Herr Leiss, gestern haben Sie auf eine Demo in Freiburg verzichtet. Damit die Leute zur großen Demo nach Berlin fahren können, oder gab’s Ärger mit den Schulen wegen des Schwänzens?
Natürlich gab’s Probleme mit den Schulen. Schwänzen ist ja nicht erlaubt. Manche Schüler haben Strafen bekommen. Trotzdem ist das eher positiv für uns, weil so für mehr Aufmerksamkeit gesorgt wird. Durch die Strafen waren wir jetzt schon viel häufiger in der Zeitung. Bei einigen Schulen waren die Strafen mit dem Thema verbunden – Klimawandel und Kohleausstieg. Auf diese Weise haben sich die Schüler sogar mehr damit beschäftigt. Manche mussten fünf Seiten Aufsatz zum Thema schreiben.
Nicht schlecht. Ist das der eigentliche Grund dafür, dass die Demos meistens während der Schulzeit stattfinden? Dass dadurch mehr Aufmerksamkeit erzeugt wird.
Genau das ist der Grund.
Was wollen Sie ganz konkret erreichen?
Heute zum Beispiel tagt die Kohlekommission in Berlin. Die wollen heute über das Ende der Kohle entscheiden. Ihr Plan ist, 2030 aus der Kohle auszusteigen, aber das wäre viel zu spät. Laut Wissenschaft haben wir noch zwölf Jahre, um noch irgendetwas ändern zu können am Klimawandel. Deshalb sind wir für den Sofortausstieg aus der Kohle.
Fridays for Future hat es geschafft, unheimlich viele junge Leute europaweit zu mobilisieren. Dabei wird Ihrer Generation ja immer wieder vorgeworfen, gar nicht politisch interessiert zu sein. Warum ist das beim Thema Klimawandel anders?
Einige Schüler haben tatsächlich Angst – auch um die Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder. Es heißt, wir seien die letzte Generation, die noch etwas ändern kann. Wir wollen einfach zeigen, dass wir eine andere Zukunft wollen.
Wir schätzen Sie Ihre Aussichten auf Erfolg ein?
Wir haben es sogar schon geschafft, dass Vertreter von Fridays for Future an der Tagung der Kohlekommission teilnehmen und auch ein bisschen mitreden können. Und in Freiburg hat der Oberbürgermeister auf uns reagiert, der neue Klimaziele für Freiburg setzen will.
Sie haben in Freiburg die bislang größten Fridays-for-Future-Demos mitorganisiert. Sind Sie da auch ein bisschen stolz drauf?
Ja, klar. Das ist schon eine krasse Sache, wenn so viele Leute kommen: Wir hatten letzte Woche so zwischen 800 und 1000 erwartet, und es kamen nach unseren Zählungen 5000.
Wie haben Sie das organisiert?
Über Social Media. Wir sind mit einer WhatsApp-Gruppe gestartet, haben einen Link erstellt und den über alle Freunde und Gruppen verbreitet. Und so wurde der Link an jede Schule in fast jede Klassengruppe verschickt und hat jeden Schüler erreicht in Freiburg und Umgebung, bis in den Schwarzwald und nach Lörrach runter.
Wie lange soll das noch so weitergehen?
In Freiburg wollen wir nicht jeden Freitag demonstrieren. Wir sind am überlegen, ob wir alle zwei Monate etwas machen – und eventuell auch außerhalb der Schulzeit. Für den 15. März ist auf jeden Fall ein weltweiter Klimastreik geplant.
FRAGEN: ANGELIKA WOHLFROM
Zur Person
Tariel Leiss ist 18 Jahre alt und besucht die Freie Waldorfschule St. Georgen in Freiburg. In seiner Freizeit fotografiert und filmt er und betreibt Laufsport. Zurzeit ist er viel mit Fridays-for-Future beschäftigt. (rom)