Der Impfstoff von Biontech wartet auf seine Zulassung, dicht gefolgt von Moderna und Astrazeneca. Noch vor Weihnachten könnten Menschen gegen Covid-19 geimpft werden. Acht bis neun zentrale Impfzentren sollen landesweit in einem ersten Schritt bis Mitte Dezember geschaffen werden. „Das halten wir auch ein“, sagt der Sprecher des Sozialministeriums, Markus Jox, dem SÜDKURIER. Im bundesweiten Vergleich liege Baden-Württemberg mit seinen Vorbereitungen „relativ weit vorne“.
Das Landeskonzept klingt ambitioniert: 58 Millionen Euro sollen allein die zentralen Impfzentren (ZIZ) kosten. Dort sollen täglich mindestens 1500 Menschen geimpft werden. Jeder soll vor Ort zuvor von einem Arzt aufgeklärt werden.
Zentrale Impfzentren unter anderem in Tübingen und Freiburg
Solche Zentren sollen in den Messen Freiburg, Ulm und Offenburg entstehen, weitere Zentren sind an den Uniklinik-Standorten Heidelberg sowie voraussichtlich Tübingen geplant. In Stuttgart sollen zwei Krankenhäuser als ZIZ fungieren. Zwei weitere Standorte sind noch in Planung, teilte die Landesregierung mit.
Zusätzlich sollen mobile Teams bereitstehen, die pflegebedürftige Menschen zu Hause oder im Pflegeheim impfen. In jedem Zentralen Impfzentrum sollen fünf solcher Teams bereitstehen.
„Wir wollen vermeiden, dass der Impfstoff kommt und wir nicht einsatzbereit sind“, erklärte Jox. Doch dafür braucht es viel Personal, allein 1100 Mitarbeiter für die Zentralen Impfzentren.
Im zweiten Schritt sollen Kreisimpfzentren (KIZ) entstehen. Jeder Landkreis ist aufgerufen, bis Montag Vorschläge beim Land einzureichen, in welchen Gebäuden solche KIZ eingerichtet werden könnten. Auch dort soll es mobile Einsatzteams geben, je zwei pro KIZ. Diese sollen dann bis Mitte Januar bereitstehen.
Pro Kreisimpfzentren sollen etwa 750 Impfungen pro Tag möglich werden. Für alle Kreisimpfzentren zusammen rechnet die Regierung mit einem Bedarf von 3300 Mitarbeitern. Ist das realistisch?
Landkreise sollen Standorte für Impfzentren vorschlagen
Der Landkreistag Baden-Württemberg hält die Aufgabe für machbar. „An den Landkreisen wird die rechtzeitige Bereitstellung der Kreisimpfzentren nicht scheitern“, sagt Geschäftsführer Alexis von Komorowski.
„Allerdings brauchen wir rasch eine Verständigung mit dem Land, wie insbesondere die Ärzte und das medizinische Fachpersonal rekrutiert werden und welche konkreten Aufgaben die Landkreise übernehmen sollen“, fordert er. „Neben dem Personal wird sicherlich auch das Terminservice und -management eine gewaltige Herausforderung darstellen.“
Der Konstanzer Landrat Zeno Danner gibt sich dennoch zuversichtlich ob der personellen Herausforderung: Bislang habe der Krise mit verschiedensten Akteuren wie niedergelassenen Ärzten, Sanitätsdiensten oder auch dem Technischen Hilfswerk „sehr gut zusammengearbeitet. Ich bin davon überzeugt, dass diese Strukturen auch bei der Realisierung eines Impfzentrums im Landkreis greifen.“
Sprecherin Marlene Pellhammer gibt an, die Städte Konstanz, Radolfzell und Singen hätten bereits Vorschläge an das Land übermittelt, wo Impfzentren möglich wären. In Konstanz ist das Bodenseeforum im Gespräch.
Schwarzwald-Baar-Kreis hat Gebäude im Blick, doch Fragen offen
Im Schwarzwald-Baar-Kreis schlug bereits frühzeitig die Tennishalle in VS-Schwenningen vor, die bereits im Frühjahr als Fieberambulanz genutzt wurde. „Hier sehen wir die Rahmenbedingungen als optimal gegeben, um die Abläufe für mehrere hundert Impfungen pro Tag durchzuführen“, sagt Landrat Sven Hinterseh.

Aber auch hier betont Sprecherin Heike Frank: „Viele organisatorische Fragen sind derzeit noch offen und müssen noch geklärt werden.“ Dazu gehöre auch die Frage, woher das Personal kommen soll, das die Menschen im Zentrum betreut, aufklärt und impft. Dass das Zentrum bis Mitte Januar eingerichtet sein kann, hält Frank aber für machbar.
