Eigentlich ist Jan-Egbert Sturm kein Fan von staatlicher Preisbewirtschaftung. In der letzten Zeit kann er dem aber doch etwas abgewinnen. „Die regulierten Preise in der Schweiz haben in den vergangenen Monaten für eine gewisse Stabilität gesorgt und den Haushalten Erleichterungen gebracht“, sagt Sturm, der seit Jahren Chef der Konjunkturforschungsstelle (KOF) an der Spitzen-Uni ETH Zürich ist.

Sie seien einer der Gründe, warum die Inflation und damit auch die Entwicklung der Endkundenpreise in der Eidgenossenschaft oft geringer sei als anderswo. Sehr hohe Inflationsraten, wie etwa in Deutschland, kenne die Schweiz daher nicht.

Schweiz ist Niedrig-Inflations-Land

Tatsächlich weist die Schweiz traditionell eine deutlich geringere Teuerung auf als etwa Euro-Land. Im August 2023 rangierte der Preisauftrieb in der Eidgenossenschaft bei 1,6 Prozent. In Deutschland, das wiederum einen der Spitzenplätze im EU-Vergleich einnimmt, lag er bei 6,1 Prozent. Verbraucher hierzulande bekommen die aktuellen wirtschaftlichen Verwerfungen daher viel deutlicher zu spüren als Schweizer. Einer der Gründe: Die Schweiz schützt ihre Bürger in manchen Bereichen aktiv vor zu hohen Preisen.

Beispiel Mieten: Sie sind genau wie in Deutschland der größte monatliche Einzel-Ausgabenposten der Haushalte. Was Preisanpassungen angeht, gibt es in der Schweiz aber strenge Regeln. Insbesondere müssen sich Mieterhöhungen am durchschnittlichen Hypothekenzins der Banken anlehnen – und dieser ist aufgrund der niedrigen Leitzinsen der Schweizer Nationalbank SNB vergleichsweise niedrig. Aktuell liegt er bei nur 1,5 Prozent. In Deutschland existiert ein vergleichbarer Schutz – trotz Mietpreisbremse – nicht.

Härter geht es kaum: Die Schweizer Nationalbank garantiert einen harten Franken.
Härter geht es kaum: Die Schweizer Nationalbank garantiert einen harten Franken. | Bild: Oliver Berg/dpa

Energiemärkte sind nicht liberalisiert

Auch für Strom gibt es in der Schweiz ganz besondere Regeln. Haushalte und kleine Firmen können ihren Stromversorger nicht frei wählen, sondern landen automatisch beim örtlichen Energieanbieter. Im Gegenzug garantiert dieser fixe Strompreise für mindestens ein Jahr. In der Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs war das ein Vorteil. Während die Versorger in Deutschland im Jahr 2022 mehrfach an der Preisschraube drehten, blieben Schweizer Kunden in ihrem regulierten Strommarkt von der Preisexplosion verschont.

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„In der Schweiz sind die Preise deutlich später gestiegen, als in der EU“, sagt Sturm. Die Kehrseite der Medaille: Ab 2024 werden sich die gestiegenen Tarife auch zu den Schweizer Haushalten durchfressen – und das treibt wiederum die Inflation. Konjunkturforscher Sturm geht davon aus, dass sich das von der Schweizerischen Nationalbank vorgegebene Inflationsziel von maximal zwei Prozent nicht halten lässt und die Teuerung leicht darüber hinaus steigen wird. Die regulierten Preise holen die Schweiz also ein.

Dennoch prognostiziert der Ökonom, dass die eidgenössische Binnenkonjunktur robust bleibt. 2023 werde das Bruttoinlandsprodukt um 0,8 Prozent wachsen, 2024 um fast zwei Prozent. Deutschland kann davon nur träumen.