Der unter Auftragseinbrüchen leidende Autozulieferer Eto setzt seinen langjährigen Firmenchef Michael Schwabe vor die Tür. Schwabe habe sein Büro im ersten Stock des Stockacher Technologieunternehmens bereits geräumt, hieß es gegenüber dem SÜDKURIER aus informierten Kreisen.

In einer Mitteilung sprach das Unternehmen Schwabe einen „Dank für seine langjährigen Dienste und sein großes Engagement aus“. Seine Aufgaben würden mit sofortiger Wirkung vom bestehenden Führungsteam wahrgenommen.

Stammsitz der Eto-Gruppe im Stockacher Industriegebiet. Weltweit beschäftigt man noch 2200 Menschen. Es waren einmal deutlich mehr.
Stammsitz der Eto-Gruppe im Stockacher Industriegebiet. Weltweit beschäftigt man noch 2200 Menschen. Es waren einmal deutlich mehr. | Bild: Eto

Nach Informationen des SÜDKURIER macht der Beirat des Stiftungsunternehmens aus Stockach am Bodensee den geschassten Firmenchef verantwortlich, für die tiefe Krise, in der der für seine Motorenbauteile und Sicherheitstechnik bekannte Zulieferer steckt.

Restrukturierer ist neuer starker Mann bei Eto

Der Einfluss des promovierten Maschinenbauers Schwabe auf Unternehmensentscheidungen war in den vergangenen Wochen bereits zusammengestutzt worden. Auf Drängen kreditgebender Banken wurde der dreiköpfige Vorstand um Schwabe, Finanzchef Hubertus Stroetmann und Produktionsvorstand Patrick Boos bereits Ende April um einen Interimsmanager ergänzt.

Der Restrukturierungsexperte Maximilian Eberl solle die „strategische Neuausrichtung“ der Eto vorantreiben und einen wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung und zukunftssichere Aufstellung des Unternehmens geben, hieß es im Mai vom Unternehmen anlässlich der Bestellung Eberls.

Neuer starker Mann bei Eto: Maximilian Eberl soll als Restrukturierungsvorstand eine bedrohliche Lage bei Eto abwenden. Dafür wird er ...
Neuer starker Mann bei Eto: Maximilian Eberl soll als Restrukturierungsvorstand eine bedrohliche Lage bei Eto abwenden. Dafür wird er harte Entscheidungen treffen müssen. | Bild: Andreas Huber

Ära Schwabe begann 2004 bei Eto

Mit der Abberufung Schwabes geht bei dem Autozulieferer vom Bodensee mit rund 2200 Beschäftigten weltweit eine Ära zu Ende. Der gebürtige Münchner, ein Neffe des langjährigen Vorstandsvorsitzenden des Eto-Eigners Laur-Stiftung, Karl F. Maierhofer, kam im Jahr 2004 ins Unternehmen und trieb die fünf Jahre zuvor begonnene Internationalisierung voran.

Als Geschäftsführer steuerte er das Unternehmen durch die Wirtschafts- und Finanzkrise der späten Nuller-Jahre, die die Eto mit monatlichen Umsatzeinbrüchen von bis zu 60 Prozent nahe an die Insolvenz brachte.

Michael Schwabe (rechts) zeigt der Grünen-Landtagsabgeordneten Dorothea Wehinger und Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried ...
Michael Schwabe (rechts) zeigt der Grünen-Landtagsabgeordneten Dorothea Wehinger und Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann im Jahr 2023 die hochautomatisierte Produktion der ETO GRUPPE in Stockach. | Bild: Florian Bilger

Seit 2011 firmierte der Vater zweier erwachsener Töchter als Vorsitzender der Geschäftsführung der Eto. In dieser Position trieb der von Wegbegleitern als „visionär“ und „ideenreich“ bezeichnete Schwabe, vor allem die technologische Entwicklung bei Eto voran. „Patente waren ihm wichtiger als Geld“, sagt einer, der ihn als Firmenchef erlebt hat.

Neue Geschäftsfelder kosten viel Geld

Als Reaktion auf die Diesel-Krise der Jahre 2015 folgende und sich abzeichnender Umbrüche im automobilen Antriebsgeschäft startete die Eto unter Schwabes Regie im Jahr 2019 eine Investitionsoffensive und steckte viel Geld in neue Geschäftsfelder. Zudem beteiligte man sich an mehreren Start-Ups. Ziel war es, unabhängiger vom Verbrennungsmotor zu werden, was teilweise auch gelang. Nach Firmenangaben hingen im Jahr 2023 nur noch rund 35 Prozent der Eto-Umsätze am Diesel- und Benzinmotor.

