Blättert man durch den städtischen Investitionsplan, staunt man nicht schlecht über die Summen, die für normale Anschaffungen aufgerufen werden. Eine neue Bank für das Weltkloster: 2500 Euro. Neue Mülleimer: 105.000 Euro. Tablets für die Baum- und Grünflächenkontrolle, zwei Stück: 9500 Euro. Und eine Geschirrspülmaschine für eine Kita für 20.000 Euro. Nicht zu vergessen, die neue Toilettenanlage an der Seebar für stolze 560.000 Euro.

Geht das nicht auch günstiger, fragen sich sicher Bürgerinnen und Bürger angesichts dieser Beträge. Oliver Roller ist stellvertretender Leiter des Rechnungsprüfungsamtes bei der Stadt Radolfzell und erklärt, warum die Verwaltung nicht einfach eine Geschirrspülmaschine online kaufen kann und welche rechtlichen Vorgaben bei all dem eingehalten werden müssen, die solche Investitionen manchmal auch teurer machen.

Warum muss die Stadt überhaupt Anschaffungen und Dienstleistungen ausschreiben?

Kommunen sind verpflichtet, öffentliche Aufträge und Konzessionen nach Paragraf 97 im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu vergeben. Die Stadt ist auch verpflichtet, die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu berücksichtigen. Das heißt, dass das beste Preis-Leistungs-Verhältnis den Zuschlag erhalten muss. In diesem Vergabeverfahren sind alle Teilnehmer gleichzubehandeln, gleichzeitig sollen mittelständische Interessen berücksichtigt werden.

Muss für jeden Bildschirm und jede Büro-Kaffeemaschine ein Vergabeverfahren eröffnet werden?

Nein, sagt Oliver Roller. Es gibt mehrere Stufen der Vergabemöglichkeiten. Die erste Stufe ist der Direktauftrag. Da kann die Verwaltung direkt auf ein Unternehmen zugehen und eine Sach- oder Dienstleistung bestellen. Früher galt dafür eine Wertgrenze von 3000 bis 5000 Euro, so Roller. Heute dürfe die Stadt bis 100.000 Euro im Direktvergabeverfahren ausgeben. „Wir halten uns in Radolfzell allerdings noch immer an die alten Grenzbeträge“, so Roller. Braucht also ein städtischer Mitarbeiter einen neuen Computerbildschirm, so dürfe er diesen nach Rücksprache mit seinem Vorgesetzten direkt bestellen.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie sieht das bei größeren Summen aus?

Alle Investitionen über 100.000 Euro müssen ein Vergabeverfahren durchlaufen. Hier wird unterschieden, ob es eine beschränkte oder offene Ausschreibung ist, ob es einen Teilnahmewettbewerb gibt oder ob die Summen so groß sind, dass man sogar verpflichtet wäre, es EU-weit auszuschreiben. Bauleistungen, die teurer als 5,3 Millionen Euro sind, müssen nämlich im EU-Raum öffentlich ausgeschrieben werden, erklärt Oliver Roller. Bei Leistungen bis einer Million Euro dürfe man bundesweit und beschränkt ausschreiben, übersteigt der Betrag eine Million Euro, müsse man offen ausschreiben.

Beschränkt, öffentlich, was bedeutet das eigentlich?

Bei einer beschränkten Ausschreibung sucht die Kommune mehrere Unternehmen aus und fordert diese zu einem Angebot auf. Dann wird das günstigste ausgesucht. Hier wird genau aufgepasst, dass die Angebote alle zur selben Zeit geöffnet und gesichtet werden, um eine vorherige Absprache der Firmen zu verhindern. Bei einer öffentlichen Ausschreibung können sich beliebig viele Unternehmen auf die gesuchte Leistung bewerben. Ist die Ausschreibung EU-weit, können Unternehmen aus dem ganzen EU-Raum ein Angebot abgeben.

Das könnte Sie auch interessieren

Dauert Bauen deswegen so lange?

