Eindeutiger kann eine Abstimmung nicht ausfallen: Einstimmig und ohne Enthaltung hat sich der Konstanzer Kreistag dafür ausgesprochen, dass der Ausbau der Gäubahn beschleunigt werden und die Verwaltung verstärkt darauf drängen soll. Das Votum aus der vergangenen Woche ist ein weiteres Signal in der Gäubahn-Debatte, die neuen Schwung gewonnen hat.

„Hier muss jetzt das Bundesverkehrsministerium schnell liefern“, sagt Ann-Veruschka Jurisch. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete ist Fraktionsvorsitzende der FDP im Kreistag. Es gehe vor allem darum, die Zweigleisigkeit der Strecke wiederherzustellen. Das Bundesverkehrsministerium müsse dafür schnell die Grundlagen schaffen.

Ann-Veruschka Jurisch (FDP)
Ann-Veruschka Jurisch (FDP) | Bild: Stefan Trocha | Photography

Die Idee zur Zweigleisigkeit

Frischen Wind in die Debatte hatten die SPD-Bundestagsabgeordnete Lina Seitzl und der SPD-Landtagsabgeordnete Hans-Peter Storz gebracht, die eine vorgezogene Planung und Umsetzung der Zweigleisigkeit zwischen Sulz und Epfendorf und Rietheim-Weilheim und Tuttlingen fordern.

Gerade für den ersten Abschnitt bei Sulz erhält dieser Vorschlag viel Zustimmung über die Parteigrenzen hinweg, etwa vom Landesverkehrsministerium, von Umwelthilfechef Jürgen Resch, von Grünen-Bahnexperte Matthias Gastel und vom CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung.

Die Bahn erklärte jedoch kategorisch, dieses Vorziehen sei so nicht möglich. Frühste Fertigstellung nach aktueller Bahn-Planung ist erst irgendwann in den 2040er-Jahren. Die baden-württembergischen CDU- und SPD-Landesgruppen im Bundestag haben sich deswegen an Verkehrsminister Patrick Schnieder gewendet, damit sein Ministerium diesen Vorschlag prüft.

Jurisch sieht wenig Engagement für Südabschnitt

Jurisch kritisiert, dass sehr viel über den Erhalt der Gleise in Stuttgart gesprochen werde. Aber worüber im Moment überhaupt kaum jemand nördlich von Singen spreche, „vor allem auch nicht im Interessensverband Gäubahn unter Guido Wolf“, sei der Südabschnitt von Horb bis zur Schweizer Grenze. Fehlt es also hier doch an Unterstützung?

Guido Wolf (CDU), Landtagsabgeordneter für Tuttlingen-Rottweil und Vorsitzender des Interessenverbandes Gäubahn.
Guido Wolf (CDU), Landtagsabgeordneter für Tuttlingen-Rottweil und Vorsitzender des Interessenverbandes Gäubahn. | Bild: Landratsamt Schwarzwald-Baar

CDU-Politiker Wolf weist das zurück. Zwar sagt er zum SÜDKURIER: „Wenn allzu oft ‚neue Baustellen‘ und Alternativen in das Verfahren eingebracht werden, birgt das auch die Gefahr in sich, dass Planungen immer wieder neu starten und dadurch Zeit verloren geht.“ Grundsätzlich begrüße er aber den Vorstoß von Seitzl und Storz. Zur endgültigen Beurteilung habe er nicht den technischen Sachverstand, er teile aber nicht „den schnellen Reflex der Bahn, direkt abzulehnen.“

Für ihn sei klar: „Wenn das Verkehrsministerium diese Variante positiv bewertet, dann spricht für mich vieles dafür, sie als gangbare Alternative in der Bauabfolge auch tatsächlich zu prüfen.“ Er werde das für den Interessenverband nochmals in Berlin einbringen.

Häusler schaut vor allem nach Stuttgart

Auch Singens Bürgermeister Bernd Häusler verteidigt seinen Parteifreund Wolf. Dieser setze sich seit über einem Jahrzehnt aktiv für die Interessen aller Anrainer der Gäubahn ein, sagt Häusler auf SÜDKURIER-Anfrage. Ohne Wolfs „politischen Einsatz, aber auch ohne den Einsatz der Gäubahnanlieger bei der Vorfinanzierung von Planungskosten wäre die Aufnahme der Gäubahn in den vordringlichen Bedarf im Bundesverkehrswegeplan nicht erfolgt.“

Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler (CDU)
Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler (CDU) | Bild: Sabrina Morenz

Im Vergleich zu anderen regionalen Politikern äußert sich Häusler auch zurückhaltender zur neuen Ausbau-Idee. Zwar sei er für einen beschleunigten Ausbau, aber „das eine wäre wünschenswert, die direkte Anbindung an den Fernverkehr im Tiefbahnhof Stuttgart 21 ist essenziell.“

Seine Position stellte Guido Wolf derweil vergangene Woche auch im Konstanzer Gemeinderat dar. Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) hatte seinen Parteifreund zu einer Sitzung zugeschaltet, wobei es ausdrücklich nicht um Parteipolitik, sondern die Interessen der Region gehen sollte – gerade das Oberzentrum Konstanz ist schlecht an den Bahn-Fernverkehr angeschlossen, und die Aussicht auf eine jahrelange Kappung einer Direktverbindung zum Knoten Stuttgart stößt dort den Kommunalpolitikern aller Couleur sauer auf.

„Zusammenarbeit belastet“

Was Wolf in der Sache sagte, war für viele Zuhörer nichts Neues: Der Doppelspurausbau kommt nicht schnell genug voran, die Finanzierung für den Pfaffensteig-Tunnel, ohne den es langfristig keine durchgehenden Züge Singen-Stuttgart geben wird, ist ungeklärt, die Stadt Stuttgart verfolgt andere Interessen als die Region südlich davon.

Dass Stuttgart nicht kompromissbereit sei und auf jeden Quadratmeter der bisherigen Bahn-Flächen bestehe, habe „die Zusammenarbeit in letzter Zeit belastet“. Er „verstehe jeden, der darüber schmunzelt“, sagte Wolf zum anvisierten Fertigstellungstermin des Pfaffensteigtunnels 2032.

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Aufmerken ließ aber doch, wie Wolf auf kritische Stimmen von Stadträten von CDU bis Grünen reagierte. Ja, räumte er ein, die Politik habe „viel Vertrauen verspielt“, und das Prinzip „drei Schritte vor, zwei Schritte zurück“ trage auch nicht dazu bei, die Bahn im Süden des Landes wieder stärker bei den Menschen zu verankern. Zumindest im Konstanzer Rat kommt aber ein Appell an, den Wolf und OB Burchardt ganz ähnlich formulieren: „Wenn überhaupt etwas funktioniert, dann nur, wenn wir es gemeinsam und in großer Geschlossenheit fordern“.