Der Bau des ersten Luftschiffs durch Graf von Zeppelin steht – wie kaum ein anderes technisches Wunderwerk – als Symbol für die Innovationskraft der Bodenseeregion. Bis heute, 125 Jahre nach Zeppelins ersten Konstruktionen, existiert hier ein ausgeprägter Erfindergeist. Das belegen die vom Deutschen Patentamt veröffentlichten Zahlen.
Bei der Zahl der angemeldeten Patente im vergangenen Jahr liegt der Bodenseekreis innerhalb Baden-Württembergs auf Platz eins. Ein Großteil davon geht auf die ZF Friedrichshafen AG zurück, die laut des Patentamts insgesamt 1175 Patente anmeldete. Ohnehin ist der Südwesten bundesweit Spitzenreiter. Mit 137 Anmeldungen pro 100.000 Einwohnern liegt Baden-Württemberg auf Platz eins. Firmen oder Einzelpersonen meldeten 15.494 Patente alleine im Jahr 2024 an.
Wo man sich wohlfühlt, hat man gute Ideen
Wer täglich mit Erfindern zu tun hat, ist Thomas Daub. Er ist Patentanwalt in Überlingen, und er sagt mit Bezug auf den Bodenseekreis: „Kreativität braucht Raum. Dort, wo man sich wohlfühlt, hat man eher die Muße dafür, über neue Sachen nachzudenken.“
Er weiß um die hohe Innovationsdichte in der Bodenseeregion. Er firmiert mit seiner Kanzlei im denkmalgeschützten „Landratsamt“ des ehemaligen Landkreises Überlingen. Seine Kanzlei agiert weltweit, mit Kunden aus Japan. Die Mandanten aus der Region Bodensee „machen einen wesentlichen Teil unseres Auftragsvolumens aus“, sagt er. Zum einen schafft die reizvolle Landschaft ein kreatives Umfeld für Gründer. Zum anderen gibt es eine hohe Dichte an großen Firmen – Daub nennt ZF, Diehl Defence und MTU – deren kreative Mitarbeiter wiederum viele Neuheiten entwickeln.

Was macht eigentlich ein Patentanwalt?
Bevor der Überlinger sein Fernstudium zum Patentanwalt begann, absolvierte er ein Maschinenbau-Studium. Der klassische Weg zum Patentanwalt baut auf einem technischen Studium auf. „Es ist ein super schöner Beruf“, sagt er. „Im Gegensatz zum Volljuristen, der sich mit Ehescheidungen oder Verkehrsunfällen beschäftigt, habe ich nur mit positiven Sachen zu tun.“
Aber was macht eigentlich ein Patentanwalt, bremst oder fördert er Innovationen? Wer Thomas Daub danach fragt, bekommt eher das Bild von einem Daniel Düsentrieb als einem mit Paragraphen um sich werfenden Anwalt vorgestellt. Nach seinem Selbstverständnis verwaltet ein guter Patentanwalt die Erfindungen seiner Mandanten nicht nur und schützt sie nicht nur vor Plagiaten. Sondern er bringt die Tüftler auf weitere gute Ideen und beflügelt ihren Geist.
Vom Holzhocker zum Hightech-Produkt
Daub nennt das fiktive Beispiel eines Schreiners, der einen dreibeinigen Hocker aus Holz erfindet. Er ist so klug und neuartig konstruiert, dass er nicht umfallen kann. Während der Schreiner nur daran denken würde, seinem hölzernen Hocker ein Patent zu verpassen, überlegt er, welche Materialien noch infrage kommen, und welche Zwecke (außer dem sich Draufsetzen). Vielleicht als Stativ? Und kann der Hocker mit einer Software versehen werden, die dem Benutzer nach langem Sitzen signalisiert, dass er seine Position ändern soll – oder kippt der Hocker gar seinen Neigungswinkel, wenn ein Sensor signalisiert, dass der Benutzer nur noch müde auf ihm sitzt?
Etwas holzschnittartig formuliert: Das Patent soll möglichst viele Bereiche präzise abdecken und der Konkurrenz keine Chance lassen, das Patent zu umgehen. Dabei kommt es auch auf die Patentbezeichnung an, die eine möglichst breite Verwendung anzeigt und der Konkurrenz die Möglichkeit nimmt, dem Kind einfach einen anderen Namen zu geben und es dann nachzubauen. Den Hocker nennt er deshalb nicht Hocker, sondern „Aufständervorrichtung“.
Erfinderisch sind auch andere
Aber was passiert, wenn es das Patent schon gibt? Einfache Recherchen könne jeder selbst anstellen, bei komplizierten helfen sie, so Daub. In jedem Fall mache es für Erfinder Sinn, sich in einem frühen Stadium nach potenziellen Wettbewerbern umzuschauen. Wenn sich also herausstellt, diesen Hocker gibt es ja längst, wäre die Innovation unseres Schreiners nicht unbedingt ein Rohrkrepierer. Die Flinte ins Korn zu werfen, sei die falsche Reaktion, so der Patentanwalt. Vielmehr lese er ein bereits existierendes Patent mit dem Fokus, nun für seinen Mandanten einen Umgehungstatbestand zu finden oder die Möglichkeit, an der Weiterentwicklung mitzuwirken. So gebe es Fälle, in denen ein Patent zwar existent, das Produkt auf dem Markt aber gar nicht erhältlich ist. Warum nicht? Vielleicht hat der andere Schreiner ein technisches Problem, das Daubs Schreiner zu lösen vermag? Falls ja, wie lange gilt das Patent noch? Oder könnten die beiden Schreiner eine Kooperation bilden? Der Patentanwalt sieht sich hier als Brückenbauer.
„Klar, da geben wir Vollgas“
Bei Thomas Daub, der den ganzen Tag mit Erfindern zu tun hat, liegt es nahe, ihn nach eigenen Erfindungen zu fragen. Er lächelt. Denn ja, die gibt es. Sie führte zur Gründung eines Tochterunternehmens, bei dem seine Frau Nicole Daub die Geschäftsführerin ist. Zweck der Firma ist die Patentüberwachung. Wie er erklärt, gebe es für jeden Kunden eine individualisierte Datenbank, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz die Aktivitäten von Wettbewerbern auswertet. „Sie kann komisches Deutsch und Englisch und Wörter wie ‚Aufständervorrichtung‘ in eine Sprache umwandeln, die ein Entwickler versteht.“ Aber nicht nur das. Sie könnten deutlich machen, wo ihre Kunden strategisch stehen, und worauf sie künftig ihre Kreativität richten sollten.
Das hört sich nach einem innovativen Konzept an. Man darf davon ausgehen, dass der Überlinger weiß, wie er sich diese Erfindung weltweit patentieren lässt. Thomas Daub: „Klar, da geben wir Vollgas.“