Das Vergabeverfahren kann Projekte durchaus in die Länge ziehen, erklärt Oliver Roller. Denn allein für den Start eines Bauprojektes zum Beispiel müsse man erst einen Planer suchen, diese Leistung müsse ausgeschrieben werden. „Ich kann nicht einfach einen Architekten mit solch einer Planung beauftragen“, erklärt Roller. Dann gebe es verschiedene Stellen, die involviert werden müssten. Der Gemeinderat müsse allen Schritten ebenfalls zustimmen. „So kann es manchmal schon sein, dass es sich gerade am Anfang in die Länge zieht“, so Roller.

Warum eine Sitzbank 2500 Euro kostet und zwei Tablet 9500 Euro.

Bei der Einstellung von Gelder für Anschaffungen im städtischen Haushalt wird nicht nur der Wert des Gegenstandes selbst berechnet, sondern alle Kosten, die dies beinhaltet. Beim Beispiel Sitzbank am Weltkloster müssten die Kosten der Technischen Betriebe für das Aufstellen und die Verankerung im Boden einberechnet werden. Auch gab es die Idee, nicht nur eine Sitzbank, sondern eine Holzliege anzuschaffen, die teurer wäre.

Eine neue Geschirrspülmaschine (hier ein Beispielfoto) für eine Kindertageseinrichtung hat 20.000 Euro gekostet.
Eine neue Geschirrspülmaschine (hier ein Beispielfoto) für eine Kindertageseinrichtung hat 20.000 Euro gekostet. | Bild: Christin Klose

Bei den beiden Tablets für die Baum- und Grünflächenkontrolle handelt es sich laut Roller nicht um normale Tablet-Geräte, wie es sie in fast jedem Haushalt mittlerweile gibt. Sondern um spezielle Geräte für die Arbeit im Freien mit einer Software, die über ein präzises Navigationssatellitensystem verfügt. Das soll die Arbeit der Abteilung digitaler und einfacher machen.

Das könnte Sie auch interessieren

Und Mülleimer für über 100.000 Euro und die 20.000 Euro-Geschirrspülmaschine?

Bei den Mülleimern handelt es sich um Unterflurmülleimer aus Edelstahl, die langlebiger sind und leichter zu reinigen. Sie sollen mit einem Solar-Presshai-System ausgestattet sein, das den Müll zusammenpressen soll. Damit müsste man die Eimer seltener leeren, was wieder Kosten und Kapazitäten der Stadtreinigung spare. „Wir geben zwar mehr für die Mülleimer aus, sparen aber durch die neuen Modelle wieder“, fasst Roller zusammen. Und die Geschirrspülmaschine sei so teuer, weil diese Teil einer professionellen Spülstraße sei.

Beim Toilettenhäuschen seien die Kosten wegen der Größe und Art der Ausstattung so teuer geworden. „Beim Hausbau ist das Bad auch eines der teuersten Räume“, rechnet Oliver Roller vor. Außerdem habe man auf nachhaltige Materialien gesetzt. Und der Abriss des alten Häuschens sei teuer gewesen.

So sieht der Mülleimer mit Presse, der vor dem Stadtmuseum steht, geöffnet aus. Auf dem Deckel befinden sich Solarzellen, sodass das ...
So sieht der Mülleimer mit Presse, der vor dem Stadtmuseum steht, geöffnet aus. Auf dem Deckel befinden sich Solarzellen, sodass das Gerät durch Sonnenenergie betrieben werden kann. | Bild: Marinovic, Laura

Das günstige Angebot ist aber nicht immer das beste

Nach einer erfolgreichen Ausschreibung sei die Verwaltung verpflichtet, dem günstigsten Anbieter auch den Zuschlag zu geben. Im Vorfeld müsse geprüft werden, ob der Dienstleister auch ein realistisches Angebot abgegeben hatte und ob der aufgerufene Preis nachvollziehbar und machbar sei. Aber passt das alles, müsse die Stadt den günstigsten Bieter nehmen.

Dass dies auch ein Risiko sein kann, hat die Stadt jüngst beim Bau des neuen Pflegeheims auf der Mettnau erlebt. Der Trockenbauer, der das günstigste Angebot abgegeben hatte, ging während der Bauphase pleite, es kam zu Verzögerungen und einem Rechtsstreit, welcher die Kosten weiter nach oben getrieben hatte.