Überraschend gute Zahlen, aber dennoch Sorgen vor der Zukunft. So könnte man den Jahresabschluss der Stadt Radolfzell für das Jahr 2024 zusammenfassen, den Kämmerin Petra Ohmer in der jüngsten Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses präsentierte. Besonders die Abhängigkeit der Stadt von der Gewerbesteuer ist auffällig, die Räte mahnen für die Zukunft daher einen kritischen Blick an.

So konnte die Stadt das vergangene Jahr mit einem vorläufigen Ergebnis von knapp plus 4 Millionen Euro beenden, womit sie etwa 1,1 Millionen Euro über der ursprünglichen Kalkulation liegt. Allerdings stehen laut Ohmer noch Buchungen aus, zum Beispiel für Abschreibungen, sodass das Ergebnis am Ende wohl etwa eine halbe Millionen Euro schlechter ausfallen wird.

Mindereinnahmen sind „alarmierend“

Belastet sei die finanzielle Lage nach wie vor durch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie durch Folgekosten der Flüchtlingsunterbringung und die gestiegenen Energiepreise. Die Steuerschätzungen für 2024 hätten „für Ernüchterung in allen Ebenen der öffentlichen Hand“ gesorgt. So blieb Radolfzell bei der Einkommens- und Umsatzsteuer unter dem Planansatz. Zudem habe man weniger Geld aus dem kommunalen Finanzausgleich erhalten, da der Betrag je Einwohner für 2024 gesenkt wurde.

Diese Mindereinnahmen von insgesamt 0,9 Millionen Euro sind laut Sitzungsvorlage ein „alarmierendes Zeichen“, da der Finanzausgleich in der Vergangenheit eine verlässliche Mehreinnahme gewesen sei, so Ohmer.

Rekordergebnis bei der Gewerbesteuer

Mit dem Gesamtergebnis ist die Stadt dennoch zufrieden, da der Vollzug besser verlaufen sei, als in der Haushaltsplanung zu Jahresbeginn gedacht. So hat Radolfzell bei der Gewerbesteuer ein Rekordergebnis von 25,9 Millionen Euro erzielt, was nicht erwartet worden war angesichts der generellen Lage der Wirtschaft. Der bisherige Rekord lag bei 23,6 Millionen Euro im Jahr 2018.

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Durch die gestiegenen Zinsen hat die Stadt außerdem höhere Zinseinnahmen erzielt. Allerdings ist der Leitzins wieder gesenkt worden und das angelegte Vermögen der Stadt habe abgenommen, sodass hier künftig mit geringeren Einnahmen zu rechnen sei. Bei den Personalkosten gelang laut Ohmer eine „Punktlandung“.

Mit 2024 zufrieden, aber unklare Zukunft

Die Mehreinnahmen aus dem Ergebnishaushalt dienten zur Teilfinanzierung der städtischen Investitionen. Der Rest wurde aus vorhandenen Mitteln finanziert, allerdings sanken die liquiden Mittel um 6,55 Millionen Euro. „Mit 2024 sind wir insgesamt sehr zufrieden“, so Ohmers Fazit.

Mit Blick auf die kommenden Jahre sagte die Kämmerin, die Entwicklung der Kreisumlage müsse man beobachten, jeder weitere Punkt koste Radolfzell hier 250.000 Euro. Zudem werde das neue Stadtbuskonzept für ‚erhebliche Mehrkosten‘ sorgen.

Die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst habe man bei den Personalkosten für 2025 schon mit 3 Prozent mehr eingepreist. Bei der Gewerbesteuer, auf die man sich laut Ohmer „weiterhin verlassen könne“, plant die Stadt für 2025 mit 25 Millionen Euro im Ansatz. Stand jetzt erreicht man jedoch nur 22,4 Millionen Euro.

So beurteilen die Fraktionen die Lage

Die Fraktionen nahmen Ohmers positives Fazit daher kritischer zur Kenntnis. Sie beurteilen das Ergebnis für 2024 zwar positiv – warnten allerdings davor, dass dies mit viel Glück zustande gekommen sei und man in Zukunft anders planen müsste.

