Lukas von Hoyer

Die Bundesregierung möchte die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld reduzieren. Dadurch sollen die Bürgergeld-Kosten gesenkt und mehr Personen dem Arbeitsmarkt zugeführt werden. Derzeit wird kontrovers diskutiert, ob und wie das durch eine Reform der Grundsicherung zu erreichen ist. Mitten in diese Debatte sorgt nun eine These des Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) für Aufsehen. „Wir brauchen mehr Bürgergeld-Empfänger“, begann Weber einen Post bei LinkedIn. Wie er diese Aussage begründet und wie seine Ideen die derzeitige Diskussion verändern könnte, erfahren Sie hier.

Experte fordert mit provokanter Aussage eine bestimmte Bürgergeld-Reform

Weber räumt in seinem Posting ein, dass die Aussage im ersten Moment absurd klinge – und womögliche auch absurd sei. Mit dieser steilen These will er demnach für eine Reform werben: „Sozialleistungen aus einer Hand, mit transparenten Erwerbsanreizen und aktiver arbeitsmarktpolitischer Unterstützung, hunderttausende zusätzliche Jobs“, schlägt Weber vor: „Das ist das Potenzial einer Sozialstaatsreform.“ Erreicht werden könne eine solche durch zwei kombinierte Ansätze:

  1. Finanzielle Anreize: Weber fordert einen durchgängigen Selbstbehalt von 30 Prozent auf sämtliche Einkommen während des Leistungsbezugs, welcher in einem integrierten System mit Kinderzuschlag und Wohngeld einhergeht. Dadurch könnte verhindert werden, dass Erwerbstätige kaum mehr in der Tasche haben als Arbeitslose im Bürgergeld.

  2. Beratung und Vermittlung: Die Jobcenter sollten laut Weber für eine durchgängige und aktive Beratung und Vermittlung sorgen. Das sei im Besonderen wichtig für Zweitverdienende, „zur Stabilisierung von Jobs und für Geflüchtete“. Arbeitsförderung kann die Integration verbessern, sagt Weber.

Die Kombination aus Anreizen und einer effektiven Unterstützung der Bürgergeld-Berechtigten könne gelingen, wenn „wir Leistungen in einer reformierten Grundsicherung integrieren“, schreibt Weber, der am IAB als Leiter des Forschungsbereichs Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen arbeitet. Es sei zudem wichtig, das System nicht als Problem zu behandeln, sondern vielmehr als „Fitmacher“. Beim Abbau der Arbeitslosigkeit sollten „alle Register“ gezogen werden.

Auch interessant: Einige Experten sehen die Sparpläne der Bundesregierung beim Bürgergeld kritisch. In einer Studie wird zudem die Behauptung aufgestellt, dass der Bürgergeld-Regelsatz nicht ausreicht, um das Existenzminimum zu sichern.

Grundsicherung: Wie passen die Vorschläge von Weber zu den Plänen der Bundesregierung?

Mehrere Sozialleistungen aus einer Hand, das hat sich auch die Koalition aus Union und SPD vorgenommen. „Wir wollen, dass – wo immer möglich – Leistungen und Beratung aus einer Hand erbracht werden. Die Prozesse müssen digitalisiert werden. Die verfügbaren Daten sollen genutzt werden, um auf mögliche Leistungsansprüche hinzuweisen und die Beantragung zu vereinfachen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Wichtig sei dabei, „die Schnittstellen zur Grundsicherung“ in den Blick zu nehmen und Leistungen zusammenzufassen und besser aufeinander abzustimmen.

Schnittstellen gibt es vor allem beim Kinderzuschlag und dem Wohngeld, wie auch Weber thematisierte. Er fordert, die Grundsicherung, das Wohngeld und den Kinderzuschlag zu einem System zusammenzuführen. Die Koalition aus Union und SPD hat in diesem Bereich Handlungsbedarf erkannt, konkrete Reformvorschläge sind diesbezüglich bislang aber nicht bekannt.

Die Bundesregierung will laut Koalitionsvertrag dafür sorgen, dass „immer Anreize bestehen, ein höheres Erwerbseinkommen zu erzielen oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen“. Ebenfalls ein zentraler Punkt von Webers Reformvorschlag. Laut einer Analyse des IAB lohnt es sich derzeit für Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld, Wohngeld und/oder Kinderzuschlag nur wenig, eine Beschäftigung aufzunehmen oder auszuweiten. Das liege vor allem daran, dass der Großteil des zusätzlichen Einkommens auf die jeweiligen Sozialleistungen angerechnet werde.

Weber fordert daher den einheitlichen Selbstbehalt, der zur Folge hätte, dass ein Drittel des zusätzlichen Einkommens in jedem Fall nicht auf die Sozialleistungen angerechnet werden würde. Für Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen würde der Arbeitsanreiz steigen. Das passt zu einem Wahlversprechen der CDU. „Mehrarbeit muss sich wieder lohnen“, steht im Wahlprogramm der Kanzler-Partei.