„Souvenirs“, Lucien Richard zögert kurz, ihm fällt das deutsche Wort nicht ein. „Erinnerungen“, hilft Bettina Wieser. „Ja, Erinnerungen!“. Von denen nimmt der junge Franzose ganz viele mit zurück in die Heimat: Vor ein paar Wochen noch tanzte er in der prallen Sonne beim Rockfest, half im Klettgaubad hinter der Kasse aus und besuchte den Rheinfall. Für Lucien ist es der erste deutsche Sommer, aber für die Gemeinde am Hochrhein nicht der erste mit französischem Besuch.

Italienischer Flair und Nachkriegszeit

Bereits seit 1976 besteht die Gemeindepartnerschaft zwischen Klettgau und dem französischen Clisson. Der damalige Bürgermeister Johannes Meier und die spätere Vorsitzende des Partnerschaftskomitees Renate Krämer waren auf der Suche nach einem geeigneten Partner auf die kleine Gemeinde südlich der Bretagne gestoßen. Auch andere Städte hätten sie besichtigt, dem Bürgermeister aber habe Clisson am Besten gefallen – unter anderem wegen des italienischen Flairs. Auch heute noch ist das französische Städtchen in der Nähe von Nantes als „Toskana der Bretagne“ bekannt und mit seinen knapp 7500 Einwohnern fast gleich groß wie Klettgau.

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Bei der Besiegelung der Partnerschaft in den 70er-Jahren stand vor allem das „Aufeinanderzugehen nach dem Krieg“ im Mittelpunkt, erklärt Bettina Wieser, die Vorsitzende des Partnerschaftskomitees Clisson-Klettgau. „Da war wirklich viel Hass, Leid und Feindschaft auf beiden Seiten.“ Die Gemeindepartnerschaft habe viele Wunden verheilen lassen, mit der Zeit sei man zusammengewachsen und langjährige Freundschaften seien entstanden.

Doch die Herausforderungen der Nachkriegszeit kennen junge Menschen heute nur noch aus Geschichtsbüchern und harte Grenzen, wie sie es vor der EU gab, existieren höchstens noch als bunte Linien auf Landkarten. „Früher war das etwas Besonderes. Jetzt reisen die Leute sehr viel mehr, gerade nach Frankreich“, bemerkt die Vorsitzende des Partnerschaftskomitees.

Wenn man mit dem Deutschlandticket bis nach Paris fahren kann, brauchen wir Gemeindepartnerschaften dann überhaupt noch? „Unbedingt“, meint Wieser. Durch die Unterbringung in Gastfamilien lerne man die französische Kultur viel besser kennen: „Wie geht das mit der Schule in Frankreich? Wie leben die Franzosen? Was ist ihnen wichtig? All das kann man in einer Gastfamilie lernen.“ Dass ein Kurztrip ins All-inclusive-Hotel nach Paris nicht das Gleiche ist, wie der Austausch mit einheimischen Familien, zeigt auch Luciens Erfahrung.

Luciens Sommer in Klettgau

Der 18-Jährige studiert Englisch und Deutsch und wollte zwischen den Semestern noch intensiver in die deutsche Kultur eintauchen. Vier Wochen verbrachte er insgesamt bei Familie Genswein und Familie Tröndle in Rechberg und Familie Marder in Grießen, erkundete die Umgebung und half im Klettgaubad aus. Während der Hitzewelle kümmerte sich Lucien um die Kasse und durfte bei 1200 Gästen pro Tag direkt sein Deutsch auf die Probe stellen.

Der Schwimmmeister Peter Haase half ihm geduldig und erklärte Wörter, wenn nötig auch mehrmals – auch dass er Hochdeutsch spricht, half. „Der Dialekt hier ist schon ein bisschen schwieriger zu verstehen“, gibt Lucien lächelnd zu. Besonders machte ihm die Arbeit an der Kasse und das Rockfest an seinem ersten Wochenende Spaß. Wo anfangs noch die Sorge stand, dass ein ganzer Monat zu lang sein könnte, ist jetzt ein großes Grinsen: „Ich bin sehr froh, dass ich das gemacht habe. Die Dauer war perfekt.“

Zuhause möchte Lucien seinen Freunden von dem Austausch erzählen, ein bisschen die Werbetrommel rühren. „Der Nachwuchs fällt ein bisschen mau aus“, erklärt Wieser. Auch der junge Franzose meint, er sei eher die Ausnahme als die Regel: „Ich mag Sprachen und Kulturen. Aber ich glaube, dass ich damit ein bisschen allein bin. Meine Freunde mögen Sport, vielleicht Biologie, aber der Austausch mit anderen Ländern interessiert sie nicht so sehr.“

„Auf Freunde schießt man nicht“

Doch auch für Luciens Freunde könnte bald etwas dabei sein: Während der Austausch früher vor allem unter den Vereinen stattfand, liegt der Fokus jetzt auf kleineren Gruppen, die gemeinsame Interessen teilen. So besuchten im vergangenen Jahr die Imker und Winzer aus der Region ihre französischen Freunde. „Wir haben festgestellt, dass die Winzer dort die gleichen Probleme mit dem Klimawandel haben, wie wir hier.“

Auch Herausforderungen für den Frieden machen selten an Grenzen Halt. Deshalb sei es umso wichtiger, einander kennenzulernen, „so entdeckt man Gemeinsamkeiten und das verbindet“, meint Bettina Wieser. „Denn auf Freunde schießt man nicht.“ Auch nach Straßburg zum Europaparlament wollen die Partnergemeinden irgendwann einen Ausflug machen.

Großes Jubiläum steht an

Vor nun schon knapp 50 Jahren wurde die Freundschaft besiegelt, die über viele Jahre und noch mehr Kilometer andauern sollte. Zweimal wollen die beiden Gemeinden das große Jubiläum feiern: 2026 vom 14. bis zum 17. Mai in Klettgau und 2027 über Christi Himmelfahrt in Clisson.

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Sicher wird es hier auch für Lucien ein freudiges Wiedersehen mit den Klettgauern geben.