Wenn es dunkel wird, leuchten die Glühwürmchen, ein spät zurückkehrender Mähdrescher ist der einzige Straßenlärm, sonst sind nur die Bullen im nahe gelegenen Stall zu hören. Eine Nacht auf dem Biohof von Sonja Teufel bei Küssaberg am Hochrhein ist Erholung für die Ohren – und damit genau das, was sich viele Camper wünschen und was sie auf ausgebuchten Campingplätzen meist vergeblich suchen.
Einfach, naturnah, günstig
One-Night-Camp nennt sich das Konzept, bei dem auch Familie Teufel seit zwei Jahren mitmacht. Neben ihrem Aussiedlerhof haben die Teufels eine Wiese angelegt, auf der man im Zelt oder Wohnmobil übernachten kann. Es gibt Wasser aus dem Wasserschlauch, Strom ist vorhanden und bei Bedarf stellt Sonja Teufel auch eine mobile Toilette bereit.
Eier, Fleisch, Käse und Nudeln kann man in ihrem Hofladen erstehen. Ansonsten gibt es für Urlauber angenehm wenig. One-Night-Camps wie das der Teufels befinden sich an Bauernhöfen, auf der Weide, im Garten von Privatleuten oder direkt am Waldbach. Sie sind einfach, naturnah, günstig – und damit ziemlich nahe am Wildcampen, nur eben legal. Maximal drei Parteien sollen in den One-Night-Camps zur gleichen Zeit unterkommen. So sieht es das Konzept vor, das sich die Tourismus-Abteilung im Landratsamt Waldshut vor ein paar Jahren hat einfallen lassen.
Idee aus der Corona-Zeit
Während der Pandemie kam Leiterin Corinna Steinkopf und ihrem Team die Idee, den vielen Wildcampern eine Alternative zu bieten: 2022 startete man mit 90 Gastgebern am Hochrhein und im Hotzenwald, inzwischen sind es über 100 im Kreis Waldshut. Das Konzept wurde von der Schwarzwald-Tourismus GmbH auf den gesamten Schwarzwald ausgerollt, die Vermarktung läuft unter anderem über die App von Nomady.
Das Besondere daran: Steinkopf und Kollegen beraten die angehenden Gastgeber intensiv – über Kurtaxe, Forstrecht, Naturschutz oder Reiserecht. „Die Gastgeber haben uns als Ansprechpartner“, sagt Steinkopf. Die Anträge werden gesammelt und mit den zuständigen Fachämtern abgeklärt – und das für alle 32 Gemeinden im Landkreis.
Anbieter werden vom Tourismusamt unterstützt
Welche Hürden haben Gastgeber zu nehmen? Geht es um einen Zeltplatz, müssen vor allem die Naturschutz-Voraussetzungen stimmen. Wird ein Platz zum Reisemobilstellplatz, muss dagegen ein Bauantrag zur Nutzungsänderung gestellt werden. Befindet sich der Platz im Wald, kommt das Forstamt ins Spiel. Durch alle bürokratischen Anforderungen werden die Anbieter vom Tourismusamt geschleust.
Einen Idylle-Check nehmen die Mitarbeiter nicht vor. Eher wird geschaut, ob der Platz in der Nähe eines Fernwander- oder eines Radwegs liegt und damit vor allem für Zelte geeignet wäre. Für einen Wohnmobil-Stellplatz bietet sich auch ein nicht genutzter Parkplatz an. Für Reisemobile rechnen die Tourismus-Experten mit 40 Quadratmetern, für ein Zelt braucht es mindestens zehn Quadratmeter Wiese.
Den Preis legen die Gastgeber selbst fest. Er liegt zwischen zehn und 15 Euro. Auch Kurtaxe wird je nach Ort fällig. Reich werden die Gastgeber nicht. Sonja Teufel lacht, als sie darauf angesprochen wird. „Nee, eher im Gegenteil.“ Gerade sind sie dabei, eine Hütte für Strom und Wasseranschluss zu bauen. Aufwand, der sich erstmal nicht rechnet.
Die 52-Jährige macht es, weil sie gerne Gäste hat und sich freut, wenn sie „den Leuten das Landleben ein bisschen näherbringen“ kann. „Dass Land nicht nur stinkt“, sagt die Bäuerin, die als einziges Familienmitglied hauptberuflich auf dem Hof mit 20 Mutterkühen, 750 Legehennen sowie einigen Schafen und Ziegen schafft. Ehemann, Sohn und Tochter helfen nach Feierabend.
