Die Massenschlägerei zwischen zwei syrischen Großfamilien in der Innenstadt hat Spuren hinterlassen. Viele Singener fühlen sich in der Stadt nicht mehr so sicher. Die Singener Kriminalprävention will dem entgegen wirken und durch Aufklärung und Information für ein gutes Miteinander werben. Sie bietet Workshops, Vorträge, Filme, Diskussionen, Stände in der Stadt, Veranstaltungen in Schulen, Flyer und vieles mehr im Lauf eines Jahres, um Singen sicherer und sauberer zu machen.

Dabei beobachten der Leiter der SPK Marcel Da Rin und sein Team, dass das Sicherheitsempfinden zurückgehe, während die Kriminalität in Singen gleich bleibt oder sinkt. Die Ängste der Bürger würden also nicht mit der Realität übereinstimmen. „Der Großfamilienkonflikt hat viel kaputt gemacht“, erklärte Da Rin bei einem Rückblick auf 2022 im Gemeinderat und sprach damit die Massenschlägerei im März 2022 in der Innenstadt an, die Ausdruck eines Konflikts zweier syrischer Großfamilien war. Das war ein Schlusspunkt der Auseinandersetzung, nachdem es im Dezember 2020 bereits zu einer Messerstecherei gekommen war.

SKP knüpft Kontakte zu den Gruppen

Die Frage sei, wie man an diese Menschen rankomme. Die Kriminalprävention versuche, Kontakte in diese Gemeinschaft zu knüpfen. Das sei laut Da Rin nicht ganz einfach, weil die Familien 1000 oder mehr Mitglieder hätten und die Strukturen schwer zu durchschauen seien. Ein Ansatzpunkt, um solche Konflikten frühzeitig zu erkennen und zu begegnen, sei das kommunale Konfliktmanagement.

Kommunales Konfliktmanagement bedeutet, dass derzeit 13 Städte und ein Landkreis darin gestärkt werden sollen, Konflikte zusammen mit der Verwaltung und den Bürgern zu bearbeiten. Der Konflikt der Großfamilien sei ein Ausgangspunkt, aber es gehe um mehr, erläutert der SKP-Leiter. Das Projekt wird vom Sozialpädagogischen Institut Berlin (SPI) begleitet und getragen vom Integrationsverein Singen, es läuft bis Dezember 2023. Konkret werden bei dem Projekt zum Beispiel 23 kommunale Konfliktmanager ausgebildet und es wird eine syrische Fußballgruppe gegründet, begleitet und unterstützt.

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Was die SKP alles auf die Beine stellt, darüber gab SKP-Leiter Marcel Da Rin einen Überblick im Gemeinderat. In seinem Team sind auch die Mitarbeiterin der Teestube, die Leiter der Busbegleiter und die Busbegleiter selbst. Bis Juni war auch der Präventionsberater Thomas Heim dabei, der jetzt im Ruhestand ist.

Schnelle Reaktion auf Konflikte

Wichtig sei dem Team vor allem, bei Konflikten schnell zu reagieren und Gerüchten nachzugehen, in die Öffentlichkeit zu gehen und mit Vereinen und Gruppen Kontakte zu knüpfen. Aber auch die Prävention spielt eine wichtige Rolle. Mit ihren Angeboten erreichten sie laut Da Rin rund 60 Prozent der Schulen in Singen: „Das hängt auch von den Schulen ab, ob sie das Angebot annehmen.“ Um Alkoholmissbrauch vorzubeugen, werden zum Beispiel alle Gaststätten angeschrieben und es gibt einen Leitfaden zur Alkoholpolitik.

Marcel Da Rin leitet die Singener Kriminalprävention, die sich derzeit unter anderem mit Kommunalem Konfliktmanagement beschäftigt. ...
Marcel Da Rin leitet die Singener Kriminalprävention, die sich derzeit unter anderem mit Kommunalem Konfliktmanagement beschäftigt. (Archivbild) | Bild: Arndt, Isabelle

Es sind aber nicht nur solche Konflikte, auf die die SKP reagiert. Sie berät auch Bürger bei Ruhestörungen, Nachbarschaftsstreits, Gewalt, Drogen und Extremismus und ist mit vielen regionalen und überregionalen Partnern vernetzt. Singener können sich bei der Stadtverwaltung melden, um Fragen, Wünsche, Lob und Kritik loszuwerden.

Immer mehr Fälle, aber keine Querdenker

Immer mehr Menschen würden von dieser Möglichkeit Gebrauch machen: Die Zahl der Meldungen ist von 174 im Jahr 2017 auf 696 in 2022 gestiegen. An Platz eins der Beschwerden sei das Thema Müll, gefolgt von Meldungen zum Thema Sicherheit und Ordnung, wie Da Rin berichtete.

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Die Gemeinderäte honorierten diese Arbeit, lobten die Vielfalt an Angeboten und die Präventionsarbeit in den Schulen. Ihr Wunsch wäre, dass diese Angebote auch die Personen erreichen, die sie ansprechen wollen. Die Grünen-Stadträtin Regina Henke fragte zum Beispiel nach, ob die SKP denn zum Beispiel die Querdenker-Szene erreicht habe. „Wir haben‘s probiert, konnten aber keinen Querdenker einfangen“, sagte Da Rin.

Mehr Einzelfallberatungen seit Corona

Dabei versuche man nicht nur mit Vorträgen, sondern auch mit Unterhaltung zum Beispiel mit Comedians gegen Diskriminierung und für Demokratie zu sensibilisieren. Das Angebot sei breit und vielfältig, erklärte der Grünen-Stadtrat Eberhard Röhm. Auf seine Frage, ob sich seit Corona die Aufgaben verändert hätten, erklärte Da Rin, dass die Konflikte im Zwischenmenschlichen und die Einzelfallberatungen zugenommen hätten.

Gerade das Thema häusliche Gewalt, über das die SKP 2022 mit einer Fachtagung und einem Flyer aufklärte, habe während Corona an Brisanz gewonnen. CDU-Stadtrat Franz Hirschle fand bedenklich, dass die Ängste in der Bevölkerung zunehmen und die Schere zwischen Realität und Sicherheitsgefühl immer weiter auseinandergehe. Die Grünen-Stadträtin Isabelle Büren-Brauch schlug vor, die Präsenz in der Stadt zu erhöhen. Die Busbegleiter der SKP seien ein guter Weg, um den Menschen mehr Sicherheit zu geben.