Nach einem schlimmen Unglück wie der Zugentgleisung mit Toten und Verletzten in Riedlingen sind auch Notfallseelsorger im Einsatz. «Wir lassen die betroffenen Menschen in solchen Situationen nicht allein und stehen Ihnen bei», sagt Andreas Groll, Leiter der Notfallseelsorge Stuttgart, mit Blick auf Krisensituationen. Experten der «Ersten Hilfe für die Seele» sind auch bei Anschlägen und anderen Gewalttaten aktiv.
«Sie sind so etwas wie die Akuthelfer, die den Sanitätern den Rücken freihalten und auch als Ansprechpartner bleiben, wenn die Rettungsdienste bereits fort sind», sagt Groll zu den Notfallseelsorgern.
Bei der Zugentgleisung im Südosten Baden-Württembergs waren am Sonntagabend laut Polizei der 32 Jahre alte Lokführer, ein 36-jähriger Auszubildender und eine 70 Jahre alte Mitreisende gestorben. 41 Menschen wurden demnach verletzt, einige davon schwer. Auslöser war nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler ein Erdrutsch im Böschungsbereich zu den Gleisen.
Menschliche Nähe und Zuhören
Oft informiert die Leitstelle die Notfallseelsorger direkt. Nicht selten treffen diese zeitgleich mit dem Rettungsdienst ein. Was sie dann tun, ist oft still, aber entscheidend. Dann gehe es vor allem um menschliche Nähe, Zuhören, um Erklärung, Stabilisierung und Orientierung in einem Moment, in dem viele den Boden unter den Füßen verlören, sagt Groll.
Notfallseelsorger würden Menschen in einer Notlage helfen, wieder ein Sicherheitsgefühl herzustellen. Dabei gehe es auch darum, das «Unerträgliche» auszudrücken, zu verstehen und zu bewältigen, wie Groll mit Blick auf das Zugunglück und andere Notfälle sagt.
Brücke zu Freunden und Angehörigen
Die Seelsorger bauen nach den Worten Grolls Brücken zu Nachsorgenden, das können etwa Freunde, Angehörige und professionelle Helfer sein. «Jeder unserer Notfallseelsorger hinterlässt nach einem Einsatz eine Visitenkarte mit einer zentralen Nummer, damit die betroffenen Personen gegebenenfalls noch einmal Kontakt aufnehmen können.» Auch das ist ein Anker, wie der katholische Diakon resümiert.
Die Notfallseelsorge Stuttgart ist ein ökumenischer Dienst der Kirchen. Auch spiritueller Beistand spielt für viele in solchen Momenten eine Rolle. «Ich bete gerne für die Menschen oder frage, ob ich sie segnen darf», sagt Groll. Auch für Rettungskräfte gibt es demnach seelsorgerliche Betreuung, etwa bei der Polizei und der Feuerwehr.
Um selbst die seelische Belastung nach einem Einsatz zu verarbeiten, hat Groll ein Ritual: «Stress ist wasserlöslich. Ich gehe gerne schwimmen oder dusche danach.»