Stühlingen Sechs Jahre, unzählige Gespräche und viele Begegnungen sind mit einem Gottesdienst in der evangelischen Kirche in Wutöschingen zu Ende gegangen. Jugendpfarrer Andre Reich wurde verabschiedet. Er packt mit seiner Frau und den drei Kindern nicht nur seine Umzugskartons, sondern auch unzählige Erinnerungen, die ihn geprägt haben und die er mit in seine fränkische Heimat nimmt. Für ihn ist es ein emotionaler Abschied voller Wehmut und Hoffnung.
Dankbar erinnert er sich an die gute Zusammenarbeit mit Pfarrer David Brunner und der gesamten Kirchengemeinde Wutachtal. Er kam, um eine Jugendkirche aufzubauen. Ihm schwebte ein Klub vor, in dem sich Jugendliche treffen und austauschen können. Die Gemeinde wollte allerdings Jugendliche möglichst bald in die Kirchengemeinde der Erwachsenen integrieren. Ein Lernprozess, der für den damals 35-jährigen engagierten Jugendpastor nicht konfliktfrei war. Aber er konnte für viele Jugendliche seine Vision der Jugendkirche mit seinem Team entwickeln: „Eine junge Kirche für eine bessere Welt!“ Bewegt hat ihn das ihm entgegengebrachte Vertrauen, die persönlichen Geschichten und inneren Kämpfe der Jugendlichen. „Es war ein Privileg, Einblick in das Leben von Jugendlichen und deren Entwicklung zu bekommen.“ Alles, was sie in der Jugend lernen, lasse sich auf jeden Bereich ihres Lebens anwenden: Glaube, Leiterschaft und Gemeinschaft.
Einige Projekte habe er erfolgreich angestoßen. Zum Beispiel X-Change, ein Gottesdienst, der Jugendliche anspricht. Oder die Teen-Night. Nie hätte Reich gedacht, dass 100 Jugendliche kommen würden, zuletzt waren es 125. „In allem, was wir getan haben, wollten wir Spuren von der Liebe und der Präsenz Gottes hinterlassen.“ Jugendliche haben nach seiner Erfahrung die Sehnsucht, Teil einer Gemeinschaft zu sein, in der sie sein können, wie sie sind, und in der sie gesehen und wertgeschätzt werden. „Das zieht junge Menschen an. Sie spüren genau, wo es eine positive und wo es eine negative Atmosphäre gibt.“ Jugendliche hätten auch die Sehnsucht, aus dem System von digitalen Medien auszubrechen, eine gesunde Psyche und ein positives Umfeld zu haben. Sie hätten Fragen an das Leben, aber nur wenige gute Berater und Vorbilder, denen sie sie stellen könnten.
„Gott hat mich in den letzten sechs Jahren in Prozesse geführt, durch die ich im Glauben wachsen durfte.“ Er wünscht den Jugendlichen, dass sie mit dem, was sie sagen und tun, einen Unterschied in dieser Welt machen, dass andere Menschen dadurch in ihrer Beziehung zu Jesus und seiner Kirche wachsen. Kirche sei kein Gebäude, sondern ein Ort, an dem sich Menschen treffen, die an Jesus glauben. Er habe Menschen kennengelernt, die ihn inspiriert hätten, die ihm ein ehrliches, liebevolles Feedback gegeben und Spuren in seinem Leben hinterlassen hätten: „Dank Euch, ich bin nicht mehr derselbe, als der ich gekommen bin.“
Die Gründe für seinen Weggang nach sechs, statt der geplanten zehn Jahre bringt er so auf den Punkt: In der Kirchengemeinde kann er nichts anderes als Jugendpastor werden. Zudem wollte die Familie lieber früher als später zurück nach Franken. Und es gab Konflikte mit Ältesten im Kirchengemeinderat. „Beide Seiten haben Fehler gemacht. Nach dem letzten Konflikt habe ich gemerkt, dass es Zeit ist, zu gehen. Diese Zeit ist im September 2025 gekommen.“
Seine Zukunft ist eine Stelle als leitender Pastor in Gunzenhausen, einer Landeskirchlichen Gemeinschaft im fränkischen Seenland. „Eine Verantwortung, vor der ich bisher immer weggelaufen bin“, gesteht Reich. Er möchte in seiner neuen Kirchengemeinde sein beim Ringerverein KSV Gottmadingen angestoßenes Projekt neu beleben: Den Glauben an Jesus und den Kampfsport vereinen. Der Fokus liege auf seinem Hobby, dem Ringen, hinzu kommen Führung von Teams und der Glaube. „Der Abschied wird für meine Familie und mich schmerzlich, wir mögen die Menschen hier sehr. Aber im kommenden Jahr kehre ich ins Wutachtal zurück. Ein Paar trat mit einer ganz besonderen Bitte an mich heran – nun darf ich ihre Trauung gestalten.“