Russland versorgt Deutschland weiter mit Gas – die Frage ist nur, wie lange. Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck geht davon aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin Deutschland nicht den Hahn abdreht. „Für heute kann ich sagen, die Gaslieferungen kommen stetig und in der gleichen Menge nach Deutschland“, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch in Berlin. Aus diesem Grund verzichtet er darauf, die zweite Notfallstufe bei der Gasversorgung auszurufen. Habeck wollte aber auch nicht verhehlen, dass der russische Überfall auf die Ukraine die europäische Ordnung auf den Kopf gestellt hat. „Das ist die Realität, wo Energie als Waffe eingesetzt wird und wir sehen müssen, dass wir nicht wehrlos sind.“

Aktuell noch 35 Prozent des Gasverbrauchs aus Sibirien

Denn die Entscheidung Putins, die beiden Länder von russischem Gas zu trennen, hat die deutsche Gewissheit erschüttert, dass der Kreml auch in Zeiten größter Spannung Energie bereitstellt. Laut Habeck stammen aktuell noch 35 Prozent des deutschen Gasverbrauchs aus den sibirischen Lagerstätten. Vergangenes Jahr waren es noch 55 Prozent. Ein Abriss der Lieferungen aus den sibirischen Feldern würde Deutschland in eine Wirtschaftskrise stürzen. Ökonomen beziffern den Absturz in der Spanne zwischen 3 und 6 Prozent. Habeck glaubt nicht daran, dass sich eine derartige Ausnahmesituation präzise vorhersagen lässt und fürchtet geschlossene Fabriken, Hunderttausende Arbeitslose bei sprunghafter Inflation. Bevor Leute zu Hause frieren müssen, würde die Industrie zwangsweise abgeregelt.

Bild 1: Deutsche Regierung sieht Gas-Versorgung noch gesichert
Bild: B. Bolte/J. Reschke, dpa

Deutschland durch Anstieg der Energiepreise in Krisenmodus

Allein der starke Anstieg der Energiepreise in den vergangenen Monaten, der sich aus Kriegsangst und der starken Nachfrage nach Alternativen zu Russland speiste, hat die deutsche Wirtschaft zurück in den Krisenmodus geschickt. Habeck hat deshalb die Wachstumsprognose heruntergesetzt. Statt 3,6 Prozent erwartet er nur noch einen Anstieg der Wirtschaftsleistung von 2,2 Prozent. Die Inflation bemessen seine Fachleute mit 6,1 Prozent. Die Preise schnellen so kräftig nach oben wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Hoffnungsschimmer ist, dass die Arbeitslosigkeit bei 5 Prozent stabil bleiben dürfte. „Der Krieg gegen die Ukraine und seine wirtschaftlichen Auswirkungen erinnern uns daran, dass wir verwundbar sind“, sagte der Minister. Seit dem Überfall auf die Ukraine Ende Februar hat Russland zweistellige Milliardenbeträge eingenommen. Eine Schätzung lautet auf 40 Milliarden Dollar bis Anfang April.