Ich kralle mich am Lenkrad fest, drücke auf die Bremse und bleibe stehen. Vorsichtig drehe ich den Zündschlüssel um und stelle den Motor ab. Auf der Rückbank kritzelt der Fahrprüfer auf einem Zettel herum. Er runzelt die Stirn, rückt seine Hornbrille zurecht, schaut mir durch den Rückspiegel in die Augen und sagt: "Sie haben bestanden."
Zehn Jahre ist meine Fahrprüfung her. Aber die Bilder schießen mir sofort in den Kopf, als ich wieder in meiner alten Fahrschule, der "Driving School Salem" sitze. Mein Fahrlehrer Raven hat sich kaum verändert. Graue Haare, groß, lockeres Hemd. Ein Sympathieträger, wie er im Buche steht. Raven von Barnekow – ein Urgestein im Fahrschulgeschäft. Und heute soll er prüfen, ob ich immer noch reif für den Straßenverkehr bin.

Wir starten mit der Theorieprüfung. Die wird heute digital auf einem Tablet absolviert. Laut Kraftfahrbundesamt scheiterten daran im Jahr 2017 bundesweit 36,8 Prozent der Prüflinge. In Baden-Württemberg waren es sogar 37,8 Prozent. 2014 fielen hier nur 30 Prozent durch. Ich frage Raven, ob er den Trend in seiner Fahrschule bestätigen kann. Er nickt und sagt: "Die Theorieprüfung ist deutlich schwieriger geworden als früher. Und das spüren wir auch hier.
Die Anzahl der Fragen hat sich erhöht. Außerdem reicht es nicht mehr aus, alles auswendig zu lernen. "Heute müssen Fahrschüler die Verkehrsregel bis ins Detail verstehen. Durchmogeln geht nicht mehr." Bei den Vorfahrtsregeln wurden früher noch Bilder mit immer gleichen Motiven und Antwortmöglichkeiten verwendet. Heute müssen Fahrschüler in Videos die Situation richtig erkennen.
Diese Videos werden auch mir zum Verhängnis. Ehrlich gesagt: Vorbereitet habe ich mich kaum. Nicht weil ich die Prüfung auf die leichte Schulter nehme, sondern weil ich überzeugt davon bin, ein guter Autofahrer zu sein. Wofür lernen, wenn ich bislang doch unfallfrei und fast fehlerlos hinter dem Steuer gesessen bin? Doch heute wird schnell klar: Lernen hätte geholfen. Ich versuche mich an die Theoriestunden vor zehn Jahren zu erinnern – leider erfolglos. Die Fragen rund um Anhängerlast und Bremsweg sind noch fieser, als ich sie in Erinnerung hatte. Die Konsequenz: durchgefallen.

Fast ein Drittel der 30 Fragen habe ich falsch beantwortet. Dass ich die Hupe als Überholanzeiger außerorts nutzen darf, war mir nicht klar. Warum Leichtlauföle vorteilhaft sind, entzieht sich meiner Kenntnis. So schnell kann es beim Führerschein eben gehen. Ich verstehe, warum sich Prüflinge bei diesen Fragen schwer tun. Raven nimmt die Ergebnisse unter die Lupe und zuckt mit den Schultern: "Wer nicht vorher intensiv gelernt hat, hat keine Chance. Dass du durchgefallen bist, war mir klar. Alles andere hätte mich überrascht."
Beim Pauken tun sich vor allem Migranten schwer, wie Angelika von Barnekow, die gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Raven die Fahrschule betreibt, mir nach der Theorieprüfung erzählt. Sie bemerkt immer häufiger, dass junge Männer und Frauen etwa aus Ägypten und Tunesien ohne zu lernen die Prüfung absolvieren wollen. "Aber die Verkehrsregeln im Ausland sind anders. Viele haben von rechts vor links noch nie etwas gehört", sagt sie. Die meisten von ihnen lassen sich aber nicht von ihrem Plan abbringen und fallen dann durch. "Sie ziehen den Durchschnitt der Absolventen nach unten", sagt Angelika.
Obwohl ich bei der Theorieprüfung versagt habe, stelle ich mich natürlich trotzdem der praktischen Prüfung. Raven bringt das Fahrschulschild auf dem Auto, damit uns andere Verkehrsteilnehmer leicht erkennen.
Im Auto fange ich an nervös zu werden. Ich denke ständig ans Versagen. Mache ich doch einen Rückzieher? Nein. Ich will es mir selbst beweisen. Autofahren – das kann ich doch. Ich drehe den Autoschlüssel im Zündschloss. Jetzt gehts los.
Wir fahren durch Kreisverkehre, über Bahnlinien und Kreuzungen, durch Wohngebiete und über Landstraßen. Mir fällt es schwer, im verkehrsberuhigten Bereich Schritttempo zu halten. Eigentlich fahre ich grundsätzlich zu schnell. Immer so, dass ich die Kontrolle über das Auto behalte, aber trotzdem zügig unterwegs bin. Ich achte auf Schilder, Vorfahrt und den Schulterblick.
Als ich auf dem Parkplatz neben der Fahrschule einparke, kralle mich nervös am Lenkrad fest, drücke auf die Bremse und bleibe stehen. Sicher bin ich mir nicht, ob ich wirklich bestanden habe. GroßeFehler oder Unsicherheiten sind mir aber nicht aufgefallen.
Vorsichtig drehe ich den Zündschlüssel um, schalte den Motor ab, atme einmal tief durch. Kurze zeit ist es ruhig im Auto. Für meinen Geschmack zu ruhig. Dann schaut mich Raven mit einem Lächeln an und sagt: "Hast du gut gemacht, Junge." Ich bin erleichtert und steige aus dem Auto.
Nach der Prüfung wird mir klar, warum sich viele Prüflinge beim Führerschein schwer tun. Bei der Theorie hat sich einiges verändert. Ich hatte es damals, mit immer gleichen Papier-Fragebögen, leichter. In der Praxis hat zwar nicht so viel getan, aber der Verkehr hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Ich bin froh, dass ich meinen Führerschein schon habe.