Hier drinnen ist der Morgenhimmel glutrot. Der Schlafsack raschelt leise, die Matte knarzt beim letzten Umdrehen kurz vor dem Wachwerden. Ein Lauschen nach draußen – doch die Welt schläft noch, während die Vögel sich draußen längst zwitschernd ins Wort fallen. Ganz in der Nähe zersägt ein lautes Schnarchen des Zeltnachbarn die Stille. Sirrend gleitet das Fliegengitter zur Seite und gibt die Sicht frei auf die Sträucher, die Wiese und den Fluss. Vor dem Zelt bietet sich ein paradiesisches Bild: die Loire im ersten Sonnenlicht. Gibt es etwas Schöneres?

Dieses Aufwachen gehört zum weltbesten Urlaub. Anders als zu Hause, wo Mauern und Rollläden Licht und Geräusche filtern und abschirmen, ist man hier nur einen hauchdünnen Stoff und einen Reißverschluss weit von der Natur entfernt, dem Himmel und der Erde so nah. Doch schon hier scheiden sich die Geister: Freunde verdrehen bei der Vorstellung des Auf-dem-Boden-Schlafens die Augen. Unvorstellbar, so hart und unbequem! Wie kannst du nur? So was tue ich mir im Urlaub nicht an! Da wache ich doch lieber im weichen Hotelbett mit Balkon und schöner Aussicht auf.

Aber das ist alles gar kein Problem – aufblasbare, mehrere Zentimeter dicke Matten machen das Nachtlager zu einem komfortablen Bett, an das man sich schon nach der ersten Nacht gewöhnt hat und das man nicht mehr missen möchte. Die aufblasbaren Dinger lassen sich sehr klein zusammenrollen, wenn es einige Tage später weitergeht.

Auch wenn Zelten für manche das Letzte ist, so ist man damit doch auf ganz alten Spuren unterwegs, wenn auch, im Vergleich zu damals, mit äußerst moderner Technik und ebensolchen Materialien. Denn erste Hinweise auf Zelte finden sich schon vor 40.000 Jahren. Später schliefen Nomaden darin. Mongolen, Kirgisen und Kasachen wohnten im 16. Jahrhundert in runden Jurten aus einem Holzgestänge, das sie mit Filz oder Baumwolle belegten. Früher trugen Kamele die Lasten. Heute sind es Geländewagen – so wie bei uns teils auch.

Beim Urlaub 2025 in Frankreich: Draußen zu kochen ist immer wieder ein Erlebnis.
Beim Urlaub 2025 in Frankreich: Draußen zu kochen ist immer wieder ein Erlebnis. | Bild: Hofmann, Birgit

Zelten ist die wildeste Art zu verreisen – und ein Abenteuer. Übernachtet man in Norwegen auf dem einsamen Sognefjäll, wo man, wie in Skandinavien üblich, sein Zelt überall aufschlagen darf, dann weiß man, was einem im Alltag fehlt: Staunend steht man in dieser atemberaubend schönen Natur. Schon fahren die Freunde wieder dazwischen:

Und was ist, wenn man nachts auf die Toilette muss? Tja, das ist in der Tat schlecht, aber nur auf den ersten Blick. Wohnmobilisten und Wohnwagen-Besitzer nehmen dafür das kleine Kabuff im Inneren ihrer Wagen, das gibt‘s im Zelt natürlich nicht. Doch der lästige Weg zu den Sanitäranlagen wird spätestens dann zum Erlebnis, wenn der Mond den Weg erhellt und Myriaden von Sternen leuchten.

Das Zelt, meist ein handlicher Sack mit einem Pack Heringe und Stangen, passt selbst ins kleinste Auto oder aufs Fahrrad. Überhaupt, der Platz in diesem kleinen Haus auf Zeit ist so überschaubar, dass man vor der Abfahrt gar nicht erst auf die Idee kommt, irgendwelche überflüssigen Dinge einzupacken. Man reist reduziert, nimmt nur das Nötigste mit, das, was man braucht und einem wichtig ist. Nach den Ferien steht man zu Hause vor dem gefüllten Kleiderschrank und fragt sich, wozu um Himmels willen man so viele Sachen braucht.

Die Tür des Wohnmobils auf der anderen Seite des kleinen Wegs öffnet sich. Heraus steigt ein Familienvater, verschlafen und zerknittert in Shorts. Hinter ihm drängen die Kinder nach draußen und stürzen zu der Plastiklandschaft aus Spielzeug und verstreut herumliegenden Bobby-Cars, Rollern und Fahrrädern. Das heimische Kinderzimmer mit Plüschtieren und Plastikspielzeug sowie der gesamte Fuhrpark scheinen sich hier auf der Wiese des Campingplatzes auszubreiten.

