Über Jahrhunderte wurde der Radolfzeller Spitalfonds aufgebaut, doch in wenigen Jahren sind alle Reserven nun für den Neubau auf der Mettnau ausgegeben worden. Der Wirtschaftsplan des Spitalfonds für das Jahr 2025 sieht alles andere als rosig aus. Im Gegenteil: Defizite in vielen Bereichen, zu hohe Ausgaben, zu wenig Einnahmen und viele Unsicherheiten. So sollen die Bewohner des Pflegeheims beispielsweise mit dem maximalen Investitionskostenzuschuss belastet werden, um Geld in die Kasse zu bringen.
Der Spitalfonds Radolfzell begann als eine Einrichtung für Arme, Alte und Kranke, wie der Hegau-Geschichtsverein recherchiert hat. Das war im Jahr 1343, als das „Spital ze Ratolfcell“ erstmals urkundlich erwähnt wurde. Schenkungen, Opfergaben und Vermächtnisse, Kauf, Tausch und Ersparnisse machten die Stiftung zu einer mächtigen Einrichtung. Es kam Geld zusammen, von dem auch der Bau des Münsters profitiert hat. Weit über ein halbes Jahrtausend später ist davon aber wenig übrig.
Mehr Ausgaben als Einnahmen
Der Spitalfonds hat jetzt ein neues, modernes Pflegeheim, ein paar Immobilien und ein Grundstück, auf dem ein leeres Krankenhaus steht. Der Wirtschaftsplan für 2025 weist einen allgemeinen Verlust von 244.162 Euro aus. Den Einnahmen von 7,3 Millionen Euro stehen Ausgaben in Höhe von fast 8 Millionen Euro gegenüber. Daher rechnet der Spitalfonds Radolfzell 2025 mit einem insgesamt sinkenden Finanzbestand. Dieser soll sich um 960.386 Euro verringern.
Trotz laufender Einnahmen reichen diese nicht aus, um alle geplanten Investitionen und Finanzierungskosten zu decken. Die Kosten für den Neubau auf der Mettnau in Höhe von 28,5 Millionen Euro haben alle Reserven und noch mehr aufgefressen. Der Spitalfonds hat zu wenig Geld, sowohl in der Gewinn-Verlust-Rechnung als auch im alltäglichen Geldmittelfluss. Über den Wirtschaftsplan 2025 wird der Radolfzeller Stiftungsrat in der Sitzung am Dienstag, 11. März, ab 16.30 Uhr beraten.
Baukosten werden verstärkt auf Bewohner umgelegt
Als eine Möglichkeit, die schiefe Bilanz etwas zu glätten, sieht der Wirtschaftsplan für 2025 vor, mehr Geld bei den Bewohnern abzurechnen. Über den Investitionskostensatz kann der Spitalfonds zu einem Teil den teuren Neubau auf die Bewohner umlegen. Bürgermeisterin Monika Laule hatte bereits angekündigt, diesen Satz für die sogenanntenstzahler, nochmals zu erhöhen. Selbstzahler sind Bewohnerinnen und Bewohner, die nicht auf finanzielle Hilfe durch das Sozialamt angewiesen sind. Im Pflegeheim auf der Mettnau liegt die Selbstzahler-Quote laut Sitzungsvorlage für die kommende Gemeinderatssitzung bei 80 Prozent.
Gebühren für Selbstzahler steigen nochmals an
Aktuell wird bei allen Bewohnerinnen und Bewohner ein Investitionskostensatz von 38 Euro pro Tag abgerechnet, das ergibt auf den Monat gerechnet eine Gebühr von 1156 Euro. Zum Vergleich: Im ehemaligen Pflegeheim in der Poststraße lag der Investitionskostensatz noch bei 247,62 Euro pro Monat.