„Der Haushalt 2024 war ein Glücksfall. Wir können nicht darauf bauen, dass es wieder so kommt“, sagt Siegfried Lehmann (FGL).
„Der Haushalt 2024 war ein Glücksfall. Wir können nicht darauf bauen, dass es wieder so kommt“, sagt Siegfried Lehmann (FGL). | Bild: FGL

Siegfried Lehmann (FGL) sagte, er sei „zusammengezuckt“ bei der Aussage, man könne sich auf die Gewerbesteuer verlassen. Der Rekord 2024 sei überraschend und gegen den wirtschaftlichen Trend zustande gekommen. „Der Haushalt 2024 war ein Glücksfall. Wir können nicht darauf bauen, dass es wieder so kommt. Es bleiben viele Fragezeichen für die Zukunft“, so Lehmann. Er forderte, die Kommunen sollten über die Spitzenverbände Druck auf Land und Bund hinsichtlich Verschuldungsregeln für Kommunen ausüben. Sonst stehe Radolfzell bald so da, wie Konstanz und Singen es bereits jetzt tun.

Norbert Lumbe (SPD) zeigte sich zwar erleichtert über 2024, warnte aber ebenfalls vor Risiken in der Zukunft. So fragte er mit Blick auf jüngste Äußerungen von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer im SÜDKURIER über die Überlastung der Kommunen, ob Radolfzell ebenso am Limit sei und entsprechende Eingaben bei Bund und Land mache.

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Zu große Abhängigkeit von der Gewerbesteuer?

Christof Stadler (CDU) sagte: „2024 ist sehr erfreulich, auf 2025 blicken wir hoffend, aber ab 2026 müssen wir kritisch hinschauen.“ Die Stadt brauche einen Plan B, falls ein oder zwei Gewerbesteuerzahler abwandern sollten. Er beantragte zudem, dass die Wirtschaftsförderung künftig in den Gemeinderat kommen solle, um über das Wirtschaftsprofil Radolfzells zu beraten – gerade im Hinblick auf die Gestaltung der Aurelis-Linse. Das Bahnareal entlang der Friedrich-Werber-Straße zwischen Bahnhof und der Mooser Brücke soll schon lange entwickelt werden.

„2024 ist sehr erfreulich, auf 2025 blicken wir hoffend und bangend, aber ab 2026 müssen wir kritisch hinschauen“, sagt Christof Stadler ...
„2024 ist sehr erfreulich, auf 2025 blicken wir hoffend und bangend, aber ab 2026 müssen wir kritisch hinschauen“, sagt Christof Stadler (CDU). | Bild: Andreas Kochloeffel

Dietmar Baumgartner (FW) erklärte: „Die mittelfristige Finanzplanung treibt uns um.“ Ab 2026 müsse man freiwillige Aufgaben kritisch prüfe und gegebenenfalls „politisch unangenehme Entscheidungen“ auf der Ausgabenseite treffen. Und Jürgen Keck (FDP) mahnte an, bei der Gewerbesteuer nicht nur zu hoffen, sondern weiter Gewerbegebiete auszuweisen, um Unternehmen zu halten. Mit Blurado gibt es auch Gewerbeflächen, deren Vermarktung schwierig ist. 

Oberbürgermeister Simon Gröger stellte klar, dass die Gewerbesteuer essenziell für Radolfzell sei, um den Haushalt stemmen zu können. Die Einnahmen seien seit drei Jahren aber konstant und deutlich gestiegen. „Wir setzen darauf, dass das so bleibt“, so Gröger. Die hiesige Wirtschaft sei gut aufgestellt, da die Unternehmen auf viele Branchen verteilt und daher weniger krisenanfällig seien. Außerdem bringe die Stadt sich über Städtetag und Gemeindetag ein hinsichtlich der Haushaltslage der Kommunen und übe Druck aus.

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Laut Petra Ohmer hoffe man zudem darauf, von den Sondervermögen der neuen Bundesregierung zu profitieren, gerade bei der Städtebauförderung. Beim Personal kann die Stadt künftig jedoch nicht mehr „signifikant mehr einstellen“, so Gröger, da man sich dies nicht mehr leisten könne. Unter anderem die Belastungen durch die Kreisumlage und Zuschüsse für den Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz mit dem geplanten Krankenhaus-Neubau seien zu hoch.