Wohnmobile sind Häuser auf Rädern, in die der ganze Hausrat passt, mit ausladenden Wäscheständern in abenteuerlichen Konstruktionen, Tisch und Stühlen mit hohen Lehnen für die ganze Familie, Grill, Sonnenschirm. Manche Wohnmobile gleichen Ungetümen, die ganze Autos in ihrem Bauch verschlucken. Hat man das Pech, neben ihnen zelten zu müssen, weil sonst nirgends Platz ist, wird die Aussicht am Morgen böse getrübt durch eine meterhohe Wand.

Wer zeltet, lässt sich auf Einfachheit ein. Wie wunderbar rasch dieses Reich aufgebaut ist! Außen- und Innenzelt hängen zusammen, sodass alles im Nu und trocken steht. Noch ein paar Heringe in den Boden – hier kann man gleich die Sohlen seiner Schuhe auf Festigkeit testen, mit denen man sie in die Erde rammt. Wer sichergehen will, dass man die Dinger auch in den härtesten Untergrund bekommt, packt einen Hammer ein.

Die Kinder helfen mit

Baut man ein Hauszelt mit mehreren Schlafkabinen auf, in dem die ganze Familie Platz findet, ist man zwar länger beschäftigt. Doch das ist das Schöne. Die Kinder helfen mit, schleppen Gummihammer herbei und versuchen selbst, die Heringe in den Boden zu klopfen. Sie lieben das Zelten. Schon morgens krabbeln sie an den schlafenden Eltern vorbei ins Freie, um draußen zu spielen. Mit den Knirpsen aus der Nachbarschaft schließen sie rasch Freundschaft und heizen mit Rollern und Fahrrädern über den Platz. Sie verstehen sich – selbst, wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen.

Auch Erwachsene haben beim Campen schnell Kontakt – fast nirgends trifft man so viele verschiedene Menschen wie beim Zelten. Da sind die jungen Leute, die im winzigen Wurf-Zelt nächtigen, die Backpacker, die monatelang unterwegs sind und irgendwo aus Europa kommen oder Radfahrer, die ihre ganze Ausrüstung auf den zwei Rädern verstauen, wenn sie am nächsten Morgen weiterziehen.

Beim Zelten wird selbst das lästige Spülen zum Erlebnis. Die einfachen Gerichte, für die man nicht viel braucht, machen den Abwasch zur kurzweiligen Beschäftigung, weil man im Null-Komma-Nix fertig ist und meist nette Spülbekanntschaften macht. Auf vielen Campingplätzen stehen die Waschbecken im Freien.

Die Kinder helfen hier lieber mit und marschieren allein mit Schüssel und Geschirr zum Abspülen. Am Boden sitzend das Obst für den Nachtisch zu schnippeln, macht ihnen viel mehr Spaß. Sie lernen, sich auch beim Spielen mit wenig zu behelfen. Beim Zelten sind Steine und angeschwemmtes Holz ihre Spielsachen. Urlaub ist so einfach.

Nirgends duftet der Kaffee besser

Es gibt kaum etwas Schöneres, als draußen zu kochen. Nirgends duftet der Kaffee besser als vor dem Zelt. Mit der Tasse in der Hand spaziert man zum Fluss, watet das erste Mal durchs lauwarme Wasser am Ufer. Mag man zu Hause über manchem Gebräu in Cafés die Nase rümpfen, hier draußen ist selbst löslicher Kaffee ein Erlebnis. Und erst die Spiegeleier zum Frühstück, der frische Fisch oder einfach die Spaghetti mit Tomatensoße, die so viel besser schmecken – ähnlich wie die Schokolade und das Vesperbrot beim Skifahren oder beim Wandern. Im Freien schmeckt alles besser.

Sogleich kommt wieder der Einwand der Freunde: Und was ist mit Regen? Ist natürlich erst mal suboptimal. Ziemlich ätzend ist es, das Zelt im strömenden Regen aufzubauen. Aber wer absieht, dass sich die dicke Gewitterwolke demnächst verzieht und in der Nähe schon ein blaues Loch zwischen den Wolken entdeckt, kann erst mal im kleinen Café am Platz einkehren und das Zelt später aufstellen.

Steht die kleine Hütte dann, lässt sich auch dort der Regen genießen. Wie gemütlich ist es, von drinnen im Trockenen die Tropfen prasseln zu hören, während man sich die Zeit mit Kartenspielen, Lesen oder Essen vertreibt. Abends sind diese Geräusche das Letzte, was man hört, ehe man in einen tiefen, traumlosen Schlaf sinkt – einem neuen Morgen in Freiheit entgegen.