Der Sieg von Geert Wilders kommt für die Niederlande einem politischen Erdbeben gleich. Wie kann in unserem Nachbarland ein bekennender Islam-Feind, ein Rechtsradikaler und EU-Hasser als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgehen? Es handelt sich um eine Zäsur, die schockiert, aber Insider nur in der Deutlichkeit des Ergebnisses überraschen kann.

Wenn nun einige Beobachter im Ausland den Untergang des einst so liberalen Landes beklagen, dann saßen sie viel zu lange dem weit verbreiteten Ammenmärchen auf, demzufolge Holland ein progressives Utopia darzustellen schien. Dabei handelte es sich um Stereotype in der Außenwahrnehmung, sonst nichts. Die Nation fährt gerne Fahrrad und tickt trotzdem äußerst konservativ.

Etablierte Parteien driften nach rechts ab

Der Migration stehen die Menschen kritisch gegenüber. Seit zwei Jahrzehnten kommen Rechtspopulisten bei den Wahlen auch deshalb konstant auf mindestens 20 Prozent der Stimmen. Nur konnte dieser Umstand in der Vergangenheit leichter ignoriert werden, weil die etablierten Parteien eine Zusammenarbeit stets ausgeschlossen hatten. Gleichzeitig passten sie das Fähnchen dem Wind an und drifteten ebenfalls nach rechts ab.

Es war ein Fehler, die Tür für Gespräche mit Geert Wilders zu öffnen. Denn der mag sich bei seinen Auftritten moderater präsentiert haben, sein Programm aber trieft weiterhin vor Hass und Hetze.

Noch amtierender Ministerpräsident der Niederlande: Mark Rutte.
Noch amtierender Ministerpräsident der Niederlande: Mark Rutte. | Bild: Peter Dejong/AP/dpa

Nun feiern die rechten Cheerleader ihren Helden und das Establishment warnt wie immer panisch vor einem Rechtsruck in der Europäischen Union. Dabei ist dieser längst im Gange. Die Niederlande sind mit Wilders‘ Triumph in Wahrheit nur in der europäischen Realität angekommen.

Das kann man weiter ignorieren wie viele Verantwortliche in Brüssel, die von Ideologien beflügelt in ihrer „Freude schöner Götterfunken“-Blase von den Sorgen vieler Bürger so weit weg sind wie die deutsche Fußballnationalmannschaft von einem Titel. Dann darf sich am Ende nur auch niemand beschweren.

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Warum agieren die EU-Vertreter seit Jahren ideenlos, zögerlich und uneinig auf die Herausforderung Migration, während die Politiker verbal einen harten Kurs versprechen? Es gibt bei diesem komplexen Thema keine einfachen Lösungen, wie die Rechten das gerne darstellen. Umso mehr könnte und müsste man die Scharfmacher entzaubern. In Wahrheit haben die moderaten Stimmen in Europa den Populisten leider aber kaum etwas entgegenzusetzen. Im Gegenteil.

In den Niederlanden schlug auch die Konkurrenz scharfe Töne in Sachen Migration an. Und machte so die Eindämmung der Einwanderung zum dominierenden Wahlkampf-Thema , anstatt sich noch stärker auf wirtschaftliche Chancen, Lebenshaltungskosten oder den mangelnden Wohnraum zu konzentrieren. Wilders konnte sich genüsslich zurücklehnen. Es war ein politisches Heimspiel für ihn.

Dilan Ye?ilgöz, Spitzenkandidatin der rechtsliberalen VVD, verfolgte die gleiche einwanderungskritische Linie wie Geert Wilders.
Dilan Ye?ilgöz, Spitzenkandidatin der rechtsliberalen VVD, verfolgte die gleiche einwanderungskritische Linie wie Geert Wilders. | Bild: Remko de Waal/ANP/AFP

Wenig überraschend entschieden sich die einwanderungskritischen Wähler nicht für die Spitzenkandidatin der rechtsliberalen VVD, Dilan Yeşilgöz, sondern für den wahren Einwanderungsgegner namens Geert Wilders. Warum eine Kopie wählen, wenn man das Original haben kann? Die alte Binsenweisheit scheint bei zahlreichen Volksvertretern bis heute nicht angekommen zu sein. Das lässt nichts Gutes erahnen für die Europawahlen in sieben Monaten.