Seit zwei Jahren überzieht Russland seinen ukrainischen Nachbarn mit einem verheerenden Krieg. Der Plan Wladimir Putins, sich des Landes durch einen Enthauptungsschlag gegen Kiew blitzartig zu bemächtigen, scheiterte kläglich. Dank der Waffenhilfe aus den Nato-Staaten kann sich die Ukraine behaupten. Einerseits.
Andererseits hat Putin das Bündnis aufgeweckt und durch seinen Krieg auch die deutsche Verteidigungspolitik derart aufgemischt, wie man es nach 30 Jahren friedlicher Partnerschaft mit Russland nicht mehr für möglich gehalten hätte.
Umbau an der Bundeswehr-Spitze
Eine schlappe Ministerin musste gehen und wurde durch den Macher Boris Pistorius ersetzt, der zupackende Generalinspekteur Carsten Breuer führt jetzt die Bundeswehr, die in den nächsten Jahren milliardenteure moderne Technik – zu Lande, zu Wasser und in der Luft – erhalten wird. Was eine Erinnerung im Geschichtsbuch schien – der Kalte Krieg – ist nun de facto wieder Realität. In Deutschland wächst die Angst der Bürger, dass Putin, sollte er in der Ukraine Erfolg haben, auch Nato-Bündnispartner, und damit uns, herausfordern könnte.
Zwar sieht es danach angesichts der immensen russischen Verluste in der Ukraine derzeit nicht aus. Aber wie sich die Lage in fünf oder sechs Jahren darstellt, wenn Putins Armee von der jetzigen Umstellung auf die Kriegswirtschaft voll profitiert, kann man nicht wissen. Um die kleinen Baltenstaaten zu erobern, ist keine Monster-Armee notwendig – und mobilisierbare fünfte Kolonnen Moskaus gibt es in diesen Ländern mit ihren russischen Minderheiten genug.
Eine Kampfbrigade verlegt an die Nato-Ostflanke
Ein Lichtblick: Die Bundeswehr zeigt in diesen Tagen, dass sie die Großübung alter Tage noch beherrscht und verlegt eine Kampfbrigade nach Litauen. Zwar müsste im Ernstfall dafür mehr Zugmaterial für den Transport vorgehalten werden. Aber die Richtung stimmt – und vor allem die Botschaft an Balten und Polen: Wir stehen an Eurer Seite, und wir lassen uns das etwas kosten.
Immerhin hat Deutschland jetzt geschafft, was in allen Regierungen seit den 90er-Jahren nur noch belächelt wurde: Mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – das die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes abbildet – in die Verteidigung zu stecken. Aber man darf sich nicht täuschen. Das BIP ist jährlich variabel. Tritt es auf der Stelle, landet auch im Haushalt von Boris Pistorius nicht mehr Geld.
Das Ziel muss drei Prozent heißen
Das braucht es aber. Die Zwei-Prozent-Marke ist ein Minimalziel, aber nicht das Optimum. Im Kalten Krieg wurde dies mit bis zu drei Prozent erreicht, so aber ist der Aufwand für die Verteidigung noch immer zaghaft. Zumal das von der Ampel-Regierung aufgelegte „Sondervermögen“ dazu herhalten muss, die Nato-Verpflichtung zu erfüllen. Das ist finanzpolitische Hütchenspielerei und keine seriöse Planungskonstante.
Diese würde sich erst ergeben, wenn der Bundeswehr-Etat dauerhaft um jährlich mindestens zehn Milliarden Euro aufgestockt wird. Passieren muss das spätestens wenn Olaf Scholz‘ Zeitenwende-Topf von 100 Milliarden Euro 2027 verfrühstückt ist. Wer dafür – wie die FDP – die Steuern nicht erhöhen will, der muss an die Sozialausgaben ran und manche fragwürdigen Leistungen unseres Wohlfahrtsstaats mutig zurückfahren.
Putin versteht nur die Sprache der Stärke
Hier liegen die größten Spielräume für Kürzungen, nur muss man gegenüber den Bürgern mit offenen Karten spielen. Die Botschaft heißt: Demokratie und Freiheit des Westens sind durch einen skrupellos handelnden Machthaber bedroht, der durch Diktaturen wie China und Nordkorea Schützenhilfe erhält, das alte Sowjet-Imperium wieder herstellen will und nur die Sprache der Stärke versteht.
Wer unsere Lebensart und politischen Errungenschaften sichern will, muss dafür woanders zurückstecken. Die Mehrheit der Deutschen trägt diese Verantwortung mit, wenn man es ihnen früh genug sagt.
Donald Trumps Weckruf für die Europäer
Helfer hat die Ampel dabei durchaus. Bei aller texanerhaften Randale eines Donald Trump – der Mann verhilft Europa zu einem Weckruf. Der lautet: Das Gottvertrauen in Amerikas Bereitschaft, mit Abermilliarden für Atomwaffen, Soldaten und Hightech-Rüstung auch säumige Nato-Partner mit zu schützen, ist naiv. Auch Vorgänger Barack Obama hat Trittbrettfahrerei beklagt, aber ihm hat niemand zugehört.
Die Erschütterungen und Irritationen durch Trump rücken eine Aufgabe für Deutschland nach vorn: Die Rolle als eine europäische Führungsmacht in der Nato anzunehmen – neben Großbritannien und Frankreich. Auf dieses Trio kommt es heute seit dem Kollaps der Sowjetunion 1991 mehr denn je an. Kriegstüchtig werden, um den Krieg nicht führen zu müssen: Diesem Prinzip ist wieder zu folgen. Es ist mindestens so alt wie die griechische Antike. An Aktualität hat es nichts eingebüßt.