Die Überraschung scheint gelungen. Der Atommüll aus deutschen Kernkraftwerken wird nicht in Gorleben endgelagert. Dafür aber werden weite Teile Baden-Württembergs sowie Teile der Region für ein künftiges nationales Atomendlager nicht ausgeschlossen. Das geht aus dem mit Spannung erwarteten Zwischenbericht hervor, den die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) heute vorgestellt hat.
Was steht in dem Bericht und welche Gebiete in der Region kommen in Frage?
Der Bericht enthält die Ergebnisse der ersten Auswertung geologischer Daten auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Demnach kommt über die Hälfte der bundesdeutschen Fläche mit rund 90 Teilgebieten für nähere Untersuchungen infrage. Und Baden-Württemberg verfügt vor allem mit kristallinem Gestein etwa im Schwarzwald und dem unterirdischen Tongestein im Hegau sowie – in größerem Maße – auch im Bereich von Alb-Donau über Wirtsgesteine, die als tauglich gelten für ein Endlager, das hochradioaktiven Abfall für Hunderte von Jahren aufnehmen könnte.

Kommen auch Teilgebiete in anderen Bundesländern infrage?
Ja, ein weiteres sehr großes sogenanntes Teilgebiet erstreckt sich von Baden-Württemberg und Bayern über Thüringen, Sachsen-Anhalt, das südliche Brandenburg und Sachsen im Nordosten von Deutschland. Bayern hat allerdings schon im Gegensatz zu Baden-Württemberg erklärt, dass die dortigen kristallinen Gebiete nicht für ein Endlager infrage kommen. Das BGE stellt auf seiner Internetseite eine interaktive Karte zur Verfügung, auf der man sehen kann, welche Regionen von der weiteren Endlagersuche betroffen sind.
Inwiefern spielt die Erdbebengefahr eine Rolle?
Sie wird zunächst zurückgestellt. Die Bodenseeregion liegt zwar in einer Erdbebenzone, die ein Atomendlager bislang in Studien ausgeschlossen hat. Eine Anlage tief unter der Erde halten Wissenschaftler für weniger problematisch. Allerdings müsste auf der Oberfläche auch eine Verpackungsanlage stehen, in der die strahlende Fracht aus den Castorbehältern gehievt und in entsprechende Behälter zur Tiefeinlagerung gesteckt werden müsste. Eine solche sogenannte Heiße Zelle gilt als sensibles Teil eines Endlagers.
Wie sieht jetzt der Fahrplan aus?
Nach Ansicht der BGE findet sich in Deutschland in jedem Fall ein Gebiet, das für ein Endlager tauglich sein wird. „Die Geologie ist von Nord bis Süd und Ost bis West so günstig, dass sich ein Standort wird ermitteln lassen“, sagte BGE-Geschäftsführer Stefan Studt am Montag in Berlin. Mit der Vorlage des Teilberichts ist laut BGE keine Vorfestlegung getroffen. Das soll erst in den nächsten Jahren passieren, wenn die Teilgebiete unter die Lupe genommen werden. Dabei sollen Kriterien wie die Bevölkerungsdichte eine Rolle spielen. Beteiligt werden sollen demnach auch die betroffenen Bürger selbst, die Gemeinden und Kreise. Bis 2031 soll dann ein Standort für ein künftiges Tiefendlager gefunden sein, das bis 2050 in Betrieb gehen soll – entsprechend soll auch auf der Schweizer Seite ein Atomendlager in Betrieb gehen. Das dürfte nach heutigem Stand ebenfalls im Opalinuston in Grenznähe liegen.

Was sagen Kritiker der BGE zu dem Vorgehen?
Während Politiker wie Umweltminister Untersteller beschwichtigen und erklären, damit sei noch keine Vorentscheidung getroffen, findet das Vorgehen in der betroffenen Region wenig Verständnis. Denn nach dem Zeitplan der BGE soll der Bundestag Mitte kommenden Jahres bereits darüber entscheiden, welche Gebiete zur Oberflächenerkundung vorgesehen sind, merkt Thomas Weber an.

Der Überlinger ist einer der Endlager-Experten bei der Bürgerinitiative KLAR Deutschland, die den Suchprozess schon seit vielen Jahren kritisch begleitet. Weber: „Wenn das der Fall sein sollte, haben sie noch acht Monate Zeit. Heute setzen sie uns eine Fläche vor, die 54 Prozent der Bundesrepublik umfasst. Das ist nichts Neues. Wir sollen nun in drei Fachkonferenzen zum wiederholten Male ins Blaue diskutieren, anstatt eng ausgewiesene Gebiete genauer unter die Lupe nehmen zu können“, ärgert sich Weber. „Es kann nicht sein, dass die BGE heute noch nicht weiß, welche Gebiete vorgesehen sind. Für mich ist das eine hinterhältige Vorgehensweise.“