Herr Esume, es ist Sonntag, kurz vor Mitternacht und ich bin müde. Warum soll ich aufbleiben und den Super Bowl anschauen?
Das ist ja fast schon eine rhetorische Frage (lacht). Weil es das größte Einzelsportevent der Welt ist. Das wird sich auf jeden Fall lohnen, es lohnt sich ja jedes Jahr wieder. Das zeigt auch die Football-Fanbase, denn die Einschaltquoten steigen. Die Leute sind begeistert und bleiben nicht ohne Grund in der Nacht zum Montag wach und nehmen sich den Montag frei. Da bekommt man echt was geboten. Da spielen sich großartige Szenen mit Gänsehautmomenten ab.
War der Hype schon immer da oder bricht er jetzt erst aus?
Nein, der war glaube ich schon immer da, hatte aber nie die Möglichkeit auszubrechen, weil die große Vorzeigeliga (NFL) nie im Free- oder Pay-TV gezeigt wurde – abgesehen vom Super Bowl und den Playoffs. Aber das alleine reicht ja nicht für so einen Sport, um den Durchbruch zu schaffen. Dafür muss man schon kontinuierlich die gesamte Saison dabei sein. Es hat sich schon zu den NFL-Europe-Zeiten, in den 90er und 200er, angebahnt. Seit 2015 die reguläre NFL-Saison gezeigt wird, haben alle, die geheime Fans waren – das sind ganz viele und es werden immer mehr –ihre Plattform gefunden, wo sie es anschauen können und durch Aufbau der Sendung auch ein Teil von ihr sein können.
Was fasziniert die Menschen?
Einmal, dass man anders als in anderen Sportarten so viele verschiedene Arten von Athleten für diesen Sport braucht. Da sind alle Körpergruppen dabei. Vom 1,68 Meter großen, kleinen und quirligen Spieler bis zum 2,10 Meter großen 180 Kilo-Mann. Alle Körpertypen sind vertreten, dass macht es so reizvoll. Es ist ein physischer Sport und hochgradig taktisch, wie Schach auf dem Rasen mit echten Figuren. Diese Kombination aus Athletik, physische harte Männer gepaart mit der Taktik und der NFL, die es mit gut aufgelösten Bildern super aufbereitet, ist es, was es ausmacht.
Was unterscheidet die amerikanische Sportart noch von allen anderen?
Ich habe schon diverse Male gesagt, für mich ist der Sport so besonders, weil er die Grundbedürfnisse des Mannes befriedigt: Jagen, erlegen und beschützen. Das ist in uns tief verwurzelt. Die Evolution und die technische Entwicklung erlaubt das nicht mehr. Dieses Jagen und Erlegen beschränkt sich darauf, zum Edeka zu gehen.
Wie meinen Sie das?
Wenn du beim Football in der Verteidigung spielst, musst du ja jagen und erlegen. Da kommen also so ein paar männertypische Attribute zum Tragen. Dazu die Strategie und die Taktik, das macht das Ganze aus. Die Spiele sind nicht wie beim Fußball, wo du 90 Minuten spielst und es geht 0:0 aus. Das ist ja immer so der Horror beim Fußball, dass der Ball im Mittelfeld hin und her geschoben wird und einfach nichts passiert. Beim American Football gibt es immer besondere Aktionen, da passiert etwas. Und selbst wenn das Spiel nicht punktereich ist, bedeutet das nicht, dass es keine spektakulären Aktionen gibt.
Auf der anderen Seite sind es komplexe Regeln, die für neue Zuschauer eher verwirrend wirken.
Footballgucken ist ja mittlerweile ein Gesellschaftsphänomen geworden. Das schaut man ja zusammen mit Leuten, die es schon verstehen und die sich begeistert haben. Wenn ich jetzt ganz alleine schaue und es noch nicht geschaut habe, dann kann es sein, dass man sagt „Boa hey, ich verstehe das jetzt gar nicht, warum rennen die vom Platz und warum ist da jetzt eine Pause?“. Die Faszination kommt dann meistens nicht nur über das, was passiert, sondern auch durch das Aha-Erlebnis: „Ach, das ist die Offense und die dürfen den Ball werfen und mit ihm laufen, ach jetzt kommt die und die Situation.“
Und die vielen Unterbrechungen?
Wenn dann noch einer in der Gruppe dabei ist, der mir das erklärt, dann fängt es an, wirklich Spaß zu machen und dann nutzen einem auch die Pausen etwas. In den Pausen kann man sich darüber unterhalten, fachsimpeln und etwas essen, noch einmal ein Bier holen. Dann passt das mit den Unterbrechungen gut, weil es kein durchfließendes Spiel ist, bei dem du nicht aufstehen willst, weil du Angst hast, das 1:1 zu verpassen. Das ist beim American Football anders.
Ist American Football auch deshalb so interessant, weil es mit der NFL nur eine große Liga gibt?
Ja, natürlich. Auf unserer Seite des Planeten gibt es nur die Football-Bundesliga und den Amateurfootball, aber das ist halt Amateursport. In den Staaten gibt es die Highschool, Junior High, das College und dann die NFL. Da baut alles vom Schulsystem darauf auf, dass wenn du der Beste der Besten bist, du irgendwann in der NFL landest. Highschool-Mannschaften haben ja auch teilweise bis zu 30.000 Zuschauer an einem Freitagabend. Das wird da drüben gelebt. Für viele in den USA ist es das Wichtigste, in das gelobte Land zu kommen – und das ist die NFL. Der Gewinn des Super Bowls ist außerdem das Größte, was man sportlich in den USA gewinnen kann. Deswegen steht da ja auch immer World-Champions, auch wenn es keine WM ist (lacht).
Zur Person
Patrick Esume kommentiert als Football-Experte die sonntäglichen TV-Übertragungen des American Football auf Pro7-Maxx sowie den kommenden Superbowl auf Pro7. Der 44-jährige Hamburger hat als einziger deutscher Coach in der NFL gearbeitet. In seinem Buch “Believe the Hype“ erklärt Esume die Facetten der beliebten amerikanischen Sportart, außerdem ist er mit einer gleichnamigen Live-Show derzeit auf Tour.