Am Ende war der Druck offenbar zu groß. André Rehms drohende Haftstrafe hat eine Kettenreaktion ausgelöst: Der AfD-Ortsverband wird nach dem geschlossenen Rücktritt des Vorstandes, zu dem auch Rehm angehörte, vorerst von einem Notvorstand geführt und Rehm selbst ist inzwischen aus der Partei ausgetreten. Hinzu kommt: Er selbst ist immer noch nicht im Singener Gemeinderat nachgerückt.
Es ist bald zwei Monate her, dass André Rehm, der für Thomas Frischmuth (AfD) in den Singener Gemeinderat nachrücken soll, vom Landgericht Konstanz wegen gefährlicher Körperverletzung, versuchter Nötigung und Bedrohung zu einer Haftstrafe von elf Monaten ohne Bewährung verurteilt wurde. Auch wenn die Vereidigung von Rehm zum Stadtrat aufgeschoben wurde – in den vergangenen Wochen hat sich dennoch einiges getan.
Rehm ist nicht mehr AfD-Mitglied
Wie Steffen Jahnke, Sprecher der AfD im Kreis Konstanz, auf SÜDKURIER-Nachfrage mitteilt, sei Rehm zum 3. Juli aus der AfD ausgetreten. Rehm habe in seiner Erklärung private Gründe für den Rücktritt angegeben. Eine Anfrage der Redaktion an André Rehm blieb unbeantwortet. Sein Rücktritt könnte jedoch mit dem Strafverfahren zusammenhängen, wie auch eine Antwort Jahnkes vermuten lässt.
„Der Kreisvorstand Konstanz hatte ihn dazu aufgefordert, um weiteren Schaden für die Partei abzuwenden, bis ein rechtskräftiges Urteil greifbar wird“, schreibt Jahnke. Er betont dabei, dass man ein AfD-Mitglied nicht einfach rauswerfen könne. „Dafür gibt es Erfordernisse aus dem Parteienrecht sowie satzungsrelevante Auflagen und Kriterien“, erklärt er.
Notvorstand für den Ortsverband eingesetzt
Und auch beim Ortsverein der AfD für Singen, Steißlingen und Volkertshausen gibt es Veränderungen. Nachdem Ende Juni bekannt wurde, dass der Ortsvorstand geschlossen zurücktreten wolle, gibt Jahnke nun auf Nachfrage bekannt, dass der Vorstand des Ortsverbandes tatsächlich zum 30. Juni offiziell geschlossen zurückgetreten ist.
Der Fall André Rehm habe für Uneinigkeit innerhalb des Ortsverbandes gesorgt. „Insbesondere aus beruflichen und gesundheitlichen Gründen sowie wegen Umzugs war der Vorstand nicht mehr vollumfänglich arbeitsfähig. Hinzu kam eine zeitlich gestaffelt unterschiedliche Sichtweise und parteiliche Einstufung zur Causa André Rehm“, so der AfD-Sprecher. „Insoweit hat man jetzt den Weg frei gemacht, für einen neuen Vorstand mit neuen Personal.“
Jahnke betont, dass es mit der politischen Arbeit im Ortsverband dennoch weitergehe, dafür sei ein Notvorstand eingerichtet worden. So habe es kürzlich einen Informationsstand in der Singener Innenstadt gegeben. „Der seitens des AfD-Kreisvorstands eingesetzte Notvorstand des AfD-Ortsverbandes wird die organisatorische Arbeit so weit fortführen, bis aus den Reihen der lokalen Mitglieder ein neuer Ortsverbandsvorstand gewählt wird“, erklärt er.
Der Notvorstand setzt sich zusammen aus den AfD-Kreisvorstandsmitgliedern Frank Wunderlich, Steffen Jahnke und Manuel Wentzel. Wann es zu Neuwahlen kommt, sei noch ungewiss. Darüber könne man sprechen, wenn „entsprechende Kandidaten über ihr ehrenamtliches Arbeitspensum ausreichend informiert und aufgeklärt sind, sowie für die anstehenden Aufgaben auch vollumfänglich bereitstehen“, sagt Jahnke.
Wird Rehm nun Gemeinderat in Singen?
Ursprünglich war die Verpflichtung von André Rehm in der Gemeinderatssitzung am 3. Juni geplant. Diese wurde jedoch verschoben, „bis das Landgericht Konstanz das letztlich rechtskräftige Strafmaß im aktuellen Berufungsverfahren gegen ihn festgelegt hat“, teilte die Stadt damals mit. Im Juni hatte Rehm dann Revision gegen das Urteil des Konstanzer Landgerichts eingelegt. Was bedeutet das und sein Austritt aus der AfD für seine Verpflichtung zum Gemeinderat?
Die Situation bleibe vorerst unverändert. „André Rehm hatte uns geschrieben, dass er auf die Vereidigung verzichtet, bis das rechtskräftige Urteil feststeht. Er hat sich bisher nicht bei uns gemeldet. Wir warten jetzt ab und schauen, was passiert“, sagte Oberbürgermeister Bernd Häusler auf Nachfrage. Auch wenn Rehm nicht mehr AfD-Mitglied ist, kann er dennoch Stadtrat werden, dann jedoch parteilos.
Rehms Fall landet nun vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Karlsruhe. Wie Landgerichtssprecherin Mirja Poenig auf Nachfrage erklärt, befinde sich die Akte derzeit zur Akteneinsicht beim Pflichtverteidiger. „Eine Revisionsbegründung ist noch nicht eingegangen. Eine Übersendung an das OLG ist mithin noch nicht erfolgt“, so Poenig.
Denn wie eine Nachfrage beim Oberlandesgericht ergeben hat, würde erst danach über die zuständige Staatsanwaltschaft sowie die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe die Akte an das Oberlandesgericht Karlsruhe weitergeleitet. „Erst ab diesem Zeitpunkt beginnt die Bearbeitung durch das Oberlandesgericht“, so OLG-Sprecher David Stuhlmann. Das OLG ist nach dem Singener Amtsgericht und dem Landgericht in Konstanz die dritte Instanz, die sich mit dem Fall befassen muss.