Lieber Herr Weimer,

es kann sein, dass wir uns auf dem Kasernenhof im hessischen Stadtallendorf 1984 mal begegnet sind. Sie waren dort bei der Artillerie und sind im Grunde dabeigeblieben. Denn es vergeht kein Tag, an dem Sie nicht neue Granaten raushauen. Damit heben Sie sich ab von Ihrer grünen Vorgängerin Claudia Roth, die ständig im Skandalmorast waten und in Defensive machen musste.

Jetzt rollt Ihr Offensivgeist über die Republik. Sie haben kein Parteibuch, aber Ihr Standort ist klar, und Sie haben einen mächtigen Freund. Kein Blatt Papier passt zwischen Sie und Friedrich Merz, der Ihnen das Amt verschafft hat. Mit ihm sind Sie sich sicher einig, dass alle, die für Sie grünliche Kulturfabrikler und Fördergelderfresser sind, selbst zusehen müssen, wo sie jetzt bleiben.

US-Digitalkonzerne zur Kasse bitten? Leider wird daraus nichts

Dass Sie da eine andere Linie fahren würden, war aber stets klar. Sie sind bei der FAZ im Ressort Wirtschaft und bei der Welt groß geworden und daher näher an der Macht des Geldes und der Industrie. Vielleicht können Sie gerade deshalb mehr Gewicht in die Waagschale legen, wenn Sie US-Digitalkraken wie Google zur Kasse bitten und Netflix zu Investitionen in Europa treiben wollen. Da haben Sie meinen vollen Applaus, auch wenn jetzt schon klar ist: Daraus wird nichts. Die Angst vor Trumps Zollhammer ist zu groß.

Dennoch prima, dass Sie den „Digital-Soli“ erfunden haben, weil die Ministerin, die sich das eigentlich ausdenken müsste, nämlich Katherina Reiche, lieber Gaskraftwerke bauen will und die Energiewende schlechtredet. Da ist der Medienwirtschaftler Weimer eine gute Ergänzung am Kabinettstisch.

Die Sprachentwicklung werden Sie nicht bremsen

Auch in der Sprache verstehen Sie sich als Korrektor und greifen ein. Gendern mit Binnen-I und Sternchen soll es in Ihrer Behörde nicht geben. Das ist okay, wenn auch nicht ganz neu, die deutschkundigen Bayern hatten das Feld schon besetzt. Wenn Sie und Freund Friedrich aber meinen, als Gender-Killer Wähler von der AfD wegholen zu können, sage ich nur: Vergesst es.

Zudem müssten Sie als gelernter Journalist wissen, dass Sprache der Veränderung unterliegt. Das Untergraben des generischen Maskulinums wie auch die in typisch deutscher Strenge durchgezogenen Doppelnennungen wie „Soldatinnen und Soldaten“ werden Sie nicht verhindern oder bremsen. Letztendlich ist das eher eine Geschmacksfrage, da lohnen große Schlachten nicht.

Dass Sie sich in einer Zeit des wachsenden Antisemitismus um ein Gedenkstättenkonzept kümmern wollen, verdient Lob. Es könnte zu Ihrem neuen großen Ding werden und Sie von Ihrem kulturpessimistischen Geschimpfe wegbringen. Europa sei „vitale Kraft“ verloren gegangen, haben Sie mal geschrieben. Wer will so was lesen? Wir müssen Zukunft gestalten und nicht vermeintlich heroischen Zeiten hinterher trauern! Wir sind beide aus Hessen und haben am selben Ort gedient. Vielleicht sollten wir uns einfach mal treffen.