Ananas, Mango, Papaya, Melone – oder doch ein Apfel? Das Obstsortiment in den Supermärkten ist heute exotischer denn je. Ein Bauer im Bodenseekreis hat sich für den Olivenanbau entschieden, weil sein Apfelbetrieb nicht mehr rentabel gewesen sei. Für den Thurgau wäre eine solche Entwicklung bitter. Wie steht es also um den Apfelanbau in der Schweiz?

Zusammen mit der Banane sei der Apfel nach wie vor das meistverkaufte Obst in der Schweiz, sagt Benno Neff, Geschäftsführer der Großhandelsfirma Tobi Seeobst AG. „90 bis 95 Prozent der im Land verkauften Äpfel kommen aus der Schweiz.“ Der Apfelanbau im Thurgau profitiere laut Neff vom milden Klima.

Die Winter bringen die nötige Ruhephase, der Sommer liefert Sonne und Wasser, und kühle Herbstnächte fördern Farbe und Aroma. Die hochstämmigen Apfelbäume prägen das Landschaftsbild des Thurgau und gehören zur Identität des Apfel-Kantons – doch das war nicht immer so.

Benno Neff, der Geschäftsführer der Thurgauer Tobi Seeobst AG, erklärt: „90 bis 95 Prozent der im Land verkauften Äpfel kommen aus der ...
Benno Neff, der Geschäftsführer der Thurgauer Tobi Seeobst AG, erklärt: „90 bis 95 Prozent der im Land verkauften Äpfel kommen aus der Schweiz.“ | Bild: Urs Bucher

Früher viele Weinberge

Im 17. Jahrhundert dominierten noch Reben das Landschaftsbild – bis die Reblaus viele Weinberge zerstörte, sagt Beat Lehner, Obstbauer und Baumschulbetreiber aus Felben-Wellhausen. „Der Apfelbaum ist von Natur aus eigentlich eine Busch-Pflanze.“ Die Landwirte kultivierten in kleineren Mischbetrieben vor rund 200 Jahren Hochstämme, um Tierhaltung und Obstbau auf derselben Fläche zu verbinden.

„Für den professionellen Anbau ist der Hochstamm zu aufwendig und gefährlich zu bewirtschaften“, sagt Lehner. Bis zum vollen Ertrag braucht dieser Baum zehn bis 15 Jahre und das Arbeiten in fünf bis sechs Metern Höhe erfordert spezielles Personal. In der Schweiz stammen heute praktisch alle für den Direktverzehr verkauften Äpfel von Niederstammbäumen, „denn die sind platzsparend, ertragreich und einfacher zu bewirtschaften.“

Beat Lehner, Obstbauer und Baumschulbetreiber, erklärt: „Die Generation Coca-Cola will süßer essen. Was wir vor 30 Jahren als süß ...
Beat Lehner, Obstbauer und Baumschulbetreiber, erklärt: „Die Generation Coca-Cola will süßer essen. Was wir vor 30 Jahren als süß empfanden, ist heute schon sauer.“ | Bild: Zvg

Betriebe mit Hochstammbäumen werden dennoch staatlich gefördert, „weil sie für die Biodiversität sehr wichtig sind“, sagt Lehner. Die Kombination mit Viehhaltung sei nach wie vor vorteilhaft. Die Äpfel der Hochstamm-Ernte werden direkt in den Hofläden verkauft oder an Großhändler zur Weiterverarbeitung zu Produkten wie Most weiterverkauft.

Beat Lehner baut in Felben-Wellhausen auf 20 Hektar Äpfel mit Niederstammbäumen an. „Als Obstproduzent schaue ich, dass ich mich dem Konsumverhalten anpassen kann“, sagt Lehner. Denn er beobachtet, dass sich die Nachfrage der jüngeren Generationen verändert hat.

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„Die Generation Coca-Cola will süßer essen“, sagt Lehner. „Was wir vor 30 Jahren als süß empfanden, ist heute schon sauer.“ Die Konsumgewohnheiten haben sich geändert – und mit ihnen die Ansprüche an das Obst. Kräftigere Farben, makellose Schale, handliche Größe: Der Apfel muss heute mehr bieten als nur Frische vom Baum.

