Sie werden nie oder erst nach Jahrzehnten aufgeklärt und bleiben im kollektiven Gedächtnis haften: Ungelöste Kriminalfälle elektrisieren die Öffentlichkeit immer wieder. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Fälle handelt, die international für Aufmerksamkeit sorgten, wie etwa der Fall der 2007 verschwundenen Maddie McCann aus Großbritannien oder ungelöste Vermisstenfälle aus der Region. All diese teils mysteriös anmutenden Vermisstenfälle haben sich in das Gedächtnis vieler Menschen eingebrannt.
Ungelöste Fälle in der Region
Unvergessen bleibt etwa der Fall Joachim Bruckauf. Er spielt im Tengener Ortsteil Blumenfeld im Hegau. Der damals 17-Jährige verließ am Abend des 23. Oktober 1984 das Haus seiner Oma und wurde seitdem nie wieder gesehen. Seine Verwandten sind der Überzeugung, dass ihm etwas zugestoßen ist.

Auch der Mordfall Dieter Huber von 1986 ist bis heute nicht geklärt. Der damals 29-jährige Lehrer wurde tot an der Autobahnausfahrt Engen, nur wenige Meter von seinem weißen Golf entfernt ,gefunden. Vor seinem Tod wurde er laut damaligen Angaben der Polizei bestialisch gequält.
Mörder bis heute nicht ermittelt
Bis heute konnte der Mörder von Dieter Huber nicht ermittelt werden. Sein Fall wurde sogar in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ behandelt – ohne Erfolg. Neu aufgerollt wurde der Fall 2001. Damals entdeckte man einen Diebstahl in der Asservatenkammer der Staatsanwaltschaft Konstanz. Daraus wurden Beweisstücke im Mordfall des aus Sindelfingen stammenden Dieter Huber gestohlen. Darauf hafteten mit hoher Wahrscheinlichkeit DNA-Spuren des Mörders. Die Ermittlungen wurden wieder eingestellt, jedoch 2013 erneut aufgenommen. Ausgang offen.

Ganz aktuell beherrscht die neu aufgerollte Suche nach der vor fast 43 Jahren verschwundenen Monika Frischholz regelmäßig die Schlagzeilen. Vor allem, wenn Kinder betroffen sind, reißen die Spekulationen um deren Verbleib nie ab – und die Hoffnung stirbt in solchen Fällen zuletzt.
Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen hat eine Datenbank eingerichtet, in der alle 900 ungelösten Tötungsdelikte im bevölkerungsreichsten Bundesland seit 1970 gespeichert sind.
Ungeklärte Fälle lassen die Öffentlichkeit nicht los
Darunter sind auch Mordversuche und besondere Vermisstenfälle – verschwundene Kinder etwa. Die unaufgeklärten Fälle machen zwar nur einen Bruchteil aller Fälle aus – aber es sind diese ungeklärten Fälle, die Fahnder und Öffentlichkeit nicht loslassen.
„Dass Verbrechen gesühnt werden müssen und Täter nicht davonkommen dürfen, ist eine uralte moralische Kategorie und trifft unser Gerechtigkeitsempfinden ins Mark“, sagt der Journalistik-Professor Klaus Meier von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Wieder aufgenommene Ermittlungen durch neue Kriminaltechnik
„Ein ungelöster Kriminalfall löst deshalb immer kollektives Unwohlsein und gemeinschaftliche Unruhe aus.“ Und es kommt immer wieder vor, dass eine neue heiße Spur doch noch einen „Cold Case“ aufklärt. Überall in Deutschland befassen sich inzwischen Sondereinheiten der Polizei mit alten, ungeklärten Fällen, weil neue Kriminaltechnik nach Jahrzehnten neue Erkenntnisse verspricht.
Verurteilung nach fast 20 Jahren nach der Tat
So wurde im vergangenen November in Hessen ein 42-Jähriger wegen Mordes an der kleinen Johanna zu lebenslanger Haft verurteilt – fast 20 Jahre nach der Tat. Er soll die Achtjährige im September 1999 in Ranstadt verschleppt und dann getötet haben. Jahrelang suchte die Polizei vergeblich nach dem Täter. Ermittlungen in einem Missbrauchsfall aus dem Jahr 2016 führten schließlich zur Festnahme des Mannes im Oktober 2017. Verfeinerte Analysemethoden von Fingerabdrücken halfen dabei, ihn zu überführen.
Soll auch Mord verjähren?
- Grundsatz seit 1979: Juristisch betrachtet ist es völlig unerheblich, ob ein Täter unmittelbar nach der Tat oder Jahrzehnte später überführt wird. „Mord verjährt nicht“ – dieser Grundsatz gilt in Deutschland seit 1979. Damals wurde das Strafgesetzbuch geändert, da Verbrechen aus der Nazi-Zeit sonst womöglich nicht mehr hätten geahndet werden können.
- Kritik an Nicht-Verjährung: Einige Juristen sehen die Regelung aber skeptisch. „Wir haben ja für schwere Straftaten lange Verjährungszeiten. Ob man da die Nichtverjährung für das Morddelikt auch heutzutage noch draufsetzen muss, scheint mir fraglich“, meint etwa Jürgen Möthrath, Präsident des Deutschen Strafverteidiger Verbands. Es sei zu überlegen, ob eine lange Verjährungsfrist ähnlich wie beim Totschlag ausreiche. Auch aus Opfersicht habe er Bedenken, ob es sinnvoll sei, wenn Angehörige Jahrzehnte nach einer Tat einen Prozess durchstehen müssen.
- Unverjährbarkeit überprüfen: Für den Passauer Rechtswissenschaftler Martin Asholt gibt es einige Punkte, die für eine Überprüfung der Unverjährbarkeit sprechen: Der Täter könnte sich in den vergangenen Jahren gebessert oder geändert haben. Inwiefern muss ein 60-Jähriger noch für die Taten als 18-Jähriger strafrechtlich geradestehen? Sind 20, 30 Jahre Angst vor der Enttarnung nicht bereits Strafe genug? Darüber könne man zumindest diskutieren. (dpa)