Herr Da Rin, Sie sind seit 2011 Leiter der Stabstelle Kriminalprävention (SKP) in Singen. Wie tragen Sie dazu bei, Singen sicherer zu machen?
Unser Ziel ist es, das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger und Bürgerinnen zu erhöhen. Die SKP will die Zukunft der Menschen in einem lebenswerten Umfeld sichern. Denn eine wirksame Kriminalprävention muss in erster Linie vor Ort ansetzen, dort wo Probleme und Brennpunkte auftreten.
Die Kernaufgabe der SKP ist eine Vernetzung aller Akteure. Es gilt, für Probleme zeitnah und unkompliziert alle nötigen Akteure an einen Tisch zu bekommen, um Lösungsvorschläge zu erarbeiten und diese zeitnah umzusetzen. Wir haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte initiiert, mit denen wir Probleme angegangen sind.
Schätzen Sie das Sicherheitsgefühl in der Stadt besser oder schlechter ein als vor ein paar Jahren?
Das Sicherheitsgefühl der Menschen hat sich leider verschlechtert. Das ist ein bundesweiter Trend und nicht spezifisch für Singen. Es gibt deutlich mehr Menschen, die sich vor Kriminalität fürchten, als es Opfer von Straftaten gibt.
Wie kommt es dazu?
Eine von zahlreichen Erklärungen ist sicherlich, dass sich Nachrichten – ob wahr oder unwahr – schneller verbreiten als noch vor einigen Jahren. Der Panikmache und Propaganda sind Tür und Tor geöffnet. Reißerische Überschriften in den Medien helfen uns da nicht weiter. Es gibt ein sehr zutreffendes Zitat: ‚Die Lüge ist dreimal um die Welt, bevor die Wahrheit die Schuhe angezogen hat!‘
Besonders schwere Fälle werden uns aus aller Welt ins Wohnzimmer geliefert. Das beeinflusst unsere Angst vor Kriminalität. Fakt ist, dass wir in Deutschland noch nie so sicher gelebt haben wie heute, was die Kriminalität betrifft. Fachleute appellieren deshalb für mehr Optimismus und Informationshygiene, also die Information, die Bewertung und deren Weitergabe genau zu überprüfen. Das tun wir auch.
Auch in den vergangenen Jahren kam es in Singen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Was sind aktuell die größten Herausforderungen?
Es gilt, wieder Vertrauen in die Sicherheit zu gewinnen. Dabei ist eine transparente und offene Kommunikation zwischen Behörden, Institutionen und der Bevölkerung entscheidend. Die aktive Einbindung der Bürger, die Förderung von Solidarität und die Schaffung eines starken Netzwerks sind ebenfalls wichtige Faktoren. Ein Gemeinwesen, in dem sich Menschen sicher und unterstützt fühlen, trägt maßgeblich zur Reduzierung von Kriminalität und Kriminalitätsfurcht bei.
Es wird immer wieder zu Kriminalitätsspitzen kommen. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Viele Menschen empfinden Unsicherheit. Sie haben Angst davor, Opfer einer Straftat zu werden. Wenn wir uns aber die Deliktsbereiche genau anschauen, ist die Chance relativ klein, Opfer einer Straftat zu werden. Im vergangenen Jahr gab es zum Beispiel nur einen Handtaschenraub. Natürlich ist auch das einer zu viel, aber bei fast 50.000 Einwohnern ist das relativ wenig! Körperverletzungen sind meist Beziehungstaten – das heißt, die Protagonisten kannten sich und die Konflikte spielten sich meist nachts ab.
Welche Maßnahmen der SKP haben sich bewährt?
Bewährt haben sich alle Maßnahmen mit direktem Kontakt zu den Menschen. Das sind Vorträge und Workshops für Schulen, Seniorengruppen und so weiter, aber auch Infostände in der Fußgängerzone oder am Martinimarkt. Hier können wir direkt mit den Bürgern in Kontakt treten, uns deren Ängste und Sorgen anhören und diese ernst nehmen.
Auch das Beschwerdemanagement buergermeldungen.com ist ein wichtiger Baustein unserer Arbeit. Diese App ermöglicht es Bürgern, Mängel und Anliegen schnell und einfach online zu melden. Darum kümmert sich meine Kollegin Manuela Stengele. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren außerdem über 20 Konfliktmanager qualifiziert, die deeskalierend tätig werden.
Das Alltagsgeschäft ist geprägt von Anti-Gewalt-Trainings mit jungen Erwachsenen, der Netzwerkpflege, der Zivilcourageförderung, der Extremismusprävention, der Betreuung der Busbegleiter und Projekten zum Jugendschutz. Wir bieten Vorträge, Beratungen und Deeskalationstrainings an.
Gibt es ein Schlüsselereignis in Ihrem Leben, wegen dem sie genau diesen Weg eingeschlagen haben?
Ich bin nun schon seit fast 35 Jahren in der Sozialarbeit tätig. Schon in jungen Jahren hat mich die Konfliktarbeit und das friedliche Zusammenleben von Menschen interessiert. Die Stelle bei der Stadt Singen war für mich die optimale Position.
Was war bisher der aufregendste Moment in Ihrem Berufsleben?
Da gibt es sehr viele. Eindruck hinterlassen bei mir Biografien, die Lebenswege, die Schicksale der Menschen. Ohne Taten oder Fehlverhalten entschuldigen zu wollen – wir tun gut daran, die Ursachen von menschlichem Verhalten genauer anzusehen und nicht zu schnell vorzuverurteilen. So wie Menschen Fehlverhalten durch Erfahrungen im Laufe ihres Lebens erlernen, können sie wiederum positive Eigenschaften neu erwerben. Jeder Mensch ist verantwortlich für sein Fehlverhalten. Nach Absitzen der Konsequenzen sollte aber auch jeder Mensch, wenn keine Gefahr von ihm ausgeht, eine neue Chance erhalten und sich bewähren können. Dabei ist allerdings auch die Opferarbeit nicht zu vernachlässigen – da ist die Arbeit des Weißen Rings hervorzuheben.
Was planen Sie für die nächsten Wochen, Monate und Jahre?
Die Fortführung zahlreicher wichtiger Projekte. Und die Analyse neuer Problemlagen und deren Intervention.