Baden-Württemberg ist das Land der Klein- und Mittelständler (KMU). Rund zwei Drittel aller Beschäftigten arbeiten in diesen, oft als Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichneten, Firmen. Und in keinem deutschen Flächenland sind die KMU so international vernetzt wie im Südwesten. In Zeiten der Corona-Krise wird das zum Problem. Chefs und Mitarbeiter, wissen oft nicht, wie sie auf die Herausforderungen der Corona-Krise vor Ort reagieren sollen. In Zusammenarbeit mit dem in Freiburg ansässigen Industrieverband WVIB hat der SÜDKURIER echte Fragen von Unternehmen in einer Chatgruppe der Verbands ausgewertet. Zusammen ergibt sich das Zustandsbild einer Wirtschaft, die auf Sicht fährt. Ein Überblick:
Als „eine Farce“ bezeichnet es die Personalverantwortliche eines badischen Unternehmens, dass die Behörden in Sachen Corona nur unzureichende Aufklärungsarbeit leisten. „Man erreicht niemanden“, schreibt sie in dem Chat. Ihr Problem: Sie möchte wissen, wie man mit Mitarbeitern umgehen soll, die in einem Risikogebiet waren oder Kontakt zu Infizierten hatten. Was ist zu tun?
Urlauber, die aus Risikogebieten zurückkehren, sollten aufgefordert werden, nicht in die Firmen zurückzukehren, sondern zum Arzt oder Gesundheitsamt zu gehen, sagt WVIB-Rechtsexpertin Heidrun Riehle. Zunächst sollten sie 14 Tage zu Hause bleiben. Personen, die Kontakt zu Corona-Patienten hatten, müssen sich zwingend beim Gesundheitsamt melden und sich auf die Krankheit testen lassen. Unter Umständen droht dann häusliche Quarantäne – unter Lohnfortzahlung.

Wer privat in Gebiete verreist, für die amtliche Reisewarnungen bestehen, reist auf eigene Gefahr. Wie aber verhält es sich bei Gegenden, die als Risikogebiet eingestuft sind, für die aber keine Reisewarnung existiert? Können Firmen Mitarbeitern solche Privat-Trips verbieten? Und wie ist es mit der Bezahlung?
„Man kann Mitarbeitern keine privaten Reisen verbieten“, sagt WVIB-Fachfrau Riehle. Zudem gilt: Wer die Mitarbeiter, die in einem Risikogebiet waren, 14 Tage nach Hause schickt, muss weiter Lohn bezahlen, auch wenn sich der Erkrankungszustand nicht bestätigt. Man kann sich mit dem Mitarbeiter auch auf eine unbezahlte Freistellung, auf bezahlten Urlaub oder den Ausgleich der Fehlzeit durch zuvor geleistete Überstunden einigen, sagt die Expertin. Dem muss der Mitarbeiter aber in jedem Fall zustimmen.

Darf man Fiebermessen anordnen?
Wenn der Mitarbeiter das nicht will, muss man das respektieren. Es bedürfe einer „ausdrücklichen Einwilligung“, sagt Expertin Riehle. Sie bezweifelt auch die Aussagekraft der Messungen. Immerhin bekämen nicht alle Corona-Patienten Fieber.

Große Teile der deutsch-französischen Grenzregion sind jüngst zu Corona-Risikogebieten erklärt worden. „Muss man Grenzpendler aus diesen Gebieten jetzt nach Hause schicken“, fragt eine Firmen-Verantwortliche im Chat?
Dazu gebe es im Moment keine klaren Vorgaben der Landesministerien, sagt WVIB-Juristin Riehle. Die Entscheidung liege „im Ermessen der Firmen“, sagt sie. Schickt der Arbeitgeber die Beschäftigten heim, bleibt er auf den Kosten sitzen. Wenn die Behörden Quarantäne anordnen, kann er sich das Geld vom Amt zurückholen.
„Was tun, wenn sich ein Mitarbeiter infiziert hat“ oder zumindest der Verdacht besteht, fragt ein Firmen-Verantwortlicher?
Zunächst gilt: Sofort einen Arzt kontaktieren und feststellen, ob es Corona ist. Wird der Arbeitnehmer daraufhin durch die Behörden freigestellt, greift das Bundesinfestionsschutzgesetz. Der Mitarbeiter kann in diesem Fall mit einer Entgeltfortzahlung von mindestens sechs Wochen rechnen. Der Arbeitgeber hat dann die Möglichkeit, „beim Gesundheitsamt Schadenersatz“ für den Ausfall zu erhalten.
Ein Unternehmen berichtet von drastischen Problemen. In einem chinesischen Standort können die Mitarbeiter seit drei Wochen wegen Corona-Alarm nicht zur Arbeit gehen. Der Resturlaub der Beschäftigten ist aufgebraucht oder geht zur Neige. Was tun?
Die Arbeitnehmer können in so einem Fall vom Chef in unbezahlten Urlaub geschickt werden. Weil der Arbeitgeber keinen Einfluss auf die Gründe für die Betriebsschließung habe, bestehe auch keinen Vergütungspflicht mehr, sagt Expertin Riehle. Kluge Unternehmen versuchen, solche konfrontativen Situationen aber zu vermeiden. Ein Unternehmer schreibt im Chat, man habe für einen Standort in der chinesischen Provinz Hubei Homeoffice maximal ausgeweitet und die Grenze für Minusstunden auf den Arbeitszeitkonten „deutlich angehoben“. So habe man sich Zeit erkauft.
„Ist es sinnvoll, Atemschutzmasken zu bestellen“, fragt ein Firmenverantwortlicher im Chat?
Mitarbeiter, die mit Atemschutz im Büro sitzen, scheinen weder dem Robert-Koch-Institut (RKI) noch den Gesundheitsämtern praktikabel. Derartige Empfehlungen haben sie nicht ausgegeben. Expertin Riehle gibt zu bedenken, dass es aufgrund der immensen Nachfrage derzeit ohnehin sehr schwierig sei, kurzfristig Atemschutzmasken zu bekommen.
Wie viele Firmen sind betroffen, und gibt es Krisen-Branchen?
Das Bild ist überall dasselbe. Seit diesem Montag schießt die Zahl der Firmen-Anfragen zu Corona in die Höhe. Die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg hat seit Wochenbeginn knapp Tausend Besucher auf ihrer Info-Webseite verzeichnet. Auch bei der Konstanzer IHK heißt es, die Kontakte zu Firmen seien seit Wochenbeginn „deutlich gestiegen“. Relativ entspannt ist die Lage im Handwerk. Die Konstanzer Kammer (HWK) hatte erst Kontakt zu sieben Firmen mit Corona-Folgen.