Wie viele Corona-Fälle gibt es denn nun im Landkreis Konstanz? 35 wie das Sozialministerium sagt, oder 53, wie es das Landratsamt verkündet? Oder sind es mittlerweile schon wieder sehr viele mehr? Und sind die 39 Fälle aus dem Bodenseekreis noch aktuell?

Solche Fragen stellen sich derzeit viele Bürger und auch wir Journalisten vom SÜDKURIER kämpfen mit den widersprüchlichen Angaben verschiedener Stellen. Stellenweise sind die Unterschiede frappierend, zwischenzeitlich waren etwa die Angaben des Landratsamts für den Bodenseekreis doppelt so hoch wie die des Sozialministeriums. Das Chaos hat einen Grund: Das Coronavirus ist schneller als die Bürokratie.

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„Die Ämter sind am Anschlag“, sagt Pressesprecher Robert Schwarz vom Landratsamt Bodenseekreis. „Wir kommen nicht mehr nach“, bestätigt Karin Frank, Sprecherin beim Sozialministerium des Landes. In ihrem Ministerium schlagen die Daten nach einer langen Reise durch eine bürokratische Meldekette auf, die bei den Infizierten vor Ort beginnt. Zwischendrin ist viel Platz für Fehler und Verzögerungen.

So verläuft die Corona-Meldekette

  1. Die Labore: Ein Arzt stellt eine mögliche Corona-Infektion fest und schickt eine Probe an ein Labor zur Untersuchung. Sollte das Ergebnis positiv sein, erstattet das Labor Meldung an die lokalen Gesundheitsbehörden. Auch im Jahr 2020 erfolgt diese Meldung in der Regel per Fax.
  2. Die Gesundheitsbehörden der Stadt- und Landkreise erfassen jede dieser Meldungen per Hand und übermitteln sie elektronisch an das Landesgesundheitsamt (LGA).
  3. Das Landesgesundheitsamt importiert die Meldungen in eine Datenbank. Nachmittags erstellt es einen Lagebericht, das es an das Sozialministerium verschickt. Berücksichtigt werden darin nur Fälle, die bis 14 Uhr gemeldet wurden. Alle späteren Meldungen erscheinen erst am nächsten Tag im Lagebericht. Zudem informiert das LGA das Robert-Koch-Institut, das die Daten für das ganze Bundesgebiet sammelt und veröffentlicht.
  4. Das Sozialministerium veröffentlicht die Zahlen aus dem Lagebericht auf seiner Webseite. Durch den festen Datenstand 14 Uhr kommt es zu massiven Verzögerungen im Informationsfluss.

Wieso dieser letzte Schritt? Wieso veröffentlicht das LGA die Zahlen nicht in Echtzeit? Weil es dem Sozialministerium untersteht, erklärt Lisa Schlager vom Regierungspräsidium Stuttgart, das für das LGA zuständig ist. Mitteilungen dürfen nur über das Ministerium erfolgen. „Die Meldekette muss eingehalten werden“. Auch wenn es dadurch zu massiven Verzögerungen kommt.

Die Prioritäten liegen anderswo

Zumal die Meldekette im Corona-Chaos nicht eben Prioriät genießt. Angesichts der hohen Belastung könne es schon mal vorkommen, dass die Zahlen zu spät übermittelt werden, sagt Robert Schwarz. Generell melde das Gesundheitsamt aber fortlaufend neue bestätigte Fälle über eine Onlinemaske an das LGA.

Während sich immer mehr Menschen mit Covid-19 infizieren, liefern die Landesämter für die Öffentlichkeit nur veraltete Zahlen, teilweise mit einer Verzögerung von bis zu zwei Tagen. So ist es nahezu unmöglich, einen aktuellen Überblick zu gewinnen. Zur Verteidigung sei gesagt: Dieses Problem hat Baden-Württemberg nicht alleine, es betrifft auch die anderen 15 Bundesländer.

Corona stellt nicht nur unser Gesundheitssystem auf eine harte Probe, sondern auch unsere Verwaltung und deren Strukturen. Es ist nicht zu erwarten, dass das Problem des zähen Informationsflusses im Laufe der Pandemie behoben wird.

Interessierten bleibt nur, die Webseiten der Landratsämter abzuklappern, die inzwischen ebenfalls regelmäßig Zahlen veröffentlichen. Aktuellere Daten als dort findet man nirgends. Für Südbaden nimmt Ihnen der SÜDKURIER die Arbeit ab, wir aktualisieren die Zahlen regelmäßig in unserem Ticker, den Sie unter folgendem Link finden:

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Wer sich ein topaktuelles Bild über die Lage in ganz Baden-Württemberg machen will, braucht Zeit und Muse: Das Land besteht aus 44 Land- und Stadtkreisen.