon lange ausübt. Jeder Handgriff sitzt – und das muss er auch.
Würde Willmann beim Aufziehen der Uhr überdrehen, könnten die dabei betätigten Drahtseile reißen, was eine längere Reparatur nach sich ziehen würde.
100 mal kurbeln, jeden Tag
Aber Willmann weiß, was er tut. Ungefähr 50 Mal muss er jeweils kurbeln. Erst beim Viertelstundenschlag, dann für den Stundenschlag.
Besonders die 50 Umdrehungen beim Viertelstundenschlag sind schwer, das merkt auch Willmann.
Vor acht Jahren hatte der 64-Jährige einen Schlaganfall. Nach einem Monat Pause fing er wieder an in den Kirchturm hinaufzusteigen. „Die Bewegung hält mich doch fit“, sagt er.
Die Uhrzeit immer im Blick
Das Resultat seiner Arbeit kann Willmann jeden Tag von seinem Wohnzimmerfenster aus sehen und hören. Denn er wohnt nur einen Steinwurf von der Kirche entfernt.
Das bringt den Vorteil mit sich, jederzeit per Blick aus dem Fenster überprüfen zu können, ob die Kirchturmuhr noch richtig geht.

Gerade im Sommer kommt es öfter mal vor, dass die Uhr etwas zu schnell geht. Dann eilt Willmann schnell hinüber zur Kirche und hoch in den Turm.
Bei jeder Witterung
Das kann dann durchaus zu einer schweißtreibenden Angelegenheit werden. Jeder, der schon einmal in einer Dachgeschosswohnung gelebt hat, kann sich vorstellen, wie heiß es im Sommer im Kirchturm werden kann.
Und im Winter ist es nicht angenehmer, wenn Temperaturen um den Gefrierpunkt im Kirchturm herrschen.
Dazu kommt noch der Zeitdruck. Maximal 26 Stunden dürfen vergehen, bis Willmann die Uhr wieder neu aufziehen muss – ansonsten ertönen keine Glockenschläge in Hammereisenbach.
Über hundert Jahre alte Tradition
Trotz der nicht immer leichten Bedingungen geht der 64-Jährige noch immer dieser Aufgabe nach und sorgt so dafür, dass eine lange Tradition weiterlebt. Seit 1902, dem Baujahr der Pfarrkirche, gibt es die Kirchturmuhr. Und genauso lange wird sie schon von Hand aufgezogen.
Das erfüllt auch Willmann mit Stolz. Denn Hammereisenbach ist mittlerweile eine der wenigen Kirchen in der Umgebung, in denen das Aufziehen der Uhr nicht elektrisch erfolgt.
Wunsch nach Anerkennung
Damit das auch so bleibt, wünschte sich Willmann zwischenzeitlich auch etwas mehr Wertschätzung der Stadt. Bis 2019 bekam er nämlich vom damaligen Ortsvorsteher ab und zu einen Kasten Bier oder ein kleines Geschenk.
Dann gab es einige Jahre aber nur noch die Aufwandsentschädigung von 30 Euro pro Monat. Eine reichlich kleine Summe für eine Tätigkeit, um die er jeden Tag planen muss.
Selbst an den wenigen Tagen im Jahr, an denen er verhindert ist, muss er für Ersatz sorgen und diesen einlernen. Er wolle mit dem Aufziehen der Kirchturmuhr sicher nicht reich werden, so Willmann. Aber über ein bisschen mehr Anerkennung würde er sich freuen.
Kirchturmuhr wird weiter von Hand aufgezogen
Deswegen hat er nun auch im Ortschaftsrat seinen Wunsch nach besserer Bezahlung geäußert. Denn so gerne er sie auch macht, in seinem Alter wird diese tägliche Arbeit zunehmend anstrengender.
Immerhin: Jetzt gibt es für ihn wieder einen Kasten Bier. Wie Willmann dem SÜDKURIER mitteilte, traf seine Forderung auf Gehör. Auch der Ortsvorsteher Patrick Hellenschmidt erkennt den hohen Wert, den Willmanns Arbeit für Hammereisenbach hat. So sind am Ende alle Beteiligten zufrieden.
Willmann sieht seine Arbeit gewürdigt und Hammereisenbach hat weiterhin eine pünktlich schlagende Kirchturmuhr.