Ab dem 1. April möchte der Spitalfonds die 38 Euro pro Tag nur noch für Bewohnerinnen und Bewohner abrechnen, die Sozialleistungen erhalten. Selbstzahler sollen 47,57 Euro pro Tag, monatlich zirka 1447 Euro, bezahlen. Das ist laut Vorlage der maximal abrechnungsfähige Satz, der laut Paragraph 82, Absatz 3 des Sozialgesetzbuches erlaubt ist. Dieser besagt, dass Träger zugelassener Pflegeeinrichtungen einen Anspruch darauf haben, ihre nicht geförderten betriebsnotwendigen Investitionskosten den Pflegebedürftigen in Rechnung zu stellen.
Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt liegen die Investitionskosten bei 485 Euro monatlich und in der exklusiven Einrichtung Tertianum Residenz Konstanz liegen sie bei 1238,09 Euro monatlich, könnten künftig also 200 Euro niedriger sein als in Radolfzell.
Wenn die Selbstzahlerquote so bleibt, bringen die Investitionskostenzuschüsse dem Spitalfonds dann 2025 Einnahmen in Höhe von 1,5 Millionen Euro. In 2024 wurde über diese Gebühr noch 614.730 Euro eingenommen. Noch muss der Stiftungsrat allerdings zustimmen. Zwar soll der neue Satz laut Wirtschaftsplan ab dem 1. April abgerechnet werden, im Stiftungsausschuss soll dies allerdings erst in einer Sitzung im Juli Thema werden, wie die Pressestelle der Stadtverwaltung mitteilt.
Zukunft der Seestraße und Poststraße noch ungewiss
Zum Besitz des Spitalfonds gehört auch die Immobilie Seestraße 46. Die Zukunft der Immobilien, sowie der Poststraße 15, die an die Stadt Radolfzell verkauft wurde, ist bisher nur nicht-öffentlich im Gemeinderat diskutiert worden. „Bei allen angedachten Verwendungsmöglichkeiten wird davon ausgegangen, dass die bestehenden Räumlichkeiten mit überschaubarem Aufwand hergerichtet werden können. Die erforderlichen Aufwendungen und Erträge konnten bisher noch nicht genauer quantifiziert werden“, heißt es in dem Wirtschaftsplan. Es fallen Leerstandskosten für die Seestraße in Höhe von zirka 25.000 Euro pro Jahr an.
Zuschuss für Hebammenzentrum belastet Haushaltskasse
Auch das Hebammenzentrum Radofine gehört zu den Geschäftsfeldern des Spitalfonds Radolfzell, trägt sich allerdings nicht von alleine. Der Landkreis Konstanz hat bereits für die Jahre 2025 bis 2027 zugestimmt, die Radofine mit jährlich 75.000 Euro zu fördern. Der Spitalfonds hatte im Sommer 2024 bei der Stadt Radolfzell erbeten, das restliche Defizit – zumindest für das Jahr 2025 – zu übernehmen. Laut Wirtschaftsplan geht es dabei um 77.775 Euro für dieses Jahr. Geld, das eigentlich auch im angespannten städtischen Haushalt nicht vorhanden ist. Diese finanzielle Unsicherheit und die Abhängigkeit von Fördergeldern sei eine Belastung für den Betrieb des Hebammenzentrums, heißt es in dem Wirtschaftsplan.
Die Finanzen belastet zusätzlich, dass es bei den Personalkosten eine Tarifsteigerung von drei Prozent gab. Im Stellenplan für das Pflegeheim stehen für dieses Jahr 65 Stellen, davon 57,57 Stellen in der Pflege. In dem administrativen Bereich sind drei Stellen verplant, unter anderem eine Heimleitung, Mitarbeiter in der Verwaltung und eine Teilzeitstelle für Öffentlichkeitsarbeit/Soziale Medien. Im Hebammenzentrum sind 1,2 Stellen eingeplant, die sich auf fachliche Leitung und Koordination aufteilen.
Warum der Pflegeheim-Neubau auf Kosten des Stiftungsgedankens war, lesen Sie in diesem Kommentar.