Das wird ein trübes Ostern dieses Jahr. Keine Gottesdienste, keine großen Osterkonzerte mit Chor und Orchester, keine Familientreffen und keine Spargel-Orgien mit unanständigen Mengen von Sauce Hollandaise. Das Einzige, was noch bleibt, ist, die Lieben abzutelefonieren, die Osternester und ein Strauß Narzissen als kleiner Trost für daheim.
Schon hat der Verband der Süßwarenhersteller geklagt, dass dieses Jahr die Absätze einzubrechen drohen. Weil: Der Deutsche kauft in der Corona-Krise zwar Schokolade, aber eher die normalen Tafeln, weniger die Osterhasen.
Nur der Hase hält alles aufrecht
Dieser Zustand kann so nicht bleiben! Wir müssen alle mithelfen. Denn: Nur der Hase hält jetzt noch das Fest in Gang. Wenn es schon kein Ostermenü mit den Lieben gibt, dann müssen wenigstens Osterhasen auf den Tisch. In meinem Fall ein lilafarbener Schmunzelhase, der ist Pflicht.
Wer aus Lörrach gebürtig ist, ist mit dem Schokoladenduft der Milka-Fabrik in den Straßen aufgewachsen und bekommt spätestens ab dem dritten Lebensjahr bis zur schriftlichen Abbestellung einen Schmunzelhasen zum Fest. Meine Mutter, 82, besteht bis heute darauf, ihrem Kind (mir, 53) einen lila Hasen zu kaufen.
Der Hase hat abgenommen
Interessant ist, wie die Hasen sich im Lauf der Jahre verändert haben. Die Schokolade ist zwar immer noch gut und hat einen Vanille-Touch, den es unter dem Jahr nicht gibt, aber die Hasen schrumpfen jedes Jahr. Letzthin fand ich ein Nuss-Exemplar, das von vor zwei Jahren liegen geblieben war. Es wog satte 100 Gramm. Der neue, den ich jüngst kaufte, hat abgenommen. Er wiegt nur noch 90 Gramm. Was ist los? Ist der Hase krank? Sorgt sich die Firma, dass wir alle an Ostern nicht zu viel zulegen?
Merkwürdig ist auch die seltsame Entwicklung der Sorten. Früher gab es Vollmilch oder Vollmilch, basta. Heute kann man wählen zwischen Zartbitter, mit Kuhflecken, Nuss oder Weiß (ganz schlimm). Von der obskuren Welt der Schoko-Eier nicht badischer Fremdfabrikate ganz zu schweigen. Unter Erdbeer-Rhabarber-Sahne oder Tiramisu-Nuss-Baileys ist keine Füllung mehr zu haben. Fehlen eigentlich nur noch Wunderkerzen dran.
Warum schmeckt Schokolade heute nach allem Möglichen?
Darf Schokolade nicht einfach nach Schokolade schmecken? Und sagen Sie nicht, dass Schoko-Osterhasen nur etwas für Kinder sind! Mitnichten! Auch Erwachsene erinnern sich an Ostern an selige Kinderzeiten, als man noch mit schokoverschmiertem Mund ins Bett durfte. Das würde heute der Zahnarzt des Vertrauens aus der Ferne bedrohlich winkend verhindern.
Und nun auch noch Corona. Bitter wird es dieses Jahr für alle Fans Schweizer Schokolade. Wer sich nicht rechtzeitig eingedeckt hat, muss verzichten. Denn es herrschen ein Einwanderungsverbot für Schweizer Schoko-Hasen und ein Auswanderungsverbot für uns.
Darf der Hase raus?
Was ist mit dem größeren Osterhasen, der Eier und Schokolade ausliefert, sozusagen das Pendant zum Weihnachtsmann? Darf dieser Hase überhaupt raus? Die Münchner Polizei antwortete einer Mutter, die eine entsprechende Frage ihres Sohnes weitergab, wie folgt: „Der Osterhase ist schlau und verbindet das Verstecken von Ostereiern mit der Bewegung an der frischen Luft. Diese ist weiterhin erlaubt.“ Zudem achte er natürlich auf den Mindestabstand von 1,50 Meter und wasche sich „vorher und im Anschluss seine Pfoten“.

Ein tapferes Tier! Das lässt sich nicht mal von unsichtbaren Viren unterkriegen. Der Osterhase ist der Asterix der Corona-Krise, wenn man so will. Klein, zäh, flink. Der braucht noch nicht mal einen Mundschutz. Viren? Pah! Da! Zack, hier eine Watschn für das Virus und zack, eine weitere. Was für Asterix die Römer sind, sind für den Hasen die Viren.
Die Kinder sorgen sich um ihn
Rührend ist, wie die Kinder sich um ihn sorgen. Im Osterpostamt in Ostereistedt (Adresse fürs nächste Jahr: Hanni Hase, Am Waldrand 12, 27404 Ostereistedt; kein Scherz!) treffen dieses Jahr viele Briefe von Kindern ein, die auch dem tapferen Hasen Gesundheit wünschen: „Ich hoffe, Du bist gesund und kannst zu allen Kindern kommen“, heißt es im Brief der 14-jährigen Amelie Süß.
Oft geht es in den Briefen aber auch um die Kontaktsperren zu Freunden, Mitschülern und vor allem zu den Großeltern. So wie bei Hannes (5) und seiner kleinen Schwester Emma (3). Sie hoffen, dass sie Oma und Opa zu Ostern sehen können und wünschen sich, dass im Osterhasenland alle gesund bleiben. Und natürlich darf ein Wunsch nicht fehlen, der Klassiker: „Bitte vergiss nicht, uns Ostern im Garten Eier zu verstecken.“
Großeltern und Enkel leiden
Aber es gibt auch Briefe von Oma und Opa. „Auch die Großeltern schreiben dem Osterhasen, dass sie auf ein Ende der Corona-Krise hoffen, damit sie ihre Enkelkinder wieder in die Arme nehmen können“, sagt der langjährige Leiter des Osterpostamtes, Hans-Hermann Dunker (81).
Im vergangenen Jahr kamen mehr als 40 500 Sendungen in Deutschlands ältestem und größtem Osterpostamt an – und wurden auch beantwortet, meist mit einem vorgedruckten Brief, um die Flut überhaupt bewältigen zu können. 22 Jahre hatte Dunker das Osterpostamt geleitet, nächstes Jahr übernimmt seine Kollegin Doris Kröger (60) diese Aufgabe. „Ich liebe Kinder. Es macht mir Freude, sie mit den Antworten glücklich zu machen“, meint die pensionierte Postfrau.
Ein denkwürdiges Fest
Für sie und für alle anderen im Osterpostamt wird 2020 wohl als ungewöhnlichste und aufregendste Ostersaison in Erinnerung bleiben. Mit Blick auf die Antwortbriefe betont Dunker: „Gerade in diesen herausfordernden Zeiten ist es besonders schön, die hoffnungsvollen Zeichen des Osterfestes weiterzugeben.“
Also lieber Hase, bleib gesund. Wir brauchen dich!