Die Freundschaft zwischen Waldshut-Tiengen und Blois lebt: Seit 68 Jahren gibt es den Schüleraustausch zwischen den beiden Städten bereits, seit 62 Jahren sind sie offiziell verschwistert. Auch heute noch kommen regelmäßig Schüler aus der Stadt an der Loire zu Besuch – und seit einiger Zeit sogar Praktikanten.
Zunächst fand das einmonatige Sommerpraktikum nur in Frankreich statt. Dort wird jährlich ein Platz im Château Royal de Blois für die deutschen Praktikanten freigehalten. In Waldshut-Tiengen war es schwieriger, eine solche Möglichkeit ausfindig zu machen: „Hier ist das nicht so einfach, wir haben kein Schloss“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Partnerschaftskomitees Markus Schmitt und lacht.
Durch die „wunderbar reibungslose und sehr produktive“ Zusammenarbeit mit dem Kulturamt fand sich aber schlussendlich doch eine Lösung: Einen Monat lang dürfen die jungen Franzosen in der Doppelstadt einen vielseitigen Parcours durchlaufen. Einen fixen Plan gebe es dabei nicht, erklärt Stefanie Stelter, die Leiterin der Tourist-Info. Je nach Bedarf der jeweiligen Betriebe und terminlichen Wünsche der Praktikanten werde ein individueller Ablauf gestaltet.
Blumenbeete, Stadtrundgänge und viele neue Vokabeln
Ludivine Bessac arbeitet für zwei Wochen mit Stelter und ihrem Team in der Tourist-Info, davor half die 18-jährige Französin in der Stadtgärtnerei und auf dem Fahrgastschiff der Stadtwerke aus. Die unterschiedlichen Aufgaben findet sie aus einem besonderen Grund toll: Sie lernt viele neue Vokabeln. „Wenn ich Beete jäte oder Gäste bediene, sind das nicht die gleichen Wörter, die ich benutzen muss“, sagt Bessac.
Begriffe wie Gastgeberakquise, Postversand oder Feierabend hätten ihr die Kollegen schon beigebracht, im Französischen gebe es dafür keine eigenen Wörter, erklärt sie und lacht. Der Grund für das Praktikum sei ihr Interesse an Sprachen und ihr späterer Berufswunsch gewesen. Im Herbst fängt sie an, in Nantes Jura auf Französisch und Englisch zu studieren. „Da ist es gut, noch eine dritte Sprache zu sprechen.“
Während Bessac ihre Deutschkenntnisse verbessern kann, profitiert auch die Tourist-Info von dem mehrsprachigen Neuzugang. Den französischen Kunden, die an diesem Tag um Auskunft baten, konnte Bessac helfen. „Da waren wir wirklich froh, dass sie da war“, meint Stelter. Den digitalen Stadtrundgang hat die junge Französin auch schon durchgehört und auf Fehler überprüft.
Selbst hat sie die Region schon ein wenig erkundet, besonders gut gefalle ihr die Nähe zum Rhein und der Schweiz. Auch der Dialekt sei kein Problem: „Die Menschen sind sehr nett und probieren immer so zu sprechen, dass ich alles verstehe oder wiederholen es.“
Ein eigener Chilbi-Bock
Wer wie Bessac im August nach Waldshut-Tiengen kommt, darf ein ganz bestimmtes Volksfest nicht verpassen. Die französische Praktikantin fand die Chilbi ‚sehr schön. Es war interessant, eine Tradition kennenzulernen und die traditionelle Kleidung zu sehen“. Sogar einen kleinen Chilbi-Bock kann die Französin mit in die Heimat bringen.
Beim Dosenwerfen hätte sie erst nicht genügend Punkte für das Plüschtier geholt, aber Anette Klinner, ein anderes Mitglied des Partnerschaftskomitees, wollte das nicht hinnehmen. Sie ging in Verhandlung und erklärte, dass Ludivine Bessac unbedingt einen Chilbi-Bock brauche. „Und jetzt habe ich einen kleinen weißen Bock“, sagt Bessac und strahlt.
Die kleine Szene am Rummel zeige, wie die Partnerschaft funktioniere, sagt Markus Schmitt: „Einerseits ist da das Interesse von Ludivine am Chilbi-Bock und andererseits das Bemühen von unserem Verein. Dass man alles Mögliche tut, um ihr eine Erfahrung zu ermöglichen, die Gegend zu zeigen. Das macht besonders Freude, wenn man jemanden hat wie Ludivine, die das zu schätzen weiß und auch so aufgeschlossen ist.“
Gerade für junge Menschen seien solche Erfahrungen wichtig, so könnten sie in der Heimat von der Gastfreundschaft und ihren Erlebnissen berichten. „Die Städtepartnerschaft kann so auch über den Schüleraustausch hinaus lebendig gehalten werden.“
Große Unterstützung von der Stadt
Der zwischenmenschliche Austausch funktioniere auch deshalb so gut, weil „die Stadt das wirklich mit Herzblut unterstützt“ und beispielsweise für den Empfang der englischen und französischen Chilbi-Gäste Räume zur Verfügung stelle, erklärt Schmitt. Das sei ein motivierendes Zeichen, die Freundschaft zwischen Blois und Waldshut-Tiengen weiter zu pflegen.