Jobabbau, hohe Schulden und der Verkauf von Konzernteilen – der Zulieferer ZF Friedrichshafen steckt in der Krise. Um auch in Zukunft innovativ zu bleiben, arbeiten die Friedrichshafener Entwickler aber parallel an Lösungen für die Mobilität der Zukunft. Am internationalen Technologietag des Unternehmens im rheinland-pfälzischen Zweibrücken haben sie die wichtigsten Neuentwicklungen präsentiert.

Bremst auch bei nassem Belag präzise: ZF-Demo-Fahrzeug EVSelect.
Bremst auch bei nassem Belag präzise: ZF-Demo-Fahrzeug EVSelect. | Bild: Felix Kästle, dpa

Bremsen,Bremsen ohne zu nicken

Sanft bremsen will gelernt sein. E-Autos kriegen das meist noch nicht richtig hin, denn hier greifen zwei Systeme ineinander. Wenn die Ampel rot wird und der Fahrer vom Gas geht, wird der E-Motor automatisch zum Generator und speist Energie in den Akku zurück. Spürbar wird das durch ein deutliches Abbremsen des Fahrzeugs.

Meist reicht die Verzögerung aber nicht ganz, und daher schaltet sich zum Schluss die mechanische Bremse zu. Das kann recht unsanft geschehen, Kopfnicken und Stuckern inklusive. ZF verhindert dies nun mit einem Trick. „Wir gehen einen ganz neuen Weg und bremsen bis zum Stillstand rein elektrisch“, sagt Otmar Scharrer, Entwicklungschef der ZF-Antriebssparte.

Die Folge ist ein gleitender Übergang, selbst aus sehr hohen Geschwindigkeiten, bis zum Stillstand. Das System könnte in Sachen Fahrkomfort zum Standard werden, heißt es bei ZF. Übrigens: Die mechanische Bremse ist streng genommen gar nicht mehr nötig, bleibt aber natürlich aus Sicherheitsgründen an Bord.

Mathias Miedreich, ZF-Vorstand der Antriebsdivision, steht vor einem Modell der Motoren-Plattform Select. Mit ihr können Autobauer ...
Mathias Miedreich, ZF-Vorstand der Antriebsdivision, steht vor einem Modell der Motoren-Plattform Select. Mit ihr können Autobauer kostengünstiger als bisher verschiedene Antriebsvarianten produzieren. | Bild: Felix Kästle, dpa

Baukasten für E-Motoren

E-Autofahrer haben mittlerweile die Qual der Wahl. Es gibt nicht nur rein batterieelektrische Fahrzeuge und Hybride, also Mischwesen, die sowohl einen Verbrennungs- als auch einen Elektromotor enthalten.

Es gibt auch Hybride mit Ladekabel (Plug-Ins), solche, die den Verbrenner nur beim Anfahren und Beschleunigen unterstützen (Mild-Hybrid), solche mit großen und kleinen Batterien und es gibt Range-Extender, also E-Autos mit einem Mini-Verbrenner an Bord. Diese Vielfalt bedeutet hohe Kosten für die Autobauer, weil mit den unterschiedlichen Varianten die Stückzahlen sinken.

Um seine Neuheiten zu präsentieren, hat ZF einen kleinen Flughafen in Zweibrücken gemietet. Journalisten konnten die bis zu 700 PS ...
Um seine Neuheiten zu präsentieren, hat ZF einen kleinen Flughafen in Zweibrücken gemietet. Journalisten konnten die bis zu 700 PS starken Fahrzeuge dort testfahren. | Bild: ZF/Kästle

ZF schafft hier Abhilfe und bietet seinen Automobilkunden einen Antriebs-Baukasten an, in den nahezu alle Antriebsformen eingefügt werden können, ohne in der Produktionsstraße viel umzubauen.

So wäre es beispielsweise möglich, auf einem Band erst einen Plug-In-Hybrid, dann einen Range-Extender und dann einen Mild-Hybrid herzustellen – und das in nahezu allen Leistungsklassen.

