Medizinischer Mund-Nasen-Schutz ist in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr mittlerweile Pflicht. Denn die Masken bieten nicht nur Fremd-, sondern auch Eigenschutz – angeblich. Die Experten Thomas Vosseler, Geschäftsführer der Univent Medical GmbH Villingen-Schwenningen, Maximilian Weiss, Geschäftsführer der Palas GmbH in Karlsruhe und der Maskenexperte Roland Ballier fanden heraus, dass viele Masken zwar die europäische CE-Norm erfüllen, aber trotzdem einen erheblichen Teil Coronaviren durchlassen.

„Von den mehr als 400 in den letzten drei Monaten von uns geprüften Masken“, genügte ein Großteil der Vorgabe für kleinste Aerosolpartikel nicht, so Weiss, dessen Unternehmen Prüfgeräte zur Aerosolmessung herstellt.

Ein Großteil der Masken fällt durch

Zugelassene und mit CE-Kennzeichnung versehene FFP2-Masken
hätten zum Teil einen Durchlassgrad von mehr als 30 Prozent. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der öffentlich bestellte und vereidigte Gutachter für Medizinprodukte, Roland Ballier: „Dort wo die Masken eigentlich ihre Hauptwirkung, nämlich die Filterung des Virusmaterials in Aerosolen, aufweisen sollten, versagt ein Großteil der Masken.“ Gemeint sind die von einem zertifizierten Institut formell korrekt geprüfte FFP2-Masken, die das CE-Zeichen und auch eine vierstellige Prüfziffer bekamen.

Gutachter und Maskenexperte Roland Ballier sieht bei der Filterung vieler FFP2-Masken ein Problem. Grund dafür ist laut ihm die ...
Gutachter und Maskenexperte Roland Ballier sieht bei der Filterung vieler FFP2-Masken ein Problem. Grund dafür ist laut ihm die Quaslitätsnorm, die ursprünglich für den Arbeitsschutz vorgesehen und damit für die Filterung von Staub- und Asbestbelastung und nicht für Viren. | Bild: Küster, Sebastian

Der Grund: Die Norm sei das Problem. FFP2-Masken wurden ursprünglich für den Arbeitsschutz, beispielsweise auf Baustellen mit Staub- oder Asbestbelastung, hergestellt. Erst seit der Pandemie wird dieser Mundschutz flächendeckend zum Schutz vor Corona quasi zweckentfremdet.

Die Norm ist laut den Experten nach wie vor darauf ausgelegt, die Masken auf Staubpartikel mit einer Größe von etwa 500 Nanometern zu untersuchen. Wenn FFP2-Masken auch heute noch diese Norm erfüllen, bekommen sie das CE-Zeichen.

Veraltete Norm ist das Problem

Das Problem: Coronaviren seien deutlich kleiner, nämlich etwa 100 bis 150 Nanometer groß. Ob die FFP2-Masken auch diese Größe filtern, werde laut Ballier, Weiss und Vosseler im Zertfizierungsverfahren gar nicht unter die Lupe genommen.

Das Bundesinstitut für Medizinprodukte sieht das ganz anders. Die verwendeten Testaerosole lägen bei „ungefähr 20 bis 800 Nanometer“, sagt Institutssprecher Maik Pommer dem SÜDKURIER. Auch wenn im Rahmen der Norm keine Prüfung mit Viren vorgesehen ist, könne man auf das fast vollständige Abfangen virusbeladener Aerosole trotzdem rückschließen.

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Warum die Spanne der Testaerosole 780 Nanometer groß sein darf und wie groß der Durchschnittspartikel bei den Testungen in der Realität ist, beantwortet Pommer nicht.

Auch das Bundesgesundheitsministerium weist Kritik von sich, betont stattdessen die strengen Vorgaben. TÜV-Mitarbeiter untersuchten noch vor Ort an Flughäfen in China und in den Logistik-Lagern in Deutschland die Masken mithilfe einer Checkliste. Geprüft werden unter anderem Optik, Passform, Filtervliese. Danach fänden laborgestützte Prüfungen statt. Wie genau diese Tests ablaufen, wird nicht erklärt.

Der TÜV Nord argumentiert, dass Coronaviren zwar sehr klein seien, jedoch in Tröpfchenaerosolen in die Luft gelangen. Diese Aerosole seien wiederum deutlich größer als die Viren selbst „und werden dadurch, zusammen mit den darin gebundenen Viren, vom Filtermedium aufgefangen“, so TÜV-Sprecherin Franziska Nieke gegenüber dem SÜDKURIER. Das Prüfverfahren sei „zwar sicher verbesserungsfähig, jedoch durchaus geeignet.“

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Roland Ballier hält dagegen. Die Deutsche Gesellschaft für Aerosolforschung habe genau diese These vor kurzem untersucht und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Viren nur weniger als eine Sekunde im Aerosol bleiben. Danach löse sich die Außenschicht auf und die Viren fliegen ungeschützt stundenlang durch die Luft. „Der TÜV denkt hier zu kurz. Es geht nicht nur um den Fremd- sondern auch den Eigenschutz. Und wenn eine andere Person mit schlechter FFP2-Maske diese Viren einatmet, hält diese Maske nicht stand“, sagt er.

Ein Test reicht nicht

Thomas Vosseler, Maximilian Weiss und Roland Ballier bemängeln nicht nur die Norm. Auch das Prüfverfahren soll nicht zeitgemäß sein. Denn beim Zertifizierungsinstitut würden Masken nur einmal geprüft. „Über die Qualität, die dann in Masse produziert wird, sagt das wenig aus“, betont Thomas Vosseler von Univent Medical im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Thomas Vosseler stellt in seinem Unternehmen Univent Medical in VS-Schwenningen FFP2-Masken her. Er sieht Hersteller in der Pflicht, ...
Thomas Vosseler stellt in seinem Unternehmen Univent Medical in VS-Schwenningen FFP2-Masken her. Er sieht Hersteller in der Pflicht, eine gleichbleibende Qualität der Masken zu garantieren. | Bild: Küster, Sebastian

Sein Unternehmen nutzt ein modernes Messgerät, mit dem auch die durchgelassenen Aerosole in der Größe der Coronaviren überprüft werden.

Laut Ballier sind aber längst nicht alle Masken für Viren durchlässig. Etwa ein Drittel der zertifizierten Masken zeige sogar hervorragende Filterwirkungen. Doch es fehle eine entsprechende Klassifizierung. „Hier sollte ein Qualitätslabel geschaffen werden, damit sich der Verbraucher orientieren kann“, sagt der Gutachter.