Man muss schon genau hinschauen, um die 220.000 Euro nicht zu übersehen, die in dem kleinen, weißen Kästchen auf dem Tisch liegen. Die Sonne entlockt dem Kästchen ein verführerisches Funkeln in saphirblau und rubinrot.

Die winzigen Edelsteine sind schön. Doch das ist in diesem Fall zweitrangig. Alexander Streeb und Oliver Kleimeier, die am Tisch sitzen und die Edelsteine zeigen, sind keine Juweliere. Sie kommen aus der Finanzbranche und Edelsteine sind für die beiden vor allem eins: eine Möglichkeit, um Geld anzulegen.

Ausland bei Edelsteinen vorne

Dass dies im deutschsprachigen Raum noch kaum verbreitet ist, fiel Alexander Streeb auf, als er mit Mitte 50 eine berufliche Auszeit nahm und mit seiner Frau um die Welt reiste. „In Asien, Amerika, Russland oder Dubai ist es ganz normal, in Edelsteine zu investieren, bei uns unter Privatanlegern weitgehend unbekannt“, so Streeb.

Alexander Streeb (links) und Oliver Kleimeier vom Deutschen Edelsteinhaus in Amtzell sind keine Juweliere, sondern kommen aus der ...
Alexander Streeb (links) und Oliver Kleimeier vom Deutschen Edelsteinhaus in Amtzell sind keine Juweliere, sondern kommen aus der Finanzbranche. Die Steine, die sie auf dem Tisch vor sich betrachten, haben einen Wert von rund 220.000 Euro. | Bild: Sandra Markert

Experten aus Amtzell

Statt vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, entschied er sich im Jahr 2018 dazu, das Deutsche Edelsteinhaus zu gründen. Zufällig verirrt sich eher kein Kunde in das Gebäude im beschaulichen oberschwäbischen Amtzell nahe Wangen. Muss er aber auch nicht. „80 Prozent unserer Beratungen und Käufe finden ohnehin online statt“, sagt Oliver Kleimeier.

Der Sunrise Rubin- und Diamantring von Cartier mit einem Gewicht von 25,59 Karat, wird während einer Besichtigung bei Christie‘s gezeigt.
Der Sunrise Rubin- und Diamantring von Cartier mit einem Gewicht von 25,59 Karat, wird während einer Besichtigung bei Christie‘s gezeigt. | Bild: Salvatore Di Nolfi, dpa

Wie aber funktioniert das jetzt, wenn man sein Geld in Edelsteinen anlegen möchte? Und warum sollte man dies überhaupt tun? Statt auf bewährte und weitverbreitete Sachwerte wie Gold zu setzen? Auf andere schöne Dinge wie Uhren oder Oldtimer? Oder auf Exotisches wie Whisky oder Porzellantässchen?

Hohe Wertdichte bei Edelsteinen

Den naheliegendsten Grund zeigt das kleine Kästchen auf dem Tisch. „Es gibt kaum eine bessere Möglichkeit, um Geld so verdichtet anzulegen wie Edelsteine“, sagt Kleimeier. Gold im Wert von 220.000 Euro trägt man nicht mehr in der Hosentasche mit sich herum, das würde mehr als zwei Kilogramm wiegen. Allein mit Bitcoins ist das ebenfalls möglich, ihnen wird die höchste Wertdichte nachgesagt.

Wobei viele der Kunden des Deutschen Edelsteinhauses auch Gold oder Kryptowährung besitzen. „Oft haben die Leute auch schon Aktien, Anleihen und Immobilien und suchen eine weitere Anlagemöglichkeit“, sagt Streeb. Was zeigt, an welche Kundenschicht sich die Geldanlage richtet: an die eher vermögende, die finanziell bereits anderweitig gut vorgesorgt hat.

Experte: Man braucht Finanzkompetenz

„Nur wer ein sehr großes Portfolio mit klassischen Anlageformen besitzt, noch Geld übrig hat und Sachverstand für Edelsteine mitbringt, sollte das machen“, sagt Verhaltensökonom Hartmut Walz. Walz lehrt an der Hochschule Ludwigshafen zu Themen wie Finanzkompetenz und Finanzpsychologie und hat ein Buch über Geldanlage geschrieben, in dem er auch exotische Anlageklassen wie Edelsteine erwähnt („Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen“, Haufe 2024).

