Für die zweiten Klassen der Waldeck-Schule steht nach den Ferien eine große Veränderung an: Sie bekommen ein neues Schulfach. Ab der dritten Klasse findet an der Schule nämlich der Schwimmunterricht statt. Es ist ein Thema, das bewegt. Nachdem im September 2023 ein kleiner Junge aus Konstanz während der ersten Schwimmstunde ertrunken ist, wurde viel über dieses Thema diskutiert. Es geht um die Frage nach angemessenen Richtlinien des Ministeriums, aber auch um die Verantwortung von Lehrern und Eltern. Konrektorin Desirée Toth berichtet, wie der Schwimmunterricht an der Waldeck-Schule in Singen abläuft und wie sie die Stimmung unter Lehrern, Eltern und Kindern wahrnimmt.

Schwimmen, ein Fach mit besonderer Verantwortung

Die Lehrerin betont, dass Schwimmen schon immer ein Fach gewesen sei, das mit besonderer Verantwortung einhergehe. Der Fall in Konstanz habe das nochmal präsenter gemacht. „Dass das durch so einen schrecklichen Unfall passieren musste, war der schlimmste Fall, der eintreten konnte“, stellt die Lehrerin klar.

Ein Zweitklässler, der während des Schwimmunterrichts unter Wasser geriet, starb wenige Tage später im Krankenhaus. Anfang des Jahres 2025 wurden die beiden betroffenen Lehrerinnen deshalb vom Konstanzer Landgericht wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Kinder machen spät erste Erfahrungen im Wasser

Desirée Toth würde sich wünschen, dass die Kinder vor dem Unterricht zumindest schon erste Erfahrungen im Wasser gemacht haben: „Dass sie schon mal im Wasser waren und wissen, dass der Körper sich dort anders verhält“. Denn immer mehr Kinder hätten Schwierigkeiten mit grundlegender Wassergewöhnung. Dabei gehe es um spielerische Annäherungen, zum Beispiel mit Wasser zu spritzen oder das Blubbern unter Wasser. Es würde nicht erwartet, dass die Kinder schon schwimmen können.

Das Hallenbad Singen wird während der kalten Monate auch für Schwimmunterricht genutzt.
Das Hallenbad Singen wird während der kalten Monate auch für Schwimmunterricht genutzt. | Bild: Stadt Singen

Ohne erste Wassergewöhnung seitens der Eltern könne es natürlich zu Unsicherheiten der Kinder kommen. Desirée Toth ist deswegen vor allem froh, dass an der Waldeck-Schule auf mögliche Ängste gut eingegangen werden könne. Das verdanke die Schule einem gut aufgestellten Team: „Wir sind sehr gut besetzt“, beschreibt sie. Das sei nicht selbstverständlich.

Gemäß einer Erhebung des Kultusministeriums Baden-Württemberg aus dem Jahr 2023/24 haben rund 20 Prozent aller Grundschulen angegeben, keinen Schwimmunterricht anzubieten. Das sind insgesamt 492 Schulen. Ein Grund dafür ist offenbar auch das Fehlen qualifizierter Lehrkräfte: Rund 15 Prozent (73 Schulen) besagter Schulen geben an, deshalb keinen Schwimmunterricht anbieten zu können. Der primäre Grund, dass nicht jede Grundschule Schwimmen anbietet, ist jedoch der fehlende Zugang zu Wasser mit rund 60 (292 Schulen) Prozent. Rund 26 Prozent (127 Schulen) geben beide Gründe an.

Die Motivation überwiegt

Trotz möglicher Herausforderungen berichtet Toth von großer Motivation unter den Lehrern an der Waldeck-Schule. „Natürlich hat man Bedenken und Sorgen, jetzt noch mehr“, merkt sie an. Sorge darum, einem Kind könnte unter der eigenen Aufsicht etwas zustoßen. Doch: „Die Arbeit ist so wichtig, dass eigene Sorgen hintenan gestellt werden“, erklärt die Lehrerin. Sie betont, wie wichtig es sei, eigene Unsicherheiten nicht an die Kinder weiterzugeben.

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Weder an ihrer Schule noch anderswo habe sie von Lehrern gehört, die in Folge des Unfalls das Unterrichten des Fachs verweigern würden. Im Gegenteil: Die Nachfrage unter Lehren nach zusätzlichen Qualifizierungen oder Auffrischungskursen habe stark zugenommen, sagt sie.

Die Stimmen der Eltern

Toth ist aber nicht nur dankbar für ein tolles Team, sondern insbesondere für das Vertrauen der Eltern. Die Tragödie in Konstanz sei Thema in Elternbeiratssitzungen gewesen. „Natürlich wurde darüber gesprochen“, gibt sie an. Jedoch hätten die Eltern an ihrer Schule keine Bedenken bezüglich der Sicherheit ihrer Kinder geäußert.

Die Schule sei stets bemüht, den Eltern ein gutes Gefühl zu vermitteln, indem sie ausgiebig über das Thema informiere. Schon am Ende der zweiten Klasse werde ein Informations-Brief für den Schwimmunterricht im nächsten Schuljahr ausgegeben. Neben diesem Brief und Sicherheitsbelehrungen folge die Schule einer neuen Empfehlung des Kultusministeriums.

Gefährdungsbeurteilung soll Risiken klären

Dieses legt den Schulen das Ausfüllen einer sogenannten Gefährdungsbeurteilung ans Herz. In einer solchen Beurteilung sollten die Lehrer alle potenziellen Gefahren auflisten, die sich im Zuge des Schwimmunterrichts auftun – und zwar vom Verlassen des Schulhauses bis zur Rückkehr. Das heißt, dass auch alle Straßenüberquerungen auf dem Weg zum Bus und sogar die Schritte von der Umkleide bis zum Becken durchgegangen und beurteilt werden müssen. Besteht irgendeine Gefahr und falls ja, wie kann diese beseitigt werden?

Die ausgefüllte Beurteilung wird am Ende bei der Schulleitung abgegeben und von dieser verwahrt, so die Lehrerin. Sie sagt, dass man so im Falle einen Unfalls zwar vorweisen kann, keine Gefahr außer acht gelassen zu haben, aber merkt auch an, dass man nie wirklich abgesichert sei.

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Die Stadt Singen habe nach dem tragischen Unfall 2023 schnell reagiert, so Toth. Seit der Tragödie würden Sicherheitsbegehungen in den Bädern stattfinden. Die Räume können also vorab begangen werden, um für den Notfall genau zu wissen, wie schnell reagiert werden kann. Die Waldeck-Schule nutzt für ihren Unterricht sowohl das Hallen- als auch das Aachbad. Natürlich mache man aus diesem Grund auch Sicherheitsbegehungen für beide Bäder.

Im Sommer lernen Kinder im Aachbad schwimmen.
Im Sommer lernen Kinder im Aachbad schwimmen. | Bild: Stadt Singen

„Wir waren uns alle einig, dass wir den Schwimmunterricht wichtig finden und es vor allem wichtig finden, dass er weiter stattfindet“, betont die Lehrerin abschließend. Die Kinder würden mit Freude an den Schwimmunterricht herangehen – das berichteten auch die Schüler der Walklasse dem SÜDKURIER kurz vor dem Sommerferien. Sie konnten ihre erste Stunde kaum erwarten. Und genau das möchte die Lehrerin erhalten.