Eine Bürgergeld-Reform ist eines der zentralen Ziele der Koalition, bestehend aus Union und SPD. Die Bundesregierung will vor allem die Kosten für die Grundsicherung reduzieren. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sprach im Wahlkampf laut dem Handelsblatt von „zweistelligen Milliardenbeträgen“, die gespart werden sollen. Die Problemstellung: Bislang war unklar, wie das gelingen sollte und die SPD bremste die Erwartungen. Mehr als 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2026 und 4,5 Milliarden Euro 2027 seien nicht zu machen, stellte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf im ARD-Morgenmagazin klar. Doch nun wagte Merz einen Vorstoß mit Knalleffekt, der einen Hinweis darauf geben könnte, wie bei der Grundsicherung mehr Geld gespart werden könnte.
Merz will Wohnkosten-Limitierung für Bürgergeld-Empfänger
Viele Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld sind nicht nur für den Regelsatz berechtigt, sondern bekommen vom Jobcenter auch ihre Miete, oder zumindest einen Zuschuss zur Miete, bezahlt. Der Bundeskanzler ist der Meinung, dass einigen Bürgergeld-Berechtigten zu viel Geld für das Wohnen gezahlt wird. Im ARD-Sommerinterview führte Merz an, dass manchen Empfängerinnen und Empfängern ein Wohnkostenzuschuss von 20 Euro pro Quadratmetern gezahlt würde. „Das sind bei 100 Quadratmeter schon 2000 Euro im Monat. Das kann sich eine normale Arbeitnehmerfamilie nicht leisten“, kritisierte er.
Merz‘ Kritik schlägt in dieselbe Kerbe wie die von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, der sich zuletzt in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ über hohe Bürgergeld-Zahlungen beschwert hatte. „Die Höhe der Leistung kommt durch die Übernahme sehr hoher Mieten zustande. Mir sind Fälle bekannt, in denen bis zu 5000 Euro monatlich für eine vierköpfige Familie bezahlt wurden“, hatte Palmer danach unserer Redaktion erklärt. Merz erklärte im ARD-Sommerinterview, dass die Mietzahlungen durch die Jobcenter nun „auf dem Prüfstand der Koalition“ stehen würden. Demnach seien eine Pauschalierung möglich, geringere Sätze denkbar und eine Überprüfung der unterstützten Wohnungsgrößen durch den Staat sinnvoll.
Für seine Aussagen erntete der Bundeskanzler in der Folge viel Kritik. „Unausgegoren“ nannte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt die Pläne laut eines Berichts der Tagesschau. „Die Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz, bei den Wohnkosten kräftig sparen zu wollen, entbehrt jeder Grundlage“, sagte demnach Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. Und DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel kritisierte im Gespräch mit der Funke Mediengruppe: „Wer Mietkosten beim Bürgergeld deckeln oder pauschalieren will, muss auch sagen, wie er das Problem der fehlenden Wohnungen lösen will.“ Ansonsten drohe Armut und Wohnungslosigkeit, weswegen Merz‘ Ansatz „grundfalsch“ sei.
Dem Vorstoß von Merz könnte nun aber frischen Wind in die Segel geblasen werden. Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Mietzahlungen beim Bürgergeld auf einem Rekordhoch angekommen sind.
Bürgergeld: Mietzahlungen waren noch nie so hoch
Im März 2025 haben die Jobcenter 1,48 Milliarden Euro für Kosten der Unterkunft (KdU) ausgegeben, wie aus einer aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht. Ein Rekordwert, so viel Geld wurde in einem Monat noch nie für die Unterkünfte der Empfängerinnen und Empfänger der Grundsicherung bezahlt. Die Summe beläuft sich auf 38 Prozent der kompletten Bürgergeld-Kosten für den März, die 3,94 Milliarden Euro betrugen. Seit März 2023 sind die KdU um acht Prozent gestiegen.
Wer sich tief durch die KdU-Statistik wühlt, der erkennt, dass 181.667 „Bedarfsgemeinschaften“ von den Jobcentern eine Wohnung oder ein Haus in einer Größe von mindestens 100 Quadratmetern bezahlt bekommen. Darunter befinden sich 20.236 Ein-Personen-Haushalte, 22.861 Zwei-Personen-Haushalte und 27.617 Drei-Personen-Haushalte. Gerade bei den Ein-Personen-Haushalten wird die Frage aufgeworfen, ob 100 Quadratmeter, die von Steuergeldern finanziert werden, nötig und vertretbar sind. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob Merz‘ Vorstoß in Kombination mit der KdU-Entwicklung die Bürgergeld-Debatte verändert.
Auch interessant: Eine Studie kam jüngst zu dem Schluss, dass der Bürgergeld-Regelsatz nicht ausreicht. Derzeit plant die Bundesregierung aber nicht, den Regelsatz der Grundsicherung anzuheben.