Die leisen Worte von Ann-Katrin Berger gingen fast unter im Höllenlärm der Spanierinnen. Die Weltmeisterinnen tanzten nach dem EM-Finaleinzug gegen die deutschen Fußballerinnen zu Paukenschlägen und im Regen um den Teambus.

Derweil haderte die Torhüterin mit sich selbst: „Es tut mir furchtbar leid, dass ich in dem Moment nicht da sein konnte. Die Mannschaft hätte es furchtbar verdient gehabt, im Finale zu stehen.“

Deutschlands Torhüterin Ann-Katrin Berger
Deutschlands Torhüterin Ann-Katrin Berger | Bild: Sebastian Christoph Gollnow

Berger sprach von der alles entscheidenden Szene in einem nervenaufreibenden Halbfinale im Züricher Letzigrund-Stadion: Weltfußballerin Aitana Bonmatí narrte die 34-Jährige mit einem Kunstschuss aus spitzem Winkel – das ganz späte 1:0, nach dem das deutsche Team 113 Minuten lang erbitterten Widerstand geleistet hatte.

„Bonmatí sieht die kleinste Lücke“

„Die kurze Ecke ist meine, ich hätte es besser wissen sollen. Eine brillante Spielerin wie Bonmatí sieht natürlich die kleinste Lücke“, sagte Berger, im Viertelfinal-Krimi gegen Frankreich noch die große Heldin. „Ich bin enttäuscht von mir selbst. Wir wussten, dass Spanien ein überragender Gegner ist und wir uns – auf gut deutsch – den Arsch ablaufen werden.“

Spaniens Ballkünstlerinnen greifen nun zwei Jahre nach dem WM-Triumph von Australien erstmals nach dem EM-Titel – am Sonntag (18.00 Uhr/ZDF und DAZN) geht es in Basel gegen Titelverteidiger England. Die DFB-Auswahl zeigte jedoch wieder eine Energieleistung, die für Bundestrainer Christian Wück auf dem langen Weg bis zur nächsten WM 2027 in Brasilien wegweisend sein könnte.

Glückwünsche und Trost von Merz und Steinmeier

„Ihr seid wahre Vorbilder. Dafür gebührt Euch unser größter Dank und Respekt!“, lobte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der selbst unter den Zuschauern war, in einem Instagram-Beitrag.

Sydney Lohmann und Giulia Gwinn (r) umarmen sich nach dem Spiel.
Sydney Lohmann und Giulia Gwinn (r) umarmen sich nach dem Spiel. | Bild: Sebastian Christoph Gollnow

Bundeskanzler Friedrich Merz, der bei einem Finaleinzug nach Basel kommen wollte, schrieb: „Bis zuletzt stark gekämpft, am Ende hat es leider doch nicht gereicht. Liebes DFB-Frauenteam, danke für diese großartigen Fußballmomente – wir sind stolz auf Euch!“

Wück: keine Vorwürfe an niemand

Dennoch flossen viele Tränen auf dem Platz und in der Kabine, auch Rebecca Knaak stand mit nassen Augen vor Kameras und Mikrofonen. Vehement verteidigte die Abwehrspielerin Berger. „Ihr muss überhaupt nichts leidtun. Was sie geleistet hat in diesem Turnier, das ist außergewöhnlich und das ist der Wahnsinn gewesen.“

Wück erklärte: „Sie weiß selbst, dass die kurze Ecke immer doof ausschaut. Wir wissen aber auch, dass wir den Ball gar nicht hergeben müssen. Wir sind im sicheren Ballbesitz.“ Es werde keine Vorwürfe geben, „egal an wen“.

„Wir dürfen stolz sein“

Der 52-Jährige hatte trotz des verpassten Endspiels und mehreren Ausfällen wie dem von Kapitänin Giulia Gwinn ein am Ende formidables erstes Turnier mit den Fußballerinnen hingelegt.

Ein Titel wie mit der männlichen U17 bei der EM und WM blieb ihm verwehrt, jetzt ist er wie seine Spielerinnen urlaubsreif. „Wir sind jetzt komplett leer, ich bin auch leer und brauche vier, fünf Tage, um wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Wir dürfen trotzdem stolz sein.“

Bergers ganz persönlicher Moment im Stadion

Torhüterin Berger erlebte nach dem Abpfiff noch einen ganz persönlichen Moment, als sie ihren 92-jährigen Opa Herbert drückte.

Der alte Herr wollte eigentlich nur zum Endspiel ins Stadion. „Er hat sich gestern Abend dazu entschieden, dass er doch noch kommt. Weil ich ihm gesagt habe: Opa schau her, gegen Spanien ist eigentlich schon wie ein Finale, das ist eine überragende Mannschaft“, erzählte die 34 Jahre alte Berger.

Ann-Katrin Berger mit ihrem Großvater Herbert.
Ann-Katrin Berger mit ihrem Großvater Herbert. | Bild: Sebastian Christoph Gollnow

„Es hat ein paar E-Mails mehr gebraucht als sonst, aber ich war unfassbar froh, dass er da war.“

Torhüterin schwärmt von der Mentalität ihres Teams

Ihrem Team prophezeite die in den USA spielende Torfrau eine glänzende Zukunft: „Die Mädels haben unfassbar Talent. Die Mädels haben unfassbaren Willen, die haben Leidenschaft, die haben den Teamgeist. Die Mentalität, die die Mädels an den Tag gelegt haben, das kann uns keiner nehmen. Das wird noch viel, viel größer – auf jeden Fall.“ (dpa)