Nach der gewaltsamen Erstürmung des US-Parlamentssitzes hat der Kongress am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl offiziell bestätigt. Der amtierende US-Vizepräsident Mike Pence gab das amtliche Endresultat in einer gemeinsamen Sitzung beider Kongresskammern bekannt.
Der abgewählte US-Präsident Donald Trump wird sich nicht weiter gegen die Machtübergabe an Nachfolger Joe Biden sperren. Die Amtsgeschäfte würden am 20. Januar geordnet übertragen, betonte Trump laut einer vom stellvertretenden Stabschef Dan Scavino per Twitter verbreiteten Mitteilung am Donnerstag. Trump bekräftigte zugleich, dass er nicht mit dem Ausgang der Wahl einverstanden sei.
Trump-Anhänger stürmen das Kapitol
In einer beispiellosen Attacke auf das Zentrum der US-Demokratie haben wütende Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump am Vortag das Kapitol in Washington gestürmt. Stundenlang randalierten sie am Mittwoch am Sitz des US-Kongresses. Eine Sitzung des Parlaments, bei welcher der Wahlsieg des künftigen Präsidenten Joe Biden formell bestätigt werden sollte, musste unterbrochen werden. Am späten Abend (Orszeit) kamen Repräsentantenhaus und Senat dann unter rigorosen Sicherheitsvorkehrungen wieder zusammen.

Vier Tote bei Protesten in Washington
Am Parlamentssitz hatten sich zuvor Szenen von Chaos und Gewalt abgespielt: Die Randalierer überwanden die Sicherheitsbarrieren und schlugen Fenster ein, einige schafften es sogar in den Sitzungssaal des Senats. Sicherheitsbeamte zückten ihre Schusswaffen und setzten Tränengas ein. Unter zunächst unklaren Umständen wurde eine Frau im Kapitol erschossen. Bei ihr soll es sich laut US-Medienberichten um eine glühende Trump-Anhängerin und Ex-Soldatin gehandelt haben. „Darüber hinaus wurden heute drei weitere Todesfälle aus der Umgebung des Kapitols gemeldet. Eine erwachsene Frau und zwei erwachsene Männer scheinen an unterschiedlichen medizinischen Notfällen gelitten zu haben, die zu ihrem Tod führten“, sagte der Chef der Polizei in der US-Hauptstadt, Robert Contee, in der Nacht zu Donnerstag. Die Nationalgarde wurde mobilisiert und über die US-Hauptstadt eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.
Erst vier Stunden nach der Erstürmung gelang den Sicherheitskräften die Räumung des Kapitols von den Randalierern. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, sagte danach beim erneuten Zusammentreffen der Kammer: „Wir müssen und werden dem Land – und in der Tat der ganzen Welt – zeigen, dass wir uns nicht von unserer Pflicht ablenken lassen, dass wir unsere Verantwortung für die Verfassung und das amerikanische Volk wahrnehmen.“
Biden bezeichnet Randale als „beispiellosen Angriff“ auf die US-Demokratie
Biden bezeichnete die Randale in einer Ansprache in seiner Heimatstadt Wilmington als „beispiellosen Angriff“ auf die US-Demokratie. Dies sei „kein Protest, das ist Aufruhr“, sagte der Demokrat, der am 20. Januar als Präsident vereidigt werden soll. Trump selber vermied jedoch trotz expliziter Aufforderung durch seinen Amtsnachfolger eine Verurteilung der Randale. In einer Videobotschaft sagte er lediglich an die Adresse seiner Anhängerschaft, dass „Frieden“ gebraucht werde und sie „nach Hause“ zurückkehren sollten.
Zugleich sagte Trump seinen randalierenden Anhängern aber auch: „Wir lieben euch“ – und er wiederholte seine völlig unbelegten Behauptungen, bei der Wahl am 3. November habe es massiven Betrug gegeben. Einige Stunden zuvor hatte der scheidende Präsident seine zu Tausenden in der Hauptstadt versammelte Anhängerschaft mit diesem völlig unbelegten Vorwurf aufgepeitscht und zum Marsch auf das Kapitol aufgefordert. Mit seiner pausenlosen Kampagne gegen das Wahlergebnis hat Trump auch teils Anhänger aus dem rechtsradikalen Spektrum mobilisiert.
(dpa)