PBei der DDI Stiftung Deutsches Diamant Institut in Pforzheim wird ein natürlicher Diamant mit 3,53 Karat in ein Diamantprüfgerät ...
PBei der DDI Stiftung Deutsches Diamant Institut in Pforzheim wird ein natürlicher Diamant mit 3,53 Karat in ein Diamantprüfgerät gelegt. Mit dem Gerät wird geprüft ob es sich um synthetische oder natürliche Diamanten handelt. Diamanten sind eine Spezialform des Edelsteins. | Bild: Uli Deck, dpa

Anders als bei Gold gibt es weltweit rund 1200 Arten von Farbedelsteinen. Ihr Wert hängt unter anderem von Reinheit, Farbe, Schliff und Größe ab. Echtheit und Wert lässt man am besten in unabhängigen Laboren prüfen. „Wir halten nur zwölf dieser Farbedelsteine für geeignet als Investment“, sagt Kleimeier.

Auf Steine wie Saphire, Rubine, Smaragde oder Tumaline trifft zu, dass sie tausende bis Millionen von Jahren alt und dadurch ein knappes, seltenes Naturprodukt sind. Diamanten gibt es Kleimeier zufolge beispielsweise viel zu viele, was sie wenig werthaltig mache. Die Preise für die sogenannten Investment-Edelsteine beginnen im Deutschen Edelsteinhaus bei rund 15.000 Euro. „Unsere Kunden investieren im Durchschnitt 30.000 bis 40.000 Euro“, so Kleimeier.

Niedrigerer Einstieg bei Gold

Bei Gold dagegen kann man schon ab einer Feinunze in die Anlage einsteigen, die derzeit einen Marktpreis von etwa 2700 Euro hat. Darunter lohnt sich das auch hier nicht, da der Verkaufspreis dem Bundesverband der Verbraucherzentralen zufolge meist durchschnittlich etwa sechs Prozent über dem Ankaufspreis liegt. Damit man überhaupt aus der Verlustzone kommt, muss der Goldpreis also erst mal um die Handelsmarge des Anbieters steigen.

Wieviel des Warenwerts geht an die Händler?

„Bei Edelsteinen beträgt diese Handelsmarge durchschnittlich 35 bis 45 Prozent“, sagt Hartmut Walz. Für das Deutsche Edelsteinhaus möchte Alexander Streeb diese Zahlen nicht stehen lassen. Man biete den Kunden an, bei Verkaufsinteresse die Edelsteine an andere Kunden zu vermitteln. „In der Regel verlangen wir für den Weiterverkauf 12 Prozent“, so Streeb.

Drei natürliche Diamanten (in blau dargestellt) und ein synthetischer Diamant (in grün dargestellt) zu sehen.
Drei natürliche Diamanten (in blau dargestellt) und ein synthetischer Diamant (in grün dargestellt) zu sehen. | Bild: Uli Deck, dpa

Was den Wiederverkauf von Edelsteinen zusätzlich erschwert: Anders als bei Gold fehlt derzeit noch ein Börsenkurs, welcher die Preise weltweit transparenter machen würde. „Und da Gold viel weiter verbreitet ist als Edelsteine, kann man es auch leichter verkaufen“, erklärt Walz. Bei Edelsteinen dagegen müsse man Zeit einplanen, um das angelegte Geld wieder flüssig zu machen – ähnlich wie das bei seltenen Kunstwerken auch der Fall sei.

Gemälde, Oldtimer, Briefmarken oder Whisky

Einen Vorteil aber bringt der fehlende Börsenhandel den Edelsteinen. „Anders als bei Gold haben wir nicht so schwankende Preise“, sagt Streeb. Das beschere Edelstein-Anlegern seit Jahrzehnten stabile Renditen von fünf bis acht Prozent pro Jahr. „Und weil der Wert so stabil ist, kann ich auch zu jedem beliebigen Zeitpunkt Edelsteine kaufen, anders als das etwa bei Aktien der Fall ist“, so Streeb.

Für Hartmut Walz spielt bei der Wahl einer exotischen Anlageform wie Edelsteinen, Gemälden, Oldtimern, Briefmarken oder Whisky auch die sogenannte emotionale Rendite eine Rolle. „Man kann ja durchaus Glück und Freude dabei empfinden, einen Edelstein oder ein altes Auto zu betrachten“, so Walz.

Auch etliche der Kunden, die den Weg ins Deutsche Edelsteinhaus nach Amtzell finden, nehmen ihre Edelsteine dort gern in die Hand, erzählt Streeb. Schöner als ein Haufen Euro-Scheine sind sie in jedem Fall.