Manchmal sind es winzig kleine Dinge, die das Leben von einem Tag auf den anderen komplett verändern. Dinge wie eine Zecke, nur wenige Millimeter groß. Finja Bergmann und Anja Mahler haben erlebt, wie aus einem solchen Grund für sie plötzlich nichts mehr war wie zuvor.

Die elfjährige Finja aus Brigachtal ist ein fröhliches Mädchen. Sie lacht und erzählt gerne, ist begeisterte Taucherin und seit drei Jahren mit großer Freude Glonki-Prinzessin. Dass dies so selbstverständlich geht, war am Fasnetdienstag, im März 2025, plötzlich gar nicht mehr so klar.

Die elfjährige Finja Bergmann hat am eigenen Leib erlebt, wie schlimm ein Zeckenbiss enden kann: Am Fasnetdienstag ist plötzlich ihre ...
Die elfjährige Finja Bergmann hat am eigenen Leib erlebt, wie schlimm ein Zeckenbiss enden kann: Am Fasnetdienstag ist plötzlich ihre halbe Gesichtshälfte gelähmt. Heute geht es der Schülerin glücklicherweise wieder gut. | Bild: Burger, Tatjana

Alles begann mit roten Augen

Tagelang hatte Finja schon rote Augen gehabt, war zudem ein wenig erkältet. Und dann auf einmal dies: „Ich habe etwas getrunken und das Wasser lief mir gerade so aus dem Mund“, erinnert sich Finja. Ihr Mund, er geht auf einmal einfach nicht mehr zu. Lächeln kann sie auch nicht mehr richtig – auf den Fotos von jenem Tag schaut die Glonkiprinzessin reichlich ernst in die Kamera. „Es ging mir eigentlich gut, ich konnte bloß nicht trinken und lächeln“, sagt das Mädchen.

Einen Tag darauf kommt sie ins Krankenhaus. Vier Tage danach ist ihr Gesicht komplett regungslos. Sie kann die Augen nicht mehr schließen, muss bei jeder Kaubewegung den Mund nach oben drücken. Reden geht jetzt nur noch undeutlich. „Wie beim Zahnarzt nach der Betäubung“, beschreibt sie es.

Anja Mahler aus Villingen denkt zunächst, sie hat eine schwere Grippe. Die Erkrankung endet auf der Intensivstation und stellt sich am ...
Anja Mahler aus Villingen denkt zunächst, sie hat eine schwere Grippe. Die Erkrankung endet auf der Intensivstation und stellt sich am Ende als Borreliose heraus, ausgelöst vermutlich durch einen nicht bemerkten Zeckenbiss. | Bild: Burger, Tatjana

Szenenwechsel: November 2018. Anja Mahler aus VS-Villingen liegt mit schweren Rückenschmerzen und heftigem Husten im Bett. Ihre Haut am ganzen Körper schmerzt. „Es ging gar nichts mehr“, so die heute 48-Jährige, wenn sie an diese Tage zurückdenkt.

An einem Montagmorgen ist es so schlimm, dass ihr Mann den Rettungsdienst ruft, in der Notaufnahme wird eine Lungenentzündung festgestellt.

Fünf Tage später auf der Intensivstation

Nach zwei Schmerzmittel-Infusionen wird die Villingerin entlassen, legt sich daheim auf die Couch, das Telefon klingelt. Das Läuten ist zugleich die letzte Erinnerung, die Anja Mahler hat. „Ich bin fünf Tage später aufgewacht, als zwei Krankenschwestern gerade dabei waren, mich zu duschen“, erzählt sie. Sie liegt auf der Intensivstation. Die Zeit dazwischen – einfach weg.

Finja Bergmann und Anja Mahler hatten zwei völlig unterschiedliche Krankheitsverläufe. Und doch ist die Ursache dafür genau die gleiche. Sie wurden beide von einer Zecke gebissen. In ihrer beider Körper wurden Borreliose-Erreger gefunden.

Eine Zecke, auch Gemeiner Holzbock genannt, krabbelt über eine Hand (Symbolbild).
Eine Zecke, auch Gemeiner Holzbock genannt, krabbelt über eine Hand (Symbolbild). | Bild: Patrick Pleul/dpa

Die beiden Krankheitsfälle unterstreichen den Ernst einer Information, die das Gesundheitsamt Schwarzwald-Baar jüngst herausgegeben hat. Denn wegen der milden Temperaturen im Winter sind im Schwarzwald-Baar-Kreis derzeit außergewöhnlich viele Zecken unterwegs.

Das Gesundheitsamt hatte kürzlich von ungewöhnlich vielen Infektionen mit der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) berichtet. FSME, gegen die es eine wirksame Impfung gibt, wird ebenso wie Lyme-Borreliose von den Spinnentieren übertragen.

Finja Bergmanns Infektion jedoch ist schon lange her. Vor fast zwei Jahren, so erzählt sie, wurde sie bei einem Urlaub im Zillertal gebissen. Sie hatte den Vorfall schon längst wieder vergessen, der Biss war ohne Komplikationen abgeheilt.

Anja Mahler dagegen kann sich erst gar nicht an einen Biss erinnern. „Wir haben Hunde, wahrscheinlich gab es da den Kontakt“, vermutet sie. Umso wichtiger sei es, mahnt Mahler, sich nach dem Aufenthalt im Freien komplett nach den Blutsaugern abzusuchen – inklusive Haare.

Denn was sie, die elfjährige Finja und beide Familien mitgemacht haben, wünsche sie keinem. Da ist anfangs die Ungewissheit, ob man überhaupt wieder richtig gesund wird. „Meinem Mann habe sie gesagt, dass sie nicht wissen, ob und wie ich aufwache“, so Anja Mahler.

Monatelang hat sie nach ihrer Erkrankung Einschränkungen, der Körper macht nicht immer, was der Kopf will. Ein Beispiel: „Für drei Weihnachtskarten habe ich eine Woche gebraucht“, schildert sie. Um eine Reha muss sie monatelang kämpfen.

„Dauernd stechen und Blut abnehmen“, so beschreibt Finja Bergmann die Zeit nach dem Fasnetdienstag. Wochenlang kann die Fünftklässlerin nicht in die Schule gehen, bekommt Cortison, erst in Richtung Pfingsten hat sich die Lähmung komplett zurückgebildet. „Ihr erstes Lächeln sah wirklich komisch aus“, erinnert sich Anna Oberle, Finjas Mutter.

Jetzt kann die Taucher-Prüfung kommen

Heute geht es Elfjährigen wieder gut. Bald will sie die Prüfung für ihren Tauchschein nachholen. „Das wäre das Schlimmste gewesen: wenn ich nicht mehr hätte schwimmen können“, erklärt das Mädchen. „Ich bin einfach nur froh, dass es jetzt so ist, wie es ist“, sagt auch Anja Mahler.

Dennoch: Wie zuvor ist doch längst nicht alles. Denn Borrelien bleiben ein Leben lang im Körper, könnten auch wieder ausbrechen. „Bei jeder Erkältung, jedem Zwicken bin ich angespannt“, schildert es Mahler.

Ähnlich geht es auch Anna Oberle und ihrem Mann Daniel. „Jedes Mal, wenn das Kind müde war oder einen Durchhänger hat, hatten wir Angst, dass es zurückkommt“. Wie neulich, als Finja wieder rote Augen bekam. Die verschwanden jedoch glücklicherweise einfach wieder. „Gott sei Dank ist alles überstanden, aber noch nicht vergessen“, so Anna Oberle.