Dass Radolfzell einer finanziell angespannten Zukunft entgegenblickt, ist schon lange bekannt. Schon bei der Haushaltsberatung Anfang dieses Jahres hatte Petra Ohmer, Leiterin des Fachbereichs Finanzen vor schwierigen Zeiten gewarnt. Entsprechend unerfreulich fiel nun in der jüngsten Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses auch ihre Zwischenbilanz aus: „Ich muss jetzt das Taschentuch rausholen und Ihnen schlechte Nachrichten verkünden“, kündigte sie den Räten direkt zu Beginn an.
Denn die Prognose des ordentlichen Ergebnisses im Haushalt zum Jahresende sieht schlecht aus. Im Januar hatte der Gemeinderat ein Minus von 1,8 Millionen Euro beschlossen, tatsächlich werden die Zahlen voraussichtlich noch schlechter aussehen: Nach aktuellem Stand geht die Prognose von einem Minus von 4,3 Millionen Euro aus – also 2,4 Millionen Euro schlechter als geplant. Wie Petra Ohmer erklärte, setzt sich das Ergebnis aus Mindererträgen von rund 700.000 Euro und Mehraufwendungen von rund 1,7 Millionen Euro zusammen.
Weniger Gewerbesteuereinnahmen als angenommen
Die Stadtkämmerin erklärte einzelne Posten, die Einfluss auf das Ergebnis haben. So fallen die Gewerbeeinnahmen offenbar nicht so hoch aus wie ursprünglich angenommen. 2024 konnte noch ein Rekordergebnis von 25,9 Millionen Euro erreicht werden, für 2025 wurden 25 Millionen Euro angesetzt. Nach aktuellem Stand liegen die Einnahmen aber nur bei 23,2 Millionen Euro – und damit 1,8 Millionen Euro unter dem Planansatz. „Ob der Ansatz im Laufe des Jahres noch erreicht werden kann, ist schwer einzuschätzen“, heißt es im Bericht zum Haushaltsverlauf.
Zudem zeichne sich bei den Personalausgaben eine Überschreitung der Pläne in Höhe von 687.512 Euro ab. Hier zeigen sich auch die Auswirkungen der Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst um drei Prozent ab April, so Ohmer. Umgekehrt gebe es aber auch Mehreinnahmen, die etwa durch Zuweisungen vom Land zustande kommen – bei Schlüsselzuweisungen sind etwa 470.000 Euro mehr prognostiziert.
Es gibt auch positive Nachrichten
„Wir spüren die allgemeine Rezession“, fasste Oberbürgermeister Simon Gröger zusammen. Dennoch wollte er nicht alles schwarz sehen. Zwar seien die Gewerbesteuereinnahmen vermutlich schlechter als zunächst angenommen. Trotzdem betonte er: „Wir sind immer noch weit überdurchschnittlich.“ In der Vergangenheit habe die Stadt Einnahmen in Höhe von 15 bis 18 Millionen Euro gemacht. „Wir haben alleine schon mit 23,2 Millionen Euro das vermutlich drittbeste Ergebnis der vergangenen drei Jahre.“ 25 Millionen Euro seien auch ein mutiger Ansatz gewesen.
Auch beim Personal wog Gröger ab. Rein finanziell gebe es natürlich Mehrausgaben durch Tariferhöhung und generelle Lohnsteigerungen durch Aufstieg von Mitarbeitern in neue Erfahrungsstufen. Allerdings müsse man auch sehen, dass die Fluktuation innerhalb der Stadtverwaltung reduziert worden sei und offene Stellen besetzt wurden. „Wir sind nahezu an einer Vollbesetzung dran“, so der Oberbürgermeister. Entsprechend hätten sich auch die Ausgaben erhöht.
Allerdings könne Radolfzell „in vollem Maße“ allen Verpflichtungen nachkommen und zudem die freiwilligen Ausgaben der Stadt stemmen. „Wir haben ausreichend liquide Mittel und werden dieses Jahr auch keine neuen Schulden aufnehmen.“ Stattdessen können die Schulden weiter gesenkt werden. Anfang des Jahres lagen sie noch bei rund 2,145 Millionen Euro, Ende Juni waren es noch rund 2,105 Millionen Euro.
„Die fetten Jahre sind vorbei“
Im Gremium kam der Zwischenbericht dennoch nicht gut an. Er sei „ernüchternd“, urteilte Bernhard Diehl (CDU), der es auf den Punkt brachte: „Die fetten Jahre sind meiner Meinung nach vorbei.“ Es müsse nun allen bewusst sein, dass künftig bei den Ausgaben Prioritäten gesetzt werden müssen, um Radolfzell lebenswert zu erhalten.
Dem stimmten Dietmar Baumgartner (Freie Wähler) und Norbert Lumbe (SPD) zu. „Wir müssen schauen, was sind unsere Pflichtaufgaben und unsere freiwilligen Aufgaben“, sagte Baumgartner. Und: „Wir müssen mit dem Standard auch mal runterfahren.“ Jürgen Keck (FDP) mahnte zudem mit Blick auf die Gewerbesteuereinnahmen an, gute Rahmenbedingungen für das mittelständische Gewerbe zu schaffen, um dieses von einer Abwanderung abzuhalten.