Wenn in den Sommerferien die Region zwischen Schwarzwald und Bodensee zum Urlaubsland wird und sich alle Einwohner von Baden-Württemberg dort einfinden, muss man höllisch aufpassen, wenn man unterwegs ist. Es drohen auf Straßen und Radwegen alle möglichen Unfallgefahren durch ortsunkundige, orientierungslose oder ungeübte Verkehrsteilnehmer. Da ist es besser, als Autofahrer den Fuß in der Nähe des Bremspedals zu haben und auch als Zweiradfahrer jederzeit reaktionsschnell zu sein.
Geht es nicht auch langsamer?
Die Ferienzeit ist auch deshalb fordernd, weil man es als Einheimischer meist eilig hat, während Urlauber träumerisch unterwegs sind und je nach Lage nicht sofort überholt werden können. Aber das hat auch wieder sein Gutes. Man gewinnt etwas Distanz zum eigenen Tempo und fragt sich: Ist Geschwindigkeit eigentlich alles im Leben? Geht es nicht auch ein wenig langsamer und entspannter – so dass man als Ansässiger an Bodensee und Feldberg praktischerweise selbst von Urlaubsgefühlen übermannt wird.
Wenn man sich unsere Gier nach Tempo bewusst machen will, muss man an die Postkutschenzeit zurückdenken. Die damalige Langsamkeit hat für uns heute etwas Faszinierendes. Was mögen die Leute in der Kutsche gemacht haben, wenn die Landschaft fast im Schritttempo an ihnen vorbeizog? Handy? Gabs nicht. Radio? Noch nicht erfunden. Zeitungen und Bücher? Schwierig, da Gewackel beim Fahren und oft nur schummriges Licht.
Denken statt scrollen
Dafür haben sich die Leute miteinander unterhalten, während heute jeder aufs Smartphone starrt, oder sie haben aus dem Fenster geschaut und mal leichte, mal schwerere Gedanken gewälzt. Wir wissen ja, dass in der Romantik jeder unglücklich verliebt war, und da denkt man viel nach.
Vermutlich ist der deutsche Idealismus in der Postkutsche erfunden worden. Wenn Fichte, Herder, Goethe oder Schiller irgendwohin wollten – und sie reisten ja nicht selten! – dann ging das nur pferdebespannt. Das ließ Zeit für tiefgründige gedankliche Volten, die uns heute so gar nicht mehr in den Sinn kommen, weil wir von Ort zu Ort rasen.
Pferdekutsche statt Staatskarosse
Daher wäre es sinnvoll, dem neuen Verkehrsminister Patrick Schnieder – von dem außer dem Rauswurf des Bahnchefs bisher nichts zu hören war – eine Aufgabe zu geben und auf den Straßen in und um Berlin mehr Kutschen fahren zu lassen. Darin könnten Politiker und Kabinettsmitglieder über sinnvolle Politik nachdenken, anstatt sich in Staatskarossen herumfahren zu lassen oder auf einem E-Bike zu sitzen.
Für Friedrich Merz wäre es dann leicht, die CSU rechtzeitig über seinen Israelwaffen-Schwenk zu informieren und die 100-Tage-Koalition auf seinen „Politikwechsel“ einzuschwören, von dem man bei der SPD noch gar nichts weiß. Wie kann es sein, dass die Genossen bisher nicht erfahren haben, dass sie große Reformen anpacken sollen?
Spahn kann sogar Luft sehen
Jens Spahn, immerhin ein Netzwerker in Ausbildung, hat dafür eine Erklärung. Sie heißt: Bei der Kommunikation sehe er noch Luft nach oben. Die Fähigkeit, Luft nicht nur zu riechen, sondern auch zu sehen, hat nicht jeder. Vielleicht ist Spahn der Evolution weit voraus, oder er hat seine Kunst hinter der Maske insgeheim erlernt. Jedenfalls ist es seine Pflicht, den Bürgern zu erklären, wie man Luft sieht – vor allem wenn sie heiß ist und Verletzungsgefahr besteht.