In Sigmaringen fragt man sich, wie viel der Landkreis beitragen muss
Im Landkreis Sigmaringen sieht es ähnlich aus. Sprecher Tobias Kolbeck sagt, der Kreis habe die ehemalige Bundeswehrsporthalle in der ehemaligen Graf-Stauffenberg-Kaserne in Sigmaringen und eine Halle in der ehemaligen Oberschwabenkaserne in Hohentengen angeboten. Er betont aber: „Der Betrieb dieser Einrichtungen wird beim Land liegen.“
Noch sei nicht bekannt, wie der Betrieb organisatorisch, personell und infrastrukturell ablaufen solle und wann ein mögliches Impfzentrum in Betrieb gehen könne, ergänzt der Sprecher. Ebenso wenig sei klar, ob und in welchem Umfang der Landkreis am Betrieb der Zentren beteiligt sein werde.
Der Landkreis Tuttlingen will die Kreissporthalle als Standort für ein Impfzentrum zur Verfügung stellen, deren Nutzung damit für Schulen und Vereine voraussichtlich bis Jahresmitte nicht möglich wäre. Landrat Stefan Bär betonte, dass die Einrichtung eines Impfzentrums „in der gegenwärtigen Situation oberste Priorität“ habe. Der Landkreis werde die Zentren auch unterstützen, sagte er zu.
Bodenseekreis noch nicht vorbereitet
Der Bodenseekreis hat dagegen noch keine Vorschläge gemacht. „Konkrete Planungen gibt es noch nicht, das hängt vom Masterplan des Landes ab“, sagt Sprecher Robert Schwarz. „Wir bereiten uns aber darauf vor, sollte der Landkreis gefordert sein“, ergänzt er. Man habe bei der Messe in Friedrichshafen „vorgefühlt“, ob dort die Einrichtung eines Impfzentrums denkbar wäre.

Doch auch der Sprecher des Bodenseekreises sieht die größte Herausforderung weniger in der Örtlichkeit, sondern beim Personal: „Klar ist: Wenn die Impfungen außerhalb der vorhandenen medizinischen Versorgungsstrukturen in kompakter Zeit angeboten werden sollen, ist das eine Mammut-Aufgabe. Da reicht es nicht aus, kurzfristig mal ein paar Leute abzustellen.“
Waldshut bietet acht Möglichkeiten für Impfzentren
Im Landkreis Waldshut sind die Vorbereitungen schon deutlich weiter gediehen: „Bereits vor Corona haben wir im Rahmen des Katastrophenplans acht mögliche Impfstätten vorgeplant.“ Derzeit plane der Kreis mit zwei Impfzentren. „Das Ziel für die KIZ ist von unserer Seite aus realistisch“, sagt Sprecherin Susanna Heim mit Blick auf das Vorhaben der Landesregierung.
Die Kassenärztliche Vereinigung habe dem Landkreis signalisiert, „dass sie die niedergelassenen Ärzte um Unterstützung bitten wird“. „Die weitere personelle Besetzung werden wir in Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen sicherstellen“, sagt Heim: „Wir sind optimistisch, dass dies gelingen wird.“ Den konkreten Personalaufwand schätzt der Kreis auf circa 35 Einsatzkräfte pro Kreisimpfzentrum, bei einem Zwei-Schicht-Betrieb am Tag würden demnach rund 70 Personen benötigt.
Es werden Ehrenamtliche gefordert sein, sagt das Land
Damit das Konzept überhaupt umgesetzt werden kann, sei gesellschaftliches Engagement gefragt, gesteht Sprecher Jox ein. Ohne Freiwilligenorganisationen, Ehrenamtliche und Organisationen wie das Rote Kreuz werde es nicht gehen. „Das ist ein großer Kraftakt, der gesellschaftliches Miteinander braucht. Das ist nicht allein von Land zu stemmen“, betont er.
Das Land plane derzeit mit der Unterstützung von Rettungsdiensten, dem Technischen Hilfswerk, der Feuerwehr ein und will auch die Kassenärztliche Vereinigungen miteinbeziehen. Für die Aufklärung vor der Impfung ist ein Arzt zwingend notwendig, für die Impfung selbst aber nicht, betont Jox. „Medizinisch-technische Assistenten können auch impfen“, sagt er.
Impfungen beim Hausarzt erst der letzte Schritt
Aus dem Papier der Landesregierung geht hervor, dass die Zentralen Impfzentren und die Kreisimpfzentren mehrere Monate parallel laufen sollen. Demnach sollen die ZIZ bis Mitte April in Betrieb sein, die KIZ ihre Arbeit aber Mitte Januar schon aufnehmen. Erst im dritten Schritt sollen Impfungen dann über den Hausarzt möglich sein, ähnlich wie bei herkömmlichen Impfungen wie dem Grippeschutz.