St. Georgen-Brigach Sie produzieren Milch, Kartoffeln, Fleisch, Getreide und vieles mehr, und sind damit der wichtigste Berufsstand für die Gesellschaft. Und dennoch lohnt sich Landwirtschaft aus betriebswirtschaftlicher Sicht heutzutage eigentlich gar nicht mehr. Diese Erkenntnis, und warum Freihandelsabkommen, die in anderen Branchen für Wirtschaftswachstum sorgen, in der Landwirtschaft das Gegenteil bewirken, verdeutlichte der Ökonom Mathias Binswanger, der beim Forum Pro Schwarzwaldbauern in Brigach sprach.

„Wohlstand durch Wachstum und Freihandel – aber was bleibt für die Schwarzwaldbauern außer Bürokratie“, überschrieb das Forum Pro Schwarzwaldbauern das Thema zu ihrem Aschermittwochsgespräch. Der Schweizer Ökonom, der sich seit Jahren mit der „Tretmühle Volkswirtschaft“ befasst, hielt die Erkenntnis den rund 40 Anwesenden schonungslos vor. „Lebensmittel herzustellen, ist im Ausland billiger.“ Anhand des Beispiels Schweiz sagte er, dass Landwirte in der Schweiz ohne Subventionen, also staatliche Unterstützung, längst nicht mehr überlebensfähig wären. Weshalb die Schweiz dennoch an der Produktion im eigenen Land festhält, ergebe sich aus den Lehren des Ersten Weltkrieges, wo in der Schweiz Lebensmittelknappheit und somit große Hungersnot herrschte. Um diesbezüglich unabhängig zu sein, subventionieren die Eidgenossen ihren eigenen Lebensmittelanbau lieber teuer, als eines Tages von anderen Ländern abhängig sein zu müssen.

Wie aber kann es sein, dass die Lebensmittelproduktion ohne staatliches Zufüttern nicht existieren kann? Die Preise an den Supermarktregalen sprechen gerade in der Schweiz eine ganz andere Sprache. „Der große Verdiener ist der Handel“, verdeutlichte Binswanger. Hier ist die Gewinnspanne hoch, während die Bauern mit Niedrigstpreisen abgespeist werden.

Hierin unterscheidet sich die Schweizer Marktwirtschaft nicht von der in Deutschland. Bauern würden zum reinen Rohstofflieferanten und mit niedrigen Preisen abgespeist, während die großen Handelsmarken und Verarbeitungsbetriebe den Markt beherrschten und die fetten Gewinne abschöpften, wie den Rahm von der Milch.

Binswanger machte auch deutlich, weshalb Freihandelsabkommen, die in vielen Branchen funktionierten und für einen Wettbewerb zu Gunsten des Verbrauchers sorgten, in der Landwirtschaft das genaue Gegenteil bewirkten. Während Landwirte in der EU strengste Auflagen bei der Produktion erfüllen müssten, fielen diese mit hohen Kosten verbundenen Auflagen in anderen Ländern weg. Was die Produktion dort um ein Vielfaches vergünstige.

Der einzige Ausweg für die Landwirte, um wettbewerbsfähig zu sein, wäre demnach, die Produktivität zu steigern. „Das ist der Einritt in das Hamsterrad der Volkswirtschaft“, wie Binswanger sagte. Zudem sei die Landwirtschaft nicht auf stetiges Wachstum ausgerichtet, „weil die Ressource Boden nicht unerschöpflich erweiterbar ist.“

In der Diskussion stand unter anderem die Frage im Raum, wie die Bauern im Schwarzwald stärker an der Wertschöpfung partizipieren könnten? Dies, so Binswanger, wäre durch die Stärkung der Machtposition der Landwirte möglich, etwa über Genossenschaften. Faire Preise wären ebenfalls ein wesentlicher Faktor, „wobei unter fairem Preis jeder etwas anderes versteht.“

Auch die Direktvermarktung ab Hof sei ein mögliches Instrument, wodurch Landwirte mehr Erlös für ihre Produkte erwirtschaften könnten. Dies wird in der Region schon vielerorts gemacht. Viele Landwirte bieten ihre Waren in eigenen Hofläden oder Verkaufsautomaten an. Letztlich wäre ein Instrument auch mehr Wettbewerb und in der Öffentlichkeit mehr Bewusstsein zu schaffen, wie die Preise, die der Verbraucher an der Ladenkasse zahlt, wirklich aufgeteilt werden und wie wenig davon an die Landwirte ausbezahlt werden.

Einer der Diskussionsteilnehmer merkte an, dass „das einzige gute System das der solidarischen Landwirtschaft“ sei, wo sich Erzeuger und Verbraucher auf Augenhöhe treffen und die Preise für die Lebensmittel direkt miteinander vereinbaren. „Wenn die Qualität stimmt, ist der Preis kein Thema mehr“, so ein anderer Teilnehmer.

Martina Braun, die selbst Milchbäuerin ist, wies als Landtagsabgeordnete der Grünen auf den vom Land 2022 ausgearbeiteten Strategiedialog hin, in dem in einem Gesellschaftervertrag unter anderem festgehalten wurde, dass der Handel etwas von seinem Gewinn an die Erzeuger abgeben solle. „Wir haben große Hoffnung, dass dadurch die Landwirtschaft wieder mehr an Bedeutung gewinnt.“