Gut, dass Claus Weselsky überhaupt ausgestiegen ist am Stuttgarter Hauptbahnhof. Denn der, da nimmt der Chef der Eisenbahnergewerkschaft GDL wie gewohnt kein Blatt vor den Mund, sei ja eigentlich eine „Erniedrigung für jeden Eisenbahner“. Und damit ist das Thema auch schon gesetzt: Stuttgart 21 und besonders die negativen Folgen, die das für die Gäubahn mit sich bringt.
Gegen die jahrelange Abkopplung der Verbindung vom Bodensee vom Stuttgarter Hauptbahnhof macht die Deutsche Umwelthilfe um Jürgen Resch schon länger mobil. Nun hat sich Resch mit Weselsky einen prominenten Mitstreiter an Land gezogen: „Er versteht etwas vom Thema, das merkt man einfach, es ist unfair, dass er oft nur über Streikaktionen wahrgenommen wird“, sagt der DUH-Chef am Dienstag bei einem Pressegespräch in Stuttgart.
Konkret geht es um den Abbau der überirdischen Gleise zum Kopfbahnhof, der im Zuge von S21 geplant ist und gegen den die DUH klagt. Denn dieser Abbau würde bedeuten, dass die Gäubahn viel länger vom Hauptbahnhof abgekoppelt ist, als das in der Genehmigung des Megaprojekts festgehalten ist.
Als „völligen Irrsinn“ bezeichnet es dann auch Weselsky, bestehende und funktionierende Infrastruktur abzubauen. Er wolle nun auch als Gewerkschafter nicht länger zusehen, wie „auf Basis einer Fehlentscheidung immer weitere Fehlentscheidungen getroffen werden“. Er spricht von einer „gigantischen Milliardenverschwendung, das glatte Gegenteil der angestrebten Verkehrswende.“
Die grundlegende Fehlentscheidung ist für Weselsky die Dimension des S21-Tiefbahnhofs, der mit seinen acht Knoten auch keine zentrale Rolle im geplanten Deutschlandtakt einnehmen könne. Auch er spricht sich deswegen für einen zumindest teilweise Erhalt des Kopfbahnhofs aus. Zudem kritisiert er, dass der Anbindung des Stuttgarter Flughafens hohe Priorität eingeräumt wird: „Wir müssen uns fragen, ob das noch zeitgemäß ist, wo doch die Eisenbahn das Verkehrsmittel der Zukunft sein soll.“
Klage der DUH mit Erfolgsaussichten?
In Sachen Gäubahn ruhen derweil fast alle Hoffnungen auf einer Klage der DUH. Sie will erreichen, dass die Gäubahn nicht dauerhaft abgekoppelt wird. Und hier verkündet Resch am Dienstag positives: Das zuständige Verwaltungsgericht in Stuttgart habe der Bundesregierung nun auferlegt, klare Angaben zu machen, wann welche Baumaßnahmen geplant sind, die zur Abbindung der Gäubahn führen.
„Das spricht in unseren Augen für eine sehr ernsthafte Beschäftigung mit dem inhaltlichen Teil“, so Resch. Die Klage sei also beileibe nicht chancenlos. Die DUH rechnet mit einer Verhandlung nach der Sommerpause. Resch appelliert an die Bahn, sich schon jetzt einen Plan B zurechtzulegen, wenn die DUH mit ihrer Klage Erfolg hat – wovon Resch ausgeht.
Resch hat eine Idee
Er brachte zudem einen Kompromiss ins Spiel, wie Stuttgarter Stadtentwicklung und Kopfbahnhof in Einklang gebracht werden könnten. Denn eigentlich sind auf den heutigen Gleisflächen Immobilienprojekte geplant. Reschs Vorschlag ist derweil, die Gleisanlagen mit Gebäuden zu überbauen, wie es etwa am Frankfurter Flughafenbahnhof und am Berliner Hauptbahnhof der Fall ist.
Die Bahn will die überirdischen Gleise in Stuttgart durch den zwölf Kilometer langen Pfaffensteigtunnel ersetzen. Dessen Planung muss jedoch erst noch genehmigt werden, auch steht seine Finanzierung noch nicht komplett. Schon heute ist klar, dass bis zu seiner Fertigstellung viele Jahre lang die Gäubahn in Stuttgart-Vaihingen enden würde.
Zuvor wird es aber noch zu einem Doppelbetrieb kommen, wenn der Tiefbahnhof schon eröffnet ist, die oberirdischen Gleise aber noch erhalten sind. Mindestens ein Jahr soll dieser Doppelbetrieb dauern: „Aber vielen bei der Bahn ist klar, dass das ohnehin länger dauern wird“, so Resch.