Man habe sich bewusst für Rindertalg vom Bodensee entschieden, um Nachhaltigkeit, Tierwohl und Qualität zu gewährleisten. So schreibt es die Internetseite des Unternehmens Tallow, das Hautpflege aus Rindertalg herstellt.

Wie eine SÜDKURIER-Recherche ergab, stammt der verwendete Rindertalg der Firma Tallow jedoch nicht ausschließlich vom Bodensee, sondern auch aus dem Allgäu. Trotzdem taucht die Bodensee-Herkunft in der Tallow-Werbung kräftig auf – weshalb ein Anwalt für Wettbewerbs- und Markenrecht aus Ravensburg Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Werbung hegt.

Aber wieso kommt der Bodensee bei Konsumenten so gut an, dass so explizit mit diesem geworben wird, selbst bei Produkten, die wenig mit dem See zu tun haben?Jochen Rädeker sagt: Das liegt daran, dass eben jeder den Bodensee so mag. Dazu gibt es aber noch weitere Faktoren.

Der Bodensee hat positiven Effekt auf Konsumenten

Rädeker ist Professor für Corporate Identity und Corporate Design an der Hochschule Konstanz und Dekan der Fakultät Architektur und Gestaltung.

Wie er erklärt, spiele sich bei der Rezeption von Werbung vieles im Unterbewusstsein ab. Ist man mit etwas Positivem, ungefährlichen bereits in Kontakt gewesen, wird das gute Gefühl mit jedem neuen Kontakt verstärkt – so versuchen Marken eine positive Konnotation beim Konsumenten zu erzeugen.

Jochen Rädeker ist Professor für Kommunikationsdesign, Corporate Identity und Corporate Design an der HTGW Konstanz.
Jochen Rädeker ist Professor für Kommunikationsdesign, Corporate Identity und Corporate Design an der HTGW Konstanz. | Bild: Strichpunkt Design

Dass der Bodensee dabei so positiv belegt ist, habe einige Gründe, sagt der Marketing-Experte. Zum einen sei die Region auch überregional bekannt – selbst in weit entfernten Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern sei der Bodensee ein Begriff. Dazu gehöre, dass der Bodensee als Urlaubsregion wahrgenommen werde – und Urlaub generell positiv.

Zum anderen verbinden Konsumenten mit dem Bodensee auch gesundheitliche Aspekte: So sei die Bodenseeregion kein massives Industriegebiet, aus dem See beziehen Millionen Menschen frisches Trinkwasser und nicht weit vom See entfernt finden sich schneebedeckte Gletscher.

Auch die Skandalfreiheit des Bodensees ist ein weiterer Grund für dessen positives Ansehen. Anders als etwa Österreich mit dem Glykowein-Skandal habe die Region bisher keinen aus der überregionalen Presse bekannten Skandal gehabt. 1985 wurden österreichische Weine mit Frostschutzmitteln gestreckt, ein Grund, weshalb Weine aus Österreich noch heute von vielen Konsumenten gemieden werden, sagt Rädeker. Zudem gilt die Bodenseeregion als teuer „und teuer gilt bei Produkten oft auch als Qualitätsausweis“, sagt Rädeker.

„Bodensee-Washing“ wertet Produkte automatisch auf

Der Begriff Greenwashing steht dafür, wenn Unternehmen ihre Produkte umweltfreundlicher bewerben, als sie tatsächlich sind. Laut Rädeker gibt es das auch im Fall des Bodensees. Also ein „Bodensee-Washing“?

„Ein Apfel, der direkt an der A81 wächst, würde wohl niemand kaufen“, erklärt Rädeker. „Einen Apfel, der an der A81 wächst und damit beworben wird, vom Bodensee zu stammen, wird automatisch aufgewertet. Egal wo der Baum eigentlich steht.“

Laut Rädeker gebe es nur wenige Regionen, die ein solches Lebensgefühl verkörpern wie der Bodensee. Ein Marketing, das auch im Fall der Tallow-Creme funktioniere: „Ob die Rinder jetzt Gras von der Mettnau gegessen haben oder von woanders, macht für das Produkt selbst keinen Unterschied. Beim Konsumenten verstärkt das aber das positive Gefühl“, sagt Rädeker.

Mogelpackungen will man nicht

Ein Verein, der stark auf das Regional-Label Bodensee setzt, ist der Verein „Gutes vom See“ mit eigenem Siegel: Durch das „Gutes vom See“-Zeichen sollen Konsumenten sichergehen können, dass es sich wirklich um regionale Lebensmittel handelt.

Dafür hat der Verein strenge Richtlinien aufgestellt: Mitglieder brauchen eine Bio-Zertifizierung, das Qualitätszeichen Baden-Württemberg und müssen aus einem Radius von 40 Kilometern um den Bodensee kommen. Darauf legt der Verein besonderen Wert.

Christoph Hönig ist Vorstandsvorsitzender vom Verein Gutes vom See und. Auf das Bodensee-Label legt er und der Verein großen Wert. „Wir ...
Christoph Hönig ist Vorstandsvorsitzender vom Verein Gutes vom See und. Auf das Bodensee-Label legt er und der Verein großen Wert. „Wir wollen keine Mogelpackung“, sagt er. | Bild: Gasch, Maximilian

„Wir wollen keine Mogelpackung“, sagt Christoph Hönig, Vorstandsvorsitzender des Vereins und Geschäftsführer des Hönig-Hofs.

Damit ein Produkt das Gutes vom See-Label bekommt, müssen alle bestandsgeben Anteile aus der Region kommen, sagt Hönig. Wenn es zu viele Stoffe gibt, die nicht vom See kommen, gibt es kein Label. „Mindestens 90 Prozent müssen es schon sein“, sagt Hönig. „Nimmt man die Marmelade als Beispiel, sollte zum Beispiel auch der Zucker von hier kommen.“

Er findet, dass das Bodensee-Label in der Werbung zu inflationär verwendet werde – was ihn störe. Kunden, die Regionalität wollen, haben laut Höning ein Recht darauf, diese auch zu bekommen. Hier müsse besser hingeschaut werden: Auf diejenigen, die es richtig machen, werfe das sonst auch ein schlechtes Licht. Natürlich wolle er niemandem Betrug unterstellen, das höchste Gut, das sein Verein habe, sei aber eben das Vertrauen der Konsumenten.