Das ZF-System namens Select passt auf Antriebe mit bis zu 300 Kilowatt Leistung je Achse (407 PS) und bis zu 5500 Newtonmeter Drehmoment. Das alles sei in Friedrichshafen in zwei Jahren Entwicklungszeit auf die Beine gestellt worden, sagt Scharrer. „Wir haben da Chinese Speed“, sagt Chefentwickler Scharrer – ein Tempo wie in China üblich.

Kleiner, leichter, leistungsfähiger: Benedikt Schauder, Entwicklungsleiter bei ZF, zeigt die Vorteile der neuen Auto-Wärmepumpe Thermas ...
Kleiner, leichter, leistungsfähiger: Benedikt Schauder, Entwicklungsleiter bei ZF, zeigt die Vorteile der neuen Auto-Wärmepumpe Thermas von ZF. Sie übernimmt die komplette Klimatisierung im Fahrzeug – vom Innenraum bis zu den Motoren. | Bild: Felix Kästle, dpa

Thermas: die Wärmepumpe fürs Auto

In Wohnhäusern ist sie bereits Standard, bei Autos hat sie noch Seltenheitswert – die Wärmepumpe. Mit einer Neuentwicklung hat sich ZF jetzt an die Spitze der Technologie gesetzt. Das Problem bei E-Autos: E-Motoren verwandeln Energie viel umfassender in Vortrieb um, als Benziner oder Diesel, wo der Großteil der Energie aus dem Sprit in Form von Abwärme verpufft.

Die Effizienz des E-Motors hat aber auch einen Haken. Abwärme, um den Innenraum zu heizen oder die Batterie im Winter zu erwärmen, gibt es fast nicht. ZF hat daher ein System entwickelt, das anfallende Wärme im Fahrzeug aufsammelt und an Stellen leitet, wo sie benötigt wird.

Das System lässt sich umpolen und liefert dann statt Wärme Kälte. „Wir ernten Abwärme“, sagt Benedikt Schauder, Entwicklungsleiter bei ZF. Dafür nutzt ZF eine Wärmepumpe, die je nach Betriebsmodus Kälte in Wärme und Wärme in Kälte umwandeln kann.

Innovationsfahrzeug EVselect: Per Knopfdruck kann man alte und neue Antriebstechnologien simulieren. Der Unterschied ist gewaltig, der ...
Innovationsfahrzeug EVselect: Per Knopfdruck kann man alte und neue Antriebstechnologien simulieren. Der Unterschied ist gewaltig, der Vortrieb des Hybrids brachial. | Bild: Felix Kästle, dpa

Das Thermas genannte System sei sehr kompakt und verlustarm, sagt Schauder. Wenn es zu heiß draußen ist, kühlt es den Akku herunter. An kalten Tagen bringt es die Batterie auf Temperatur. Im Winter sind dank Thermas nach Angaben von ZF längere Elektro-Reichweiten zwischen zehn und 30 Prozent drin.

Als Kältemittel setzt übrigens ZF auf Propan und betritt damit im Fahrzeugbereich Neuland. Bei Haus-Wärmepumpen ist Propan Standard, im Fahrzeugbereich noch nicht, obwohl seine Produkteigenschaften laut Schauder im Vergleich zu herkömmlichen Kältemitteln „hervorragend“ sind.

Mitte 2026 soll Propan von den Genehmigungsbehörden in Autos zugelassen werden. 2027/2028 soll dann die neue Wunder-Wärmepumpe von ZF in Serie gehen.

