Ein Leben auf Pump, das könnte der Stadt Radolfzell in den nächsten Jahren blühen. Noch profitiert die Stadt von den erfolgreichen Jahren der Vergangenheit, stetig konnten Schulden abgebaut werden. So weit, dass die Pro-Kopf-Verschuldung für 2025 auf 0 Euro sinkt. Gleichzeitig hat die Verwaltung zuletzt im Schnitt 15,8 Millionen Euro pro Jahr investiert, wie Petra Ohmer, Leiterin des Fachbereichs Finanzen während der Sitzung darlegte. Doch der Blick in die Zukunft bereitet Sorgen. Die Haushaltssitzung für das Jahr 2025 hielt da wenig Überraschungen offen.

Finanzielle Lage ändert sich ab 2026 dramatisch

Schuldenfrei und liquide, das wird für Radolfzell kein dauerhafter Zustand bleiben. Denn schon ab 2026 sind sämtliche Rücklagen für dringend benötigte Investitionen aufgebraucht. Will die Stadt dann etwa Kitas ausbauen, Schulen sanieren und Brücken reparieren, sind neue Kredite notwendig. Mehr als 23 Millionen Euro müsste die Stadt 2027 und 2028 aufnehmen, um all die Projekte, die in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen sind, auch realisieren zu können.

Bild 1: Radolfzell: Finanzielle Engpässe verzögern Kita-Ausbau und Projekte
Bild: SK

Stadtkämmerin Ohmer warnt: „Wir müssen die Dinge beherzt angehen. Ein, zwei Jahre könnten wir noch meistern, aber wird dieser Zustand dauerhaft, geht hier das Licht aus.“ Mit dieser Prognose stehe Radolfzell nicht alleine dar, alle Kommunen des Landkreises würden in den kommenden Jahren finanziell auf die Probe gestellt.

Trotz allem gibt es auch Grund zur Hoffnung: Oberbürgermeister Simon Gröger vermeldete Rekord-Einnahmen bei der Gewerbesteuer in Höhe von fast 26 Millionen Euro. Doch mahnte der OB an, dass der Höhepunkt überschritten sei.

Bild 2: Radolfzell: Finanzielle Engpässe verzögern Kita-Ausbau und Projekte
Bild: SK

Auch in den Haushaltsreden der Fraktionen des Gemeinderates waren die düsteren Zukunftsaussichten Thema. Bernhard Diehl (CDU) stellte seine Rede unter den Titel „Verantwortung und Wachsamkeit“. Aus seiner Sicht würden die Kommunen von der Bundespolitik „im Regen stehen gelassen“, da Verantwortungen von oben nach unten nur durchgereicht würden – ohne eine ausreichende Finanzierung.

Kreisumlage wird Kommunen stark belasten

Belastungen wie die Kreisumlage, die Zuschüsse für den Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz mit dem geplanten Krankenhaus-Neubau und die Unterbringung von Geflüchteten nannte Dietmar Baumgartner als einen Grund für die belastende Lage des Haushaltes in den kommenden Jahren.

Siegfried Lehmann (Freie Grüne Liste) sprach von einer „schweren Hypothek“, die dieser Haushalt darstelle. Er fragte, ob die Stadt zu wenig Einnahmen generiere oder ob die Ausgaben zu hoch seien, und kritisierte „Symbolpolitik“ aus dem Radolfzeller Rathaus. Damit meinte er etwa Projekte wie den Pocket Park.

Ist das anderen Generationen gegenüber fair?

Philosophischer ging Norbert Lumbe (SPD) das Thema Haushalt an und stellte ihn unter das Motto „Janus-Kopf“, es sei ein zwiespältiger Haushalt. Er warf die Frage auf, ob der Haushalt eine faire Verteilung auf die kommenden Generationen abbilde. Jürgen Keck (FDP) warnte davor, die Planungen für 2026/27 so nicht stehen zu lassen und sich nicht mehr „Prestigeprojekte ins Schaufenster“ zu stellen.