Bessere Zeiten. Michael Schwabe (dritter von Links) und Karl F. Maierhofer, damaliger Vorstandsvorsitzender der Laur-Stiftung (4. von ...
Bessere Zeiten. Michael Schwabe (dritter von Links) und Karl F. Maierhofer, damaliger Vorstandsvorsitzender der Laur-Stiftung (4. von links) im Jahr 2016 bei der Grundsteinlegung eines neuen Firmengebäudes. | Bild: unbekannt

Neue Märkte, die der 1967 geborene Schwabe ins Visier nahm, waren neben der Medizintechnik und dem Gesundheitsbereich (Care) die Landwirtschaft. Für Bauern entwickelte man etwa neue, sensorgestützte Pflanzenschutz- und Bewässerungssysteme. Überwölbt wurde alles durch den stärkeren Einsatz von Digitalisierungstechnologien.

Produktionsanlage für Eto-Magnetaktuatoren. Die Systeme kommen etwa in ABS und ESP-Systemen in Autos zum Einsatz.
Produktionsanlage für Eto-Magnetaktuatoren. Die Systeme kommen etwa in ABS und ESP-Systemen in Autos zum Einsatz. | Bild: ETO Gruppe

Umsatz weit hinter Erwartungen, kein Gewinn

Nach früheren Aussagen Schwabes, war man für die Neuentwicklungen bereit, „jedes Jahr auf zwei bis drei Prozent Umsatzrendite zu verzichten“ – ein Kurs, der vom Eto-Eigner Laur-Stiftung mitgetragen wurde, der sich zuletzt aber nicht mehr durchhalten ließ. Zumal die neuen Geschäftsfelder weit hinter den Erwartungen zurückblieben und keine Gewinne einfuhren. Das Ziel, mit den neuen Technologien bis 2027 rund 150 Millionen Euro Umsatz zu erwirtschaften, ist denn auch in unerreichbare Ferne gerückt.

Eto-Logo am Stockacher Stammsitz. Wie stark wird der Standort von der Restrukturierung betroffen sein?
Eto-Logo am Stockacher Stammsitz. Wie stark wird der Standort von der Restrukturierung betroffen sein? | Bild: Sandra Bonitz

Bei der Eto geht es jetzt ums Eingemachte

Vielmehr geht es bei der Eto jetzt ums Eingemachte. Wie fast alle Autozulieferer leidet auch das Stockacher Stiftungsunternehmen unter mangelnden Abrufen von Kernkunden aus der Automobilindustrie. Statt eines für 2024 angepeilten Umsatzes von 500 Millionen Euro, landete man bei 430 Millionen – ein Minus von 14 Prozent.

Als Folge wies das Unternehmen für das Geschäftsjahr 2024 Verluste aus. Sollte der Aufschwung der allgemeinen Automobilmärkte nicht zügig einsetzen, seien betriebsbedingte Kündigungen im weiteren Jahresverlauf ‚nicht unwahrscheinlich‘, sagte Eto-Finanzchef Hubertus Stroetmann im April diesen Jahres dem SÜDKURIER. Rund 200 Stellen weltweit hat Eto in den vergangenen 18 Monaten nach eigenen Angaben bereits abgebaut.

Bodensee-Gemeinde steht vor Ausfällen bei der Gewerbesteuer

Im Moment dämpft der breite Einsatz von Kurzarbeit in der Belegschaft die Kosten im Personalbereich und hilft Auftragsrückgänge abzufedern. Aber auch diese Brücke hält nicht ewig. Von der Entwicklung betroffen ist auch Stockach, wo der Stammsitz des Konzerns mit rund der Hälfte aller Beschäftigten weltweit beheimatet ist. Hier muss man für Jahre auf wichtige Gewerbesteuereinnahmen verzichten.

Seit rund einem Jahr Eto-Finanzchef: Hubertus Stroetmann. Liquiditätssicherung ist erste Aufgabe.
Seit rund einem Jahr Eto-Finanzchef: Hubertus Stroetmann. Liquiditätssicherung ist erste Aufgabe. | Bild: Eto

Transformation soll schneller werden

Nach dem Abgang Schwabes will die neue Eto-Führung die Transformation des Unternehmens nun „beschleunigen“, wie es in einer Mitteilung heißt. Details nennt das Unternehmen nicht. Klar ist aber, dass die Sicherung der Liquidität eine der wichtigsten Aufgaben ist. Dazu müssen auch die Kosten gesenkt werden.

Dabei rücken wahrscheinlich die neuen Geschäftsfelder in den Fokus. Bereits im April hatte Schwabe in einem SÜDKURIER-Interview gesagt, man erwäge, sie „herunterzufahren oder zu verkaufen“. In den nächsten drei bis sechs Monaten werde es „klare Entscheidungen geben“, sagte er. Das dürfte nun deutlich schneller gehen.