Weiterentwickeltes Erfolgsgetriebe: Das 8HP evo soll die 4. Generation des Brot-und-Butter-Getriebes 8HP von ZF ablösen. Ein E-Aggregat ...
Weiterentwickeltes Erfolgsgetriebe: Das 8HP evo soll die 4. Generation des Brot-und-Butter-Getriebes 8HP von ZF ablösen. Ein E-Aggregat ist hier integriert. | Bild: BodeMarc

Automatikgetriebe 8HPevo: der Goldesel wird neu aufgelegt

Es gibt im gesamten ZF-Konzern wenige Produkte, die in den vergangenen Jahren so zum Erfolg des Unternehmens beigetragen haben, wie das Automatikgetriebe 8HP. Die größten Kunden sind BMW und der Stellantis-Konzern, mit seinen diversen Untermarken.

Aber auch in Audi, Maserati oder Rolls-Royce stecken die butterweich schaltenden ZF-Automaten, die seit 2008 produziert werden und mittlerweile in vierter Generation vom Band laufen. Nachdem die Weiterentwicklung im Zuge der Diskussion um das Verbrenner-Aus zunächst eingestellt wurde, hat sich ZF nun entschlossen, das „ikonische Getriebe“, wie ZF-Antriebsvorstand Mathias Miedreich das 8HP nennt, noch einmal neu aufzulegen. Und zwar als Hybid-Getriebe namens 8HPevo.

Wie schon der Vorgänger beinhaltet es einen Elektromotor, der aber jetzt mit bis zu 200 Kilowatt der stärkste seiner Klasse ist. Die Hybrid-Version nebst ZF-eigener Leistungselektronik, die auf dem gleichen Bauraum wie die klassische Variante verwirklicht wurde, soll mehr Effizienz und damit mehr Leistung und mehr Reichweite bringen. Hybride, die das 8HPevo nutzen, kämen bis zu zehn Prozent weiter als Vergleichsfahrzeuge ohne Evo-Technologie, sagt ZF-Antriebsentwickler Scharrer.

Mit seinem neuen Range Extender – einem E-Antrieb mit kleinem integrierten Verbrennungsmotor, will ZF neue Kunden gewinnen.
Mit seinem neuen Range Extender – einem E-Antrieb mit kleinem integrierten Verbrennungsmotor, will ZF neue Kunden gewinnen. | Bild: ZF

Mini-Motor, der die Reichweitenangst nimmt

Reichweitenangst hält viele Autofahrer davon ab, auf reine E-Fahrzeuge umzusteigen. ZF hat jetzt mit seinem Range-Extender eine Lösung für alle Vollelektro-Muffel gefunden.

Bei einem Range Extender (deutsch: Reichweitenverlängerer) handelt es sich um einen kleinen Verbrenner mitsamt Stromgenerator, der an eine E-Maschine gekoppelt wird. So wird Energie für die Fahrzeugbatterie erzeugt und die Reichweite verlängert.

Das Auto fährt elektrisch, die Energie für die Batterie liefert aber ein konstant drehender Verbrenner im optimalen Drehzahlbereich. Das Konzept ermögliche den Herstellern „temporär einen elektrischen Allradbetrieb ohne den Einbau eines zusätzlichen E-Motors“, heißt es von ZF.

Auf dem Technologietag in Zweibrücken hat ZF eine ganze Reihe von Neuheiten präsentiert, darunter ein neuartiges Bremssystem, das ohne ...
Auf dem Technologietag in Zweibrücken hat ZF eine ganze Reihe von Neuheiten präsentiert, darunter ein neuartiges Bremssystem, das ohne mechanische Bremse auskommt. Verzögert wird nur durch Rekuperation eines E-Motors. | Bild: Felix Kästle, dpa

Die Produktion eines ersten Kundenprojekts bereitet ZF nach eigenen Angaben für 2026 vor. Übrigens: Range Extender sind keine neue Technologie. Insbesondere in Deutschland hat sie sich aber nie durchgesetzt, weil deutsche Autobauer für ihre schweren Limousinen lieber auf leistungsstarke Motoren als auf die Reichweitenverlängerer gesetzt haben. Bei Mazda gibt es aber seit Jahren Range Extender im Programm.