Da hatten sich alle irgendwie mehr erhofft. Statt einer detaillierten Aufstellung, bei welchem Gewerk, bei welchem Einkauf an Material, bei welcher Dienstleistung beim Bau des städtischen Pflegeheims auf der Mettnau die Kosten gestiegen waren, bekam der Gemeinderat eine Präsentation mit vielen Gründen und wenig konkreten Erklärungen. Doch nach genau diesen hatten die Stadträte gefragt, als in der November-Sitzung die nächste Preissteigerung für das Pflegeheim präsentiert wurde.
Der aktuelle Stand der Kosten beträgt 28,7 Millionen Euro, 1,7 Millionen Euro mehr seit Sommer 2023. Geld, das der Spitalfonds nicht hat und für das die Stadt Radolfzell nun einspringen muss. Doch mit der Erklärung allgemeiner Preissteigerungen durch die Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges mitten in der kritischen Bauphase will sich der Gemeinderat nicht mehr zufriedengeben. „Die 27 Millionen haben wir verstanden und geschluckt, aber woher die 1,7 Millionen Euro jetzt kommen, ist nicht klar“, kritisierte Christof Stadler (CDU).

Bauprojekt mit überdurchschnittlichem Anspruch
Und auch nach der Präsentation von Bürgermeisterin Monika Laule und des Architekten Georg Schmitz wurde für Stadler wenig klarer und die Laune sank spürbar. Schmitz begann seinen Vortrag mit einer langen Auflistung an Gründen, warum das Grundstück und das Bauprojekt auf der Mettnau überdurchschnittliche Anforderungen an die Planung gestellt hatten.
Genannt wurden die Hangsituation, die beengte Baustelle, wenig Lagerfläche, der belastete Boden unter dem ehemaligen Schwesternwohnheim, das Pech beim Trockenbauer und einiges mehr. Christof Stadler platze der Kragen: „Vieles davon war doch von Anfang an klar, das erklärt nicht die jüngsten Preissteigerungen.“
Steigerungen um 46,07 Prozent
Etwas konkreter war die Präsentation der Bürgermeisterin. Monika Laule warf den Baupreisindex an die Wand des Ratssaals. Die allgemeinen Baupreise hätten sich wegen der politischen Entwicklungen derart entwickelt, dass zwischen 2019 und 2024 die allgemeinen Baupreise um 46,07 Prozent gestiegen seien. Ein Grund, warum es unter anderem zu den weiteren 1,7 Millionen Euro gekommen sei, war eine sehr optimistische Berechnung Ende 2023, als man noch von 27 Millionen Euro ausgegangen war.

„Wir hatten die Hoffnung, dass der Anstieg der Baupreise seinen Höhepunkt erreicht hätte“, so Laule. Damals stand der Baupreisindex bei 40,01 Prozent. Man habe mehr Angebote auf Ausschreibungen bekommen und die Preise für Material hätten sich normalisiert. Grund genug zu hoffen, dass die Krise überstanden sei. Doch hat sich diese optimistische Haltung nicht bewahrheitet. Der Baupreisindex stieg im Jahr 2024 um weitere 6,06 Prozent. Das Pflegeheim wurde abermals teurer.
Kosten, die neu dazugekommen sind
Hinzu kämen Kosten, die gar nicht in der Gesamtplanung enthalten waren. Dazu gehören unter anderem die Kosten für den Umzug von dem alten Pflegeheim aus der Poststraße für 55.000 Euro, der Verlust durch den Schaden und Gerichtsstreit mit dem nun insolventen Trockenbauer für eine halbe Million Euro, die Reparatur der Hausherrenstraße, die wegen der Bauarbeiten in Mitleidenschaft gezogen wurde, für 130.000 Euro und Zinszahlungen bis zum Bezug des Neubaus, die 2024 neu hinzugekommen seien für 228.000 Euro.
Siegfried Lehmann (FGL) kritisierte das Kostencontrolling und die Präsentation der Stadt. „Das ist überhaupt nicht transparent. Da erwarte ich ein anderes Verhalten“, so Lehmann. Warum sie keine genaue Kostenaufstellung mitgebracht hatte, erklärte Laule so: „Das hätte den Rahmen dieser Sitzung gesprengt.“ Auch habe sie zweimal im Jahr dem Gemeinderat einen Zwischenbericht über den Stand der Kosten gegeben. Aus ihrer Sicht sei das transparent gewesen.

Ein Vergleich mit Konstanz, der hinkt?
Lehmann zog Vergleiche zum Landkreis Konstanz, der ebenfalls einige Großbaustellen abzuarbeiten habe, wie den Bau des Berufsschulzentrums in Konstanz-Petershausen. Auch dort habe es Kostensteigerungen gegeben, aber bei Weitem nicht in dem Ausmaß wie beim Pflegeheim.
Markus Zähringer (SPD), der ebenfalls wie Lehmann auch im Kreistag sitzt, befand diesen Vergleich für „nicht lauter“. Auch das Berufsschulzentrum sei deutlich teurer als geplant. Gestartet ist man dort 2019 mit 90 Millionen Euro, Anfang 2024 waren die geschätzten Kosten bereits bei zirka 123 Millionen Euro.
Kein Plan für einen Baustopp
Laut Zähringer sei ein Problem beim Pflegeheim gewesen, dass es nie die Möglichkeit eines Baustopps gab. Beim Neubau der Stadtwerke hat man zum Beispiel eine Pause eingelegt, als die Kosten für Bauleistungen exorbitant gestiegen waren. Doch startete der Bau des Pflegeheims ohnehin schon mit einer zeitlichen Verzögerung.
Dass es in Pflegeheimen in Baden-Württemberg laut Landesheimbauverordnung ab 2019 nur noch Ein-Bett-Zimmer geben darf, hatte der Gesetzgeber bereits 2009 entschieden. Der Spitalfonds hatte mehrmals eine Fristverlängerung für das alte Pflegeheim bei der Heimaufsicht beantragen müssen, da die gesetzlichen Vorgaben über Jahre nicht erfüllt werden konnten.

Eine spannende Frage stellte Martina Gleich (CDU): „War‘s das jetzt?“ Sie wollte wissen, ob der Spitalfonds mit weiteren Kostensteigerungen rechnen müsse. Gleichzeitig bedauerte sie, dass die Freude über den schönen Neubau jetzt durch solch eine Kostendiskussion überschattet werde.
Doch noch gibt es keine finale Rechnung für das Pflegeheim. Architekt Georg Schmitz gab an, man habe bereits zu 70 Prozent abgerechnet und man sei „gut aufgestellt und mit einer starken Kostensicherheit unterwegs“. Eine Einschätzung, die man im Radolfzeller Gemeinderat vermutlich mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen hat.