Seit das Bürgergeld 2023 eingeführt wurde, entstehen rund um die Sozialleistung immer wieder öffentliche Debatten. Sei es im Hinblick auf die Anzahl der Bürgergeldempfänger in Deutschland, die Frage, welche Kosten das Jobcenter übernimmt oder inwiefern die Regelsätze ausreichen, um den Lebensunterhalt zu sichern. Und auch der Anteil an ausländischen Bürgergeldbeziehern sorgt in Politik und Medien wiederholt für Diskussionsstoff. Zuletzt kam dieses Thema auch im ARD-Sommerinterview mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel zur Sprache. Dem Faktencheck der Tagesschau zufolge traf Weidel im Laufe des Gesprächs mehrere falsche, überspitzte oder pauschalisierende Aussagen, unter anderem im Hinblick auf Bürgergeldempfänger aus dem Ausland und mit Migrationshintergrund.
Aussagen von Alice Weidel zum Bürgergeld: „Hälfte sind Ausländer“
Im ARD-Sommerinterview am 20. Juli 2025 behauptete Weidel: „Die Hälfte der Bürgergeldempfänger sind Ausländer. Die haben nie in dieses Sozialsystem eingezahlt. Und die andere Hälfte hat zu drei Vierteln einen Doppelpass, sie haben Migrationshintergrund.“ Die AfD-Vorsitzende kritisierte, dass der Steuerzahler somit für den Unterhalt von Menschen aufkommen müsse, die keinen eigenen Beitrag zum deutschen Sozialsystem geleistet hätten. Die AfD wolle das Bürgergeld für ausländische Staatsbürger komplett abschaffen, sagte Weidel zu einem späteren Zeitpunkt des Interviews. Doch was ist wirklich dran an ihren Aussagen über Bürgergeldempfänger mit ausländischen Wurzeln?
Sind die meisten Bürgergeldempfänger tatsächlich Ausländer oder Menschen mit Migrationshintergrund?
Wie die Tagesschau berichtet, ist Weidels Behauptung, dass nur ein Bruchteil Deutscher ohne Migrationshintergrund Bürgergeld bezieht, nicht richtig, da offizielle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ein anderes Bild zeigen. Laut der aktuellsten Statistik vom Dezember 2024 lag der Anteil an Ausländern unter den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten bei 47 Prozent und der Anteil an Deutschen bei 51 Prozent. Die verbliebenen zwei Prozent machten keine Angabe zur eigenen Staatsangehörigkeit.
Unter den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit deutscher Staatsbürgerschaft haben wiederum 71 Prozent keinen Migrationshintergrund, 29 Prozent hingegen schon. Unter allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten liegt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund bei knapp 64 Prozent. Daten zur doppelten Staatsbürgerschaft werden von der Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich nicht erfasst.
Weidels erste, oben zitierte Aussage liegt demnach nah an der Realität, da den Erhebungen der Bundesagentur für Arbeit zufolge tatsächlich knapp die Hälfte der Bürgergeldempfänger ausländische Staatsbürger sind. Ihre Behauptung, dass unter den Deutschen, die Bürgergeld beziehen, drei Viertel einen Migrationshintergrund besitzen würden, lässt sich anhand der Statistik allerdings klar widerlegen, denn der Anteil an Menschen mit Migrationsgeschichte liegt hier in Wahrheit bei weniger als einem Drittel.
Auch interessant: Bereits Anfang Juli sorgte die AfD im Zusammenhang mit ausländischen Bürgergeldempfängern durch eine Anfrage an die Bundesregierung für Schlagzeilen: Damit wollte die Partei die häufigsten Vornamen von Bürgergeldempfängern in Erfahrung bringen.
Haben ausländische Bürgergeldempfänger wirklich nie ins deutsche Sozialsystem eingezahlt?
Weidels Vorwurf, ausländische Bürgergeldempfänger hätten nie ins deutsche Sozialsystem eingezahlt, bewertet Andreas Hauptmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), gegenüber der Tagesschau als „zu pauschal“. Tatsächlich lässt Weidel dabei außen vor, dass Bürgergeld auch von Menschen in Anspruch genommen werden kann, die zuvor einer Beschäftigung nachgegangen sind oder die ihr aktuelles geringes Einkommen aufstocken wollen.
Laut IAB-Berechnungen gingen im November 2024 rund 410.000 ausländische erwerbsfähige Leistungsbeziehende einer Erwerbsarbeit nach, wobei mit 210.000 Menschen über die Hälfte von ihnen sozialversicherungspflichtig beschäftigt war und somit auch einen Beitrag zum deutschen Sozialsystem geliefert hat. „Ein Teil der ausländischen Staatsangehörigen hat vorher gearbeitet und Beiträge gezahlt“, betont Hauptmann zudem im Bericht der Tagesschau.
Tatsächlich leisten Staatsangehörige aus der Ukraine und den wichtigsten Asylherkunftsländern nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einen zentralen Beitrag zur Finanzierung der Sozialversicherung in Deutschland. „So entfällt der gesamte Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung derzeit auf Personen aus diesen Staaten“, sagte ein Sprecher des Ministeriums der Tagesschau.
Übrigens: Mit der geplanten Neuen Grundsicherung sollen Geflüchtete aus der Ukraine künftig kein Bürgergeld mehr erhalten. Darüber hinaus sieht die Neue Grundsicherung strenge Regeln, insbesondere für Arbeitslose, vor. Gemeinsam mit der vorgesehenen Reform des Hinzuverdienst könnte das die Zahl der Bürgergeldempfänger deutlich reduzieren.