Als am Sonntag eine Lawine durch Balderschwang im Allgäu rollte, lag Jan Böttcher wenige Meter entfernt im Bett. Der Familienvater aus Singen war mit seinen Kindern für einen Ski- und Snowboardkurs des Skiclubs Singen in dem beliebten Wintersportort im Oberallgäu.

Und während der Skiclub wegen der Wetterprognose das Programm für Sonntag absagte, blieb Böttcher noch eine Nacht länger. Dadurch zählte er zu den rund 1300 Menschen, die nach der Lawine in Balderschwang festsaßen.
Zufahrt war komplett gesperrt
Die Zufahrt zu der Gemeinde war gesperrt, erst am Montag konnten Autos mit Schneeketten die Heimreise antreten – vorneweg ein Schneeräumer, hinterher ein Feuerwehrauto. Jan Böttcher gehörte zu den ersten, die in einer Auto-Kolonne heimfuhren, wie er dem SÜDKURIER berichtet.
Abwarten und Kaffee trinken
„Man entschleunigt“, sagt Jan Böttcher über die ungewohnte Situation in Balderschwang. Er habe am Sonntag entscheiden wollen, ob sie nochmal Ski fahren können oder wetterbedingt heimfahren müssen. Nach der Lawine sei aber rasch klar gewesen, dass er erst mal festsitzt. Böttcher nahm die nicht zu ändernde Situation mit Humor: Während seine Kinder im Schnee getobt hätten, habe er mit einer Tasse Kaffee abgewartet. „Die Gastgeber sind darauf eingestellt“, sagt Böttcher. Daher sei es kein Problem gewesen, eine Nacht länger zu bleiben.
Auto regelmäßig von Schnee befreit
Teilweise hätten die umliegenden Hotels andere Gäste aufgenommen, deren Hotel von der Lawine getroffen wurde oder wegen drohender Lawinen geräumt wurde. Regelmäßig habe er das Auto von Schnee befreit, sodass sie zügig hätten fahren können, sagt der Singener. Als er Montagmorgen hörte, dass ab 9.30 Uhr die erste Kolonne aus dem Ort fahren könne, habe er rasch das Auto gepackt und Schneeketten angelegt.
„Ich war im ersten Konvoi“, sagt der Familienvater. Mit zehn bis 15 anderen Autos sei er in den nächsten Ort gefahren und von dort aus heim nach Singen. „Es ging schneller, als ich gedacht habe“, sagt der Familienvater. Seine Frau habe die Schule der Kinder informiert, er selbst ist selbstständig und gab kurz im Büro Bescheid.
Am Samstag geht’s wieder hin
Eigentlich hätten noch viel mehr Menschen aus der Region dort sein sollen. Seit über 40 Jahren gibt der Skiclub Singen dort Ski- und Snowboardkurse, zwei Termine waren am Wochenende. „Wenn es in Balderschwang schneit, dann richtig“, sagt der Vereinsvorsitzende Gregor Leitz aus Erfahrung. Die rund zwei Stunden entfernte Region werde auch als „bayrisch Sibirien“ bezeichnet. Bereits am Freitag sei eine Lawine gesprengt und somit entschärft worden. „Als es kurz vor 15 Uhr zwei Sprengladungen gab, war die Gefahr für den Samstag gebannt“, sagt Leitz.
Weil mit den 180 Teilnehmern häufig auch Familienmitglieder anreisen, waren sie mit rund 300 Menschen in Balderschwang und fanden ideale Bedingungen vor, berichtet der Vereinsvorsitzende. Doch weil für Sonntag eine Kombination aus Wind, Schnee und Regen vorhergesagt war, sagten sie den zweiten Kurstag ab. Nicht wegen Lawinengefahr, sondern weil wegen des Windes voraussichtlich zu wenige Sessellifte hätten betrieben werden können, wie Leitz erklärt.
Für Jan Böttcher und den Skiclub Singen steht aber bereits jetzt schon fest: „Wir fahren definitiv am Samstag wieder hin, wenn das Wetter und die Straßenverhältnisse es zu lassen“, sagt Gregor Leitz. Er hofft, dass die Lawinengefahr dann nicht mehr gegeben ist.
Kurz nach 5 Uhr krachte es
- Gewaltiger Schaden: Kurz nach 5 Uhr morgens hat am Montag ein etwa 200 Meter breites Schneebrett das Hotel Hubertus in Balderschwang im Allgäu getroffen und unter anderem den Wellnessbereich zerstört. Schnee drang auch in einige Gästezimmer ein. Zum Glück gab es keine Verletzen. Ein Mensch erlitt einen Schwächeanfall und musste ärztlich versorgt werden.
- Wellness-Bereich war bereits gesperrt: Ein Knall, ein Zischen und eine kleine Druckwelle, so beschreiben Elke Mayer und Johannes Lohmeier den Lawinenabgang. Die Lawine sei sogar bis in den Pool und den Wellnessbereich gelangt, berichtet Lohmeier. Der hangseitig gelegene Wellnessbereich sei aber schon am Vortag gesperrt worden. Eben das hatte die Lawinenkommission bereits am Sonntag veranlasst, weil ihnen die Situation an dem Hang Sorge machte.
- Risiko war bekannt: Der stellvertretende Leiter der Lawinenwarnzentrale Bayern, Thomas Feistl, berichtete, das Hotel sei bereits in den 1950er Jahren von einer Lawine erfasst worden. Danach seien der Schutzwald aufgeforstet und Lawinenverbauungen errichtet worden. „Die Lawinengefährdung wurde nie komplett ausgeräumt. Es bestand immer ein gewisses Risiko, dass eine Lawine das Hotel trifft“, sagt der Leiter der Lawinenwarnzentrale.