Aus Schweizer Produktion seien laut dem Obstbauern vor allem handliche, kernlose und kleine Früchte gefragt. „Der Apfel bekommt zunehmend Konkurrenz durch Beeren.“ Diese könne man direkt am Schreibtisch essen, man müsse sie nicht aufschneiden und „sie haben kein Bitzgi, das man wegwerfen muss“.

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Bauern produzieren mehr Beeren

Tatsächlich hat die inländische Produktion von Beeren zugenommen. Laut Lisa Maddalena, Mitarbeiterin beim Schweizer Obstverband, sind Folientunnel und Gewächshäuser der Grund dafür: „Dank dieser Weiterentwicklungen des Anbaus kann man größere Erntemengen sichern.“ Bis jetzt würden aber immer noch rund 75 Prozent der in der Schweiz produzierten Beeren aus dem Ausland importiert. „Der Apfel bleibt die wichtigste Kultur in der Schweiz und damit auch Schwerpunkt der Ausbildung zum Obstfachmann und Obstfachfrau EFZ.“

Lisa Maddalena ist beim Schweizer Obstverband für Innovationen zuständig. Sie ist überzeugt: „Der Apfel bleibt die wichtigste Kultur in ...
Lisa Maddalena ist beim Schweizer Obstverband für Innovationen zuständig. Sie ist überzeugt: „Der Apfel bleibt die wichtigste Kultur in der Schweiz.“ | Bild: Zvg

Jedoch beobachtet nicht nur Obstbauer Beat Lehner eine Veränderung des Konsumverhaltens bei Jüngeren – auch Obsthändler Benno Neff sagt: „Unsere Sorge ist, was passiert, wenn die ältere Generation, die noch regelmäßig Äpfel isst, wegfällt.“

Heute ist die Auswahl in den Supermärkten viel größer. Exotische Früchte wie Mangos oder Ananas sind das ganze Jahr über erhältlich und oft günstiger als Schweizer Produkte. „Die importierten Früchte sind eine große Konkurrenz für den lokalen Anbau“, sagt Neff. Es sei schwieriger geworden, saisonale Früchte zu verkaufen.

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Laut Lisa Maddalena wird bereits versucht, mediterrane Früchte wie Melonen, Zitrusfrüchte oder Oliven in der Schweiz anzubauen. „Im Tessin werden Oliven in größeren Mengen angebaut“, im Thurgau sei das Klima dagegen noch zu unberechenbar und meist zu kühl. „Zudem ist der Anbau in Gewächshäusern sehr teuer und es wird noch lange dauern, bis ein professioneller Verkauf möglich ist.“

Beat Lehner wird auf seinem Obstbetrieb nicht auf den Apfelanbau verzichten. Er reagiert auf das veränderte Konsumverhalten, indem er in die Züchtung neuer Apfelsorten investiert. Diese sollen nicht nur geschmacklich überzeugen und süßer sein, sondern auch resistenter gegen Schädlinge werden und weniger Pflanzenschutzmittel benötigen.

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Auch wenn in der Region bereits mit dem Anbau von Oliven und exotischen Früchten experimentiert wird, bleibt der Apfel nach Aussage der Obst-Experten Neff, Lehner und Maddalena Teil der Thurgauer Landschaft. Das Klima passt, der Verkauf lohnt sich und die Zahlen sprechen für sich – der Apfel ist ein Verkaufsschlager in der Schweiz. Die Anpassung an die Nachfrage der Konsumenten ist in allen Branchen elementar, so auch im Apfelanbau. Als Obstproduzent ist es wichtig, flexibel zu bleiben, sei es bei der Art des Anbaus oder bei der Züchtung neuer Sorten, um der sich ändernden Nachfrage gerecht zu werden.

Liora Stark ist Mitarbeiterin unserer Partnerzeitung „Thurgauer Zeitung“. Dort ist dieser Artikel auch zuerst erschienen.