Das KinderKulturZentrum Lollipop ist baufällig und müsste saniert oder vielleicht sogar neu gebaut werden. Das Angebot wird aber gut ...
Das KinderKulturZentrum Lollipop ist baufällig und müsste saniert oder vielleicht sogar neu gebaut werden. Das Angebot wird aber gut angenommen. | Bild: Jarausch, Gerald

Doch wie steht es nun um die Finanzen für das Jahr 2025? Trotz der Rekord-Einnahmen bei der Gewerbesteuer wird der Radolfzeller Haushalt im Ergebnis ein Minus von 1,5 Millionen Euro aufweisen. Geplant wird mit Einnahmen in Höhe von 126,7 Millionen Euro. Dem gegenüber stehen Ausgaben in Höhe von 128,2 Millionen Euro. Gut ein Drittel muss mittlerweile für Personalkosten aufgewendet werden, 15 Prozent gehen in die Kreisumlage und weitere 10 Prozent in die Finanzausgleichsumlage.

Noch ist auch Geld da, um notwendige Investitionen zu tätigen. Für 2025 möchte die Stadt Radolfzell circa 5 Millionen Euro in die Eigenbetriebe wie Tourismus und Stadtmarketing GmbH, die Mobilitätsgesellschaft der Stadtwerke oder für den Kauf von Grundstücken und Zuschüsse investieren. Für Baumaßnahmen sind 15,7 Millionen Euro vorgesehen.

Was möchte die Stadt in 2025 alles umsetzen?

Große Projekte in 2025 beginnen will die Stadt unter anderem am Bahnhof mit der Planung eines Fahrradparkhauses und der Planung eines Mehrfamilienhauses als möglichen Start einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. Bei Letzterem beantragten die Freien Wähler mit Unterstützung der FDP, das Projekt aus Kostengründen komplett aus dem Haushaltsplan zu werfen, konnten aber keine Mehrheit gewinnen.

Die Wohnblöcke mit Einfachstunterkünften in der Schlesierstraße gehören der Stadt. Lange steht fest, dass diese saniert werden müssen. ...
Die Wohnblöcke mit Einfachstunterkünften in der Schlesierstraße gehören der Stadt. Lange steht fest, dass diese saniert werden müssen. Auch stellt sich hier die Frage, ob diese in eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft übergehen könnten. | Bild: Jarausch, Gerald

Auf Antrag der SPD-Fraktion sind auch zwei neue Projekte in den Haushalt aufgenommen worden: das Kinderkulturzentrum Lollipop und die Obdachlosenunterkünfte in der Schlesierstraße. Alle Gebäude sind stark sanierungsbedürftig. Für 2025 sind jedoch lediglich Planungskosten eingestellt worden, damit für weitere Planungen, ob Neubau oder Sanierung, Mittel vorhanden sind.

Kita-Aufstockung wird verschoben

Eine längere Diskussion gab es wegen der eigentlich für 2025 geplanten Aufstockung der Kindertagesstätte Entdeckerkiste. Diese Maßnahme ist aus dem Haushalt für dieses Jahr gestrichen und auf 2026 verschoben worden. Die CDU-Fraktion hatte mehrere Vorschläge eingebracht, die Kosten und Planungskapazitäten umzuschichten, damit die Kita dennoch gebaut werden könne. Bürgermeisterin Monika Laule erklärte, aktuell würden in der Stadt rund 60 Kita-Plätze fehlen. Doch um das Baudezernat nicht zu überlasten, habe man die Maßnahme verschoben.

Bernhard Diehl sprach von einer „schizophrenen Situation“: Man verstehe das Anliegen der städtischen Mitarbeiter, dennoch bestehe ein Gemeinderatsbeschluss, die Kita 2025 aufzustocken. Nach einer intensiven Diskussion zog die CDU ihren Antrag, die Kita doch schon 2025 aufzustocken, zurück. Sie soll nun im Jahr 2026 erweitert werden.

Entdeckerkiste in der Nordstadt sollte eigentlich 2025 aufgestockt werden. Die Kosten belaufen sich dabei auf 4,4 Millionen Euro. Das ...
Entdeckerkiste in der Nordstadt sollte eigentlich 2025 aufgestockt werden. Die Kosten belaufen sich dabei auf 4,4 Millionen Euro. Das Projekt ist aber nun verschoben worden. | Bild: Jarausch, Gerald

Neu im Investitionshaushalt ist die Sanierung der Günther-Neurohr-Brücke. Uwe Negraßus vom Fachbereich Tiefbau erklärte, warum die Maßnahme, die bis 2026 5 Millionen Euro kosten soll, dringend sei. Regelmäßig überprüfe man die Brücken der Stadt, und hier sei das Fundament durch den Baugrund der Mettnau nicht so langlebig. Da es die einzige Brücke auf die Mettnau sei, die für Lkw zugelassen sei, sei es dringend notwendig, diese instand zu halten.