Wer Bürgergeld bezieht, ist nicht zwangsläufig arbeitslos. Im Januar 2025 gab es laut einer Statistik von Statista 820.000 sogenannte Bürgergeld-Aufstocker. Mit dem Begriff sind Personen gemeint, die zwar einer Arbeit nachgehen, mit dieser allerdings nicht genug verdienen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und ihr Einkommen daher mit der Grundsicherung aufstocken können. Die Bundesregierung plant, mit der Reform der Grundsicherung möglichst viele dieser Haushalte komplett aus dem Bürgergeld zu befreien. Ein Plan, der Potenziale, aber auch Problemstellungen mitbringt.
Bürgergeld: Attraktiverer Hinzuverdienst kann laut Studie einen Effekt haben
Grundsätzlich generiert in Deutschland jeder Berufstätige ein höheres Einkommen als erwerbslose Personen, die Bürgergeld beziehen. „Allerdings lohnt es sich für diejenigen, die Bürgergeld, Wohngeld und/oder Kinderzuschlag erhalten, finanziell häufig nur wenig, eine Beschäftigung aufzunehmen oder auszuweiten, weil meist der überwiegende Teil des zusätzlichen Erwerbseinkommens auf diese Sozialleistungen angerechnet wird“, ordnet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in einem Magazin-Beitrag ein. Genau hier will die Koalition aus Union und SPD ansetzen. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass für Bezieherinnen und Bezieher der Grundsicherung „immer Anreize bestehen, ein höheres Erwerbseinkommen zu erzielen oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen“.
Dafür sollen „die Schnittstellen zur Grundsicherung“ in den Blick genommen und die Hinzuverdienstregeln reformiert werden. Außerdem sollen Leistungen zusammengefasst und besser aufeinander abgestimmt werden, wie es im Koalitionsvertrag heißt.
Es gibt mehrere Ansätze, die vielversprechend sind, um einen Hinzuverdienst attraktiver zu gestalten und Leistungen zusammenzufassen. Das IAB hat im Rahmen einer Studie 54 unterschiedliche Reformideen simuliert. Die Ergebnisse: Vor allem gezielte Änderungen der Freibeträge und eine angepasste Anrechnungsregel bei Bürgergeld und Wohngeld könnten sich effektiv zeigen. Das Arbeitsangebot steige dadurch um bis zu 170.000 und beim günstigsten Szenario sinke die Zahl der Bürgergeld-Haushalte um bis zu 390.000.
Reduzierung der Bürgergeld-Haushalte: Es gibt einen Haken
Eine effektive Reform wäre laut dem IAB die „Reduktion der Hinzuverdienstmöglichkeiten bei niedrigen monatlichen Erwerbseinkommen durch Senkung des Grundfreibetrags“. So könnte die Bruttoeinkommensschwelle reduziert werden, ab der Bürgergeld-Haushalte „in die vorrangigen Leistungen Wohngeld und Kinderzuschlag wechseln müssen, was tendenziell die Zahl der Bürgergeldbeziehenden reduziert“, heißt es in der Studie. Eine geringere Zahl an Bürgergeldbeziehenden sei außerdem durch eine „Stärkung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung durch eine strengere Anrechnung unterhalb der Minijobgrenze“ zu erreichen.
Die Wohngeld-Formel könnte im Zuge der Bürgergeldreform angepasst werden. Eine solche Änderung sieht das IAB als nötig an, um das Zusammenspiel von Wohngeld und Bürgergeld zu perfektionieren. Mögliche Szenarien sind in einer Studie des Instituts der Wirtschaftsforschung (ifo) festgehalten. „Nicht alle Zielgrößen, wie die Erhöhung des Arbeitsangebots, die fiskalische Entlastung oder die Reduktion der Zahl der Haushalte im Transferbezug können gleichzeitig optimiert werden. Im Status quo stützt das Wohngeld den mittleren und oberen Transferbereich; eine Reduktion erfordert eine Reform des Bürgergeldes, um diesen Einkommensbereich zu stabilisieren“, werden in der Studie mögliche Zielkonflikte beschrieben.
Bei den Szenarien, bei denen die Zahl der Bürgergeld-Haushalte zurückgeht, gibt es neben Problemstellungen auch einen offensichtlichen Haken. Laut IAB-Studie nimmt die Anzahl der Haushalte, die für Wohngeld und Kinderzuschlag berechtigt sind, deutlich zu – und zwar um 1,2 Millionen. Diese Entwicklung stelle einen unvermeidbaren Effekt „bei einer Absenkung der Transferentzugsraten über den gesamten Einkommensbereich, in dem Haushalte Leistungsansprüche haben“ dar.
„Reformen der Hinzuverdienstregelungen können höhere Arbeitsanreize schaffen“, fasst IAB-Fachmann Jürgen Wiemers die IAB-Studie zusammen. Sie würden allerdings „eine klare Abwägung zwischen Zielkonflikten wie fiskalischer Belastung, Empfängerstruktur und kurzfristigen Einkommenseinbußen für Haushalte mit niedrigen Einkommen“ erfordern.