„Man hat so schöne Gespräche“
Teufel vermarktet ihre Stellplatzwiese auch über die App Landvergnügen. Darüber sind die beiden österreichischen Paare auf ihren Hof gestoßen, die gerade hier übernachtet haben und zum Frühstück die frischen Eier der Teufels genießen. Die bezahlen 70 Euro pro Jahr für die Mitgliedschaft bei Landvergnügen.
Der Deal mit den Gastgebern besteht darin, dass von den Gästen erwartet wird, im Hofladen einzukaufen oder freiwillig Geld ins Kässchen zu werfen. Von One-Night-Camp-Gästen verlangt Sonja Teufel ab 13 Euro. Auf ein paar hundert Euro komme sie damit im Jahr. Aber die begeisterten Einträge im Gästebuch ihres Hofladens machen ihr viel Freude. „Man hat so schöne Gespräche“, sagt sie.

Auch bei Simone Weiß überwiegt der Idealismus bei weitem. Die 61-Jährige lebt mit ihrem Mann in Görwihl. Hauptberuflich arbeitet sie als Krankenschwester, nebenbei betreiben die beiden eine kleine Landwirtschaft. Ihre beiden One-Night-Camps bieten sie vor allem deshalb an, weil Simone Weiß selbst am liebsten auf diese Weise verreist: „In Deutschland kriegt man immer Ärger, wenn man so übernachtet.“
Weil die Natur ihrer Meinung nach allen gehört, stellt sie auch ihre Lieblingsstelle für Zeltgäste zur Verfügung: eine Lichtung am Schildbach haben sie und ihr Mann mit Sitzgelegenheiten, einem kleinen Brückchen und Lagerfeuerstelle ausgestattet, das Holz steht ebenfalls bereit.
Alle nehmen den Müll wieder mit
Bislang hätten sie nur positive Erfahrungen damit gemacht. Alle benahmen sich anständig und nahmen ihren Müll wieder mit. Nicht immer trifft Simone Weiß die Gäste persönlich. Wenn, dann seien das immer wieder interessante Begegnungen, meint sie. Der Aufwand ist überschaubar: Sie sorgen fürs Holz und mähen die Wiese. Der Ertrag allerdings auch: Von den 13 Euro, die pro Zeltplatz über Nomady eingezahlt werden, landen 11,20 Euro bei ihr.
Überraschung am zweiten Camping-Platz
Obwohl sie später noch zur Arbeit muss, will sie der SÜDKURIER-Redakteurin auch noch ihr zweites Camp zeigen. Das liegt mitten im Wald, am wildromantisch plätschernden Höllbach und damit am Fernwanderweg Albsteig. Vor allem Wanderer finden hier ein hübsch zurechtgemachtes Plätzchen entlang ihres Wegs.
Eigentlich, heißt das. Denn als wir dort ankommen, ist von den beiden Zeltplätzen kaum mehr etwas zu erkennen. Das jüngste Gewitter hat hier einen großen Baum zu Fall gebracht, der genau zwischen den beiden Plätzen runtergekommen ist.

Man mag sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn hier Menschen gecampt hätten. Simone Weiss ist der Schrecken anzumerken. Klar, im Wald, zumal in diesem steilen Gelände, kann keiner garantieren, dass Bäume nicht umfallen. Was wäre wenn – wäre sie im Zweifelsfall überhaupt versichert? Die 61-Jährige muss zu Hause nachschauen. Ja, das wäre sie. Wanderer, die dort ihr Zelt aufschlagen, will sie künftig vor Unwettern warnen. Vorher aber werden Mann und Sohn erst mal den Baum zerlegen und wegschaffen.
Waldtypische Gefahren gehören zum Risiko
Was sagt Corinna Steinkopf dazu? „Natürlich sollte der Gastgeber das Wetter im Blick haben und bei Unwetter die Gäste lieber bei sich auf dem Sofa übernachten lassen.“ Jeder Waldbesitzer sei für seine Bäume verantwortlich und müsse sie auf Standfestigkeit kontrollieren. Waldtypische Gefahren gehen Besucher zwar auf eigenes Risiko ein, bei einer Übernachtungsstelle aber sei auch der Gastgeber in der Verantwortung. „Wir weisen die Gastgeber darauf hin“, sagt sie – und passiert